Wie die Wahlen in Österreich die Ukraine-Politik der EU verkomplizieren könnten

Portrait von Herbert Kickl

Österreichs ehemaliger Innenminister, der rechtsaußen stehende Herbert Kickl (FPÖ), liegt in den Umfragen vorn

(Bild: Alexandros Michailidis/Shutterstock.com)

Vor den Nationalratswahlen am Sonntag liegt die rechte FPÖ in Umfragen vorn. Ein Sieg könnte die EU-Hilfe für die Ukraine gefährden. Was bedeutet das für Europa?

"Kriege gehören ins Museum" steht auf einer Inschrift vor dem Heeresgeschichtlichen Museum in Wien.

Österreich und der Krieg

Zwischen Lemberg in der Westukraine und Wien liegen keine 400 Kilometer Luftlinie. Doch in der österreichischen Hauptstadt kommt einem die Entfernung viel größer vor. Anders als in vielen deutschen Städten sieht man an den Gebäuden der Wiener Institutionen keine ukrainischen Fahnen.

Eine der wenigen Erinnerungen an den andauernden Krieg in der Ukraine findet sich in Wien hinter dem sowjetischen Kriegerdenkmal, wo eine Mauer in den Farben der ukrainischen Flagge bemalt ist.

Die jüngsten Landtagswahlen in Deutschland waren von wachsender Unzufriedenheit mit der deutschen Ukraine-Politik geprägt.

Portrait von Marc Martorell Junyent
Unser Gastautor Marc Martorell Junyent
(Bild: LinkedIn)

Im Vorfeld der österreichischen Parlamentswahlen am 29. September wird dem anhaltenden Krieg in der Ukraine südlich von Deutschland nur noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Stattdessen wird die öffentliche Debatte in Österreich von Themen wie Migrations- und Asylpolitik sowie zukünftigen Koalitionsmöglichkeiten dominiert.

Das geringe Gewicht der Außenpolitik in der Diskussion erklärt sich zum Teil aus der besonderen Situation Österreichs als neutrales Land. Österreich ist seit 1995 Mitglied der Europäischen Union (EU), aber nicht der Nato. Nachdem Schweden und Finnland in Folge der russischen Invasion dem Bündnis beigetreten sind, teilen nur noch drei weitere europäische Staaten (Zypern, Irland und Malta) diese Kategorie mit Österreich.

Die Außenpolitik könnte jedoch bei den Verhandlungen über die Regierungsbildung nach den Wahlen eine wichtige Rolle spielen. Die rechtsextreme "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ), die in Umfragen mit 27 Prozent an erster Stelle liegt, könnte die EU-Hilfe für die Ukraine auf den Prüfstand stellen.

In ihrem Wahlprogramm lehnt die FPÖ Sanktionen gegen Russland ab und fordert die Einstellung der österreichischen Beiträge zur Europäischen Friedensfazilität (EPF), über die die EU 6,8 Milliarden Dollar an Militärhilfe für die Ukraine bereitgestellt hat.

Ungarn unter Premierminister Viktor Orbán hat lange Zeit sein Vetorecht in der EU genutzt, um militärische Hilfspakete für die Ukraine zu blockieren oder deren Genehmigung im Gegenzug für Zugeständnisse zu ermöglichen. Orbán, der im Europäischen Parlament eine Allianz mit der FPÖ bildet, gilt dem FPÖ-Kanzlerkandidaten Herbert Kickl als Vorbild.

Trotz FPÖ-Sieg wären andere Regierungskonstellationen möglich

Die FPÖ hat noch nie eine nationale Wahl gewonnen, aber bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in Österreich im vergangenen Juni wurde sie stärkste Partei. Ein Sieg der FPÖ würde nicht automatisch eine Regierungsbeteiligung garantieren, geschweige denn das Privileg, den neuen österreichischen Bundeskanzler zu stellen. Eine Regierungsbildung ohne die rechtsextreme Partei wäre jedoch schwierig.

Dicht gefolgt wird die FPÖ in den Umfragen von der bürgerlichen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) unter Bundeskanzler Karl Nehammer. Er führt derzeit eine Koalitionsregierung mit den Grünen. Die Mitte-links-Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) liegt in den Umfragen an dritter Stelle.

Die beiden traditionellen Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien bräuchten wahrscheinlich eine dritte Partei, um eine parlamentarische Mehrheit zu erreichen. ÖVP und FPÖ hingegen dürften zusammen mehr als 50 Prozent der Sitze im Parlament erringen.

Die Konservativen scheinen bereit zu sein, nach den Wahlen auf die FPÖ zuzugehen, obwohl sie angekündigt haben, FPÖ-Chef Kickl in einem künftigen Kabinett abzulehnen.

Die beiden Parteien bildeten bereits Anfang der 2000er Jahre und von 2017 bis 2019 eine gemeinsame Regierung. In beiden Fällen stellte die ÖVP den Bundeskanzler. Dies könnte diesmal anders sein, insbesondere wenn die FPÖ mit einem deutlichen Vorsprung vor der ÖVP gewinnt.

FPÖ und Russland

Christoph Schwarz, Research Fellow am Österreichischen Institut für Europäische und Sicherheitspolitik, sagte, wenn die FPÖ in die Regierung eintrete, "kann man davon ausgehen, dass die österreichische Unterstützung für EU-Initiativen zur Unterstützung der Ukraine schwieriger zu erreichen sein wird". Vieles hänge jedoch von den politischen Verhandlungen und der Zusammensetzung einer solchen Regierung ab.

Die FPÖ und Einiges Russland, die Partei Wladimir Putins, haben 2016 einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Die russischen Verbindungen der FPÖ haben zu skurrilen Momenten geführt. Karin Kneissl, die 2017 auf Empfehlung der FPÖ zur österreichischen Außenministerin ernannt wurde, tanzte 2018 auf ihrer Hochzeit mit Putin.

Kneissl lebt nun in Russland, wo sie kürzlich zur Goodwill-Botschafterin für den Schutz des sibirischen Tigers ernannt wurde. Die FPÖ hat sich inzwischen von dem Freundschaftsvertrag distanziert, doch die Verbindungen zwischen der rechtsextremen Partei und Moskau sind geblieben.