Wie ein chinesischer Deal imperiale Ängste in den USA auslöst
Es ist ein großer Diplomatie-Erfolg Beijings: Saudi-Arabien und Iran einigen sich auf ein Abkommen. Die USA werden an die Seitenlinie geschoben. Warum das Washington-Establishment in Aufruhr ist.
Es ist ein Grund für Erleichterung und Hoffnung. Der chinesischen Diplomatie gelang es nach Verhandlungen, Iran und Saudi-Arabien nicht nur an einen Tisch zu bringen, sondern auch einen Deal abzuschließen. Nach sieben Jahren Eiszeit wollen die beiden Länder nun ihre Beziehungen wieder normalisieren.
Und das ist auch dringend notwendig. Denn Saudi-Arabien und Iran führen seit 2014 einen blutigen Stellvertreterkrieg im Jemen. Mit der Unterstützung der USA hat die von den Saudis angeführte Koalition in dem Bürgerkrieg nach UN-Angaben rund 400.000 Menschen direkt oder indirekt getötet.
Der Sprecher der Vereinten Nationen, Stéphane Dujarric, dankte China für seine Rolle bei der Einigung und betonte in einer Erklärung, dass "gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien für die Stabilität der Golfregion von wesentlicher Bedeutung sind". Wang Yi, Chinas Spitzendiplomat, sprach von einem "Sieg des Dialogs und des Friedens".
Die drei Nationen erklärten in einer gemeinsamen Erklärung, das Abkommen sei eine "Bekräftigung der Achtung der Souveränität der Staaten und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten".
Diejenigen, die sich für Frieden und Multilateralismus einsetzen, feierten den Deal zwischen Saudi-Arabien und Iran vom Freitag als wichtigen Durchbruch. Trita Parsi, Vizepräsident des Quincy Institute for Responsible Statecraft in Washington D.C. twitterte:
Während viele in Washington Chinas aufkommende Rolle als Vermittler im Nahen Osten als Bedrohung ansehen, ist es in Wirklichkeit so, dass ein stabilerer Naher Osten, in dem sich die Iraner und die Saudis nicht gegenseitig an die Kehle gehen, auch den Vereinigten Staaten zugutekommt.
Zugleich beklagt Parsi die US-Rolle im Nahen Osten:
Leider haben die USA einen Ansatz in der Region gewählt, der sie daran hindert, ein glaubwürdiger Vermittler zu werden. Zu oft ergreift Washington in Konflikten Partei und wird zum Mitkriegsgegner – wie im Jemen –, was seine Fähigkeit, die Rolle des Friedensstifters zu spielen, einschränkt.
Das Washington-Establishment ist durch den chinesischen Diplomatie-Erfolg in Aufregung versetzt worden. Eine Außenpolitik-Analystin spricht sogar von "imperialen Ängsten", die angesichts des chinesischen Vermittlungserfolgs in den Vereinigten Staaten nun zirkulierten.
So heißt es aus der Denkfabrik Atlantic Council in Washington: China habe die USA am Golf mit einer "blutigen Nase" zurückgelassen, während der Biden-Administration von Beijing der "Mittelfinger" gezeigt werde und man eine "neue Ära starte", in der China "im Zentrum stehe".
Die US-Regierung, während sie das Abkommen vorsichtig begrüßte, äußert sich skeptisch zum Abkommen. Der strategische Koordinator des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby, sagte in Hinsicht auf den Iran:
Dies ist kein Regime, das normalerweise sein Wort hält.
Jonathan Panikoff, Direktor der Scowcroft Middle East Security Initiative des Atlantic Council, fordert die USA in Reaktion auf den chinesischen Vorstoß auf, weiter enge freundschaftliche Beziehungen zu brutalen Diktaturen in der Region zu unterhalten, um eine chinesische Hegemonie dort zu verhindern. Und er fügt hinzu:
Wir sehen jetzt vielleicht die Entstehung der politischen Rolle Chinas in der Region, und das sollte eine Warnung für die US-Politiker sein. Wenn man den Nahen Osten verlässt und die Beziehungen zu den manchmal frustrierenden, sogar barbarischen, aber langjährigen Verbündeten aufgibt, hinterlässt man lediglich ein Vakuum, das China ausfüllen kann. Lassen Sie sich nicht täuschen: Ein von China dominierter Naher Osten würde die Handels-, Energie- und nationale Sicherheit der USA grundlegend untergraben.
Auch andere Analysten in den USA zeigen sich besorgt über Chinas wachsende Macht im Nahen Osten und darüber hinaus.
Der China-Korrespondent der New York Times, David Pierson, stellt fest, dass Chinas Rolle bei der Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien den "Ehrgeiz des chinesischen Präsidenten Xi Jinping belege, eine Alternative zu einer von den USA geführten Weltordnung anzubieten".
Einige Beobachter sagen, die Initiative sei im Wesentlichen ein Versuch, chinesische Interessen zu fördern, indem Washington als Weltpolizist abgelöst wird …
... so Pierson weiter.
Der Plan fordert, die "nicht teilbare Sicherheit" der Länder zu respektieren, ein sowjetischer Begriff, der verwendet wird, um gegen die von den USA geführten Bündnisse an Chinas Peripherie zu argumentieren.
Der Chefkorrespondent der New York Times für das Weiße Haus, Peter Baker, verweist darauf, wie das von China vermittelte Abkommen die Diplomatie im Nahen Osten umkrempeln und die USA herausfordern werde. Verärgert konstatiert er:
Die USA, die in den letzten 75 Jahren die zentralen Akteure im Nahen Osten gewesen sind, waren fast immer im Raum, wenn etwas passierte. Sie finden sich jetzt in einem Moment bedeutender Veränderungen an den Rand gedrängt. Die Chinesen, die jahrelang nur eine untergeordnete Rolle in der Region spielten, haben sich plötzlich zum neuen Machtfaktor entwickelt.
China prangert offen US-Hegemonie an
Das Verhältnis der USA zu Saudi-Arabien ist seit dem Amtsantritt Joe Bidens angespannt. Während die US-Regierung die Menschenrechtsverletzung und Kriegsverbrechen Riads zwar tolerieren, zeigt man sich in Washington erzürnt über die Entscheidung der Monarchie, die Ölproduktion im Zuge des Ukraine-Kriegs und steigender Benzinpreise zu drosseln.
Zugleich versuchen die USA, Iran weiter zu isolieren und die diplomatischen Beziehungen zwischen Golfstaaten und Israel zu stärken. Der chinesische Deal durchkreuzt in gewisser Weise diese US-Pläne.
Aber es geht bei dem Abkommen nicht nur um Einflussnahme in einer ressourcenreichen und strategisch wichtigen Region, dem Nahen und Mittleren Osten. Zugleich findet der diplomatische Erfolg Beijings vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen den USA und China statt. Manche halten sogar eine militärische Konfrontation der beiden Staaten im Streit um die Inselrepublik Taiwan für möglich, die zugleich Zentrum der Mikrochip-Industrie ist.
China zeigt sich immer weniger bereit, sich dem Druck der Vereinigten Staaten auf der geopolitischen Bühne zu beugen. Das ist nicht nur aktuell im Verhältnis zu Russland beim Ukraine-Krieg zu beobachten, sondern auch im selbstbewussteren Auftreten Beijings insgesamt.
So hat das chinesische Außenministerium vor Kurzem einen langen Bericht veröffentlicht, der die "US-Hegemonie" und seine zerstörerischen Effekte verurteilt.
Das Dokument analysierte die Art und Weise, wie die Vereinigten Staaten ihre Hegemonie politisch, militärisch, wirtschaftlich, finanziell, technologisch und kulturell "missbraucht" hätten.
Das chinesische Außenministerium weist darauf hin, dass Washington rund 800 ausländische Militärstützpunkte in der ganzen Welt unterhält und 400 ausländische Militärinterventionen durchgeführt hat.
Die Vereinigten Staaten hätten Genozid an indigenen Völkern begangen, ihre kolonialistische "Monroe-Doktrin" in Lateinamerika durchgesetzt und unabhängige Territorien wie Hawaii annektiert, so Beijing.
China prangert außerdem an, dass die USA Staatscoups, Regimewechsel und "farbige Revolutionen" in Dutzenden von Ländern unterstützt hätten, während sie ständig "Fehlinformationen" und Propaganda verbreiteten, um ausländische Gegner zu destabilisieren.
Allein seit 2001 seien die US-Kriege verantwortlich für Hunderttausende von getötete Zivilisten, Millionen Verwundete und Dutzende Millionen von Flüchtlingen, heißt es im Bericht des Außenministeriums.
Tatsächlich ist es so: Die USA haben seit 1950 mehr als zwanzig Staaten angegriffen, überfallen oder besetzt. Im gleichen Zeitraum hat China zwei Länder überfallen – Indien und Vietnam.