Wie erneuerbare Energien systematisch ausgebremst werden

Windräder neben Braunkohlekraftwerken. Bild: jplenio / Pixabay

Deutschland könnte bis 2030 auf Sonne und Wind umsteigen. Doch Bürokratie und fossile Energiekonzerne hemmen das Tempo. Was sich ändern muss.

Bis 2030 müssen erneuerbare Energien den gesamten Energiebedarf decken, um überhaupt eine Chance zu haben, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die verheerenden Hitzewellen, die sich heute bereits in Südeuropa und anderen Regionen ereignen, treten bei einer Erderwärmung von 1,2 Grad auf.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Man kann nur erahnen, wie die Situation bei einer Erderwärmung von zwei Grad aussehen wird. Eine Realisierung von 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 wäre durchaus möglich, wenn das Wachstumstempo ähnlich hoch wäre wie in anderen Technologiebereichen, insbesondere im Bereich der Digitalisierung, wo Technologien wie PCs, Mobilfunk und Smartphones die Weltmärkte in weniger als einem Jahrzehnt erobert haben.

Leider sind die aktuellen Wachstumsraten der erneuerbaren Energien sowohl weltweit als auch in Deutschland weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen. Einzig China kommt mit einer Verdopplung des Ausbaus der erneuerbaren Energien alle zwei Jahre der notwendigen Geschwindigkeit nahe.

Die Gründe für das nicht ausgeschöpfte Potenzial der erneuerbaren Energien sind vielfältig. Einer der Hauptfaktoren liegt im offenen und versteckten Widerstand der fossilen und atomaren Wirtschaft, die ihre eigenen Geschäftsinteressen schützen möchte.

Schon seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts verlangen sie, dass Klimaschutz "marktkonform" sein müsse. Dadurch haben sie politische Maßnahmen gefordert und schließlich auch durchgesetzt, die unter dem Diktat des "Marktes" effektiven Klimaschutz verhindern. Hierzu gehören der Emissionshandel und staatliche Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütungen.

In einer umfangreichen Untersuchung im Jahr 2020 hat die International Energy Transition (IET) im Auftrag der Energy Watch Group unter anderem die Auswirkungen staatlicher Ausschreibungen im Vergleich zu festen gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen in verschiedenen Ländern untersucht.

Die zentralen Ergebnisse zeigen, dass Ausschreibungen die erforderliche Dynamik des Ausbaus erneuerbarer Energien erheblich bremsen und große Finanzstrukturen bevorzugen, was zulasten der Bürgerenergie geht.

Wie überzeichnete und unterzeichnete Ausschreibungen bremsen

Genau das ist bis heute auch in Deutschland an den jüngsten Ergebnissen der Ausschreibungsrunden der Bundesnetzagentur zu sehen. Mit den gesetzlich ausgeschriebenen Ausschreibungsvolumina deckelt der Staat die Ausbaudynamik, indem er willkürlich vorgegebene Ausschreibungsvolumina festlegt, anstatt dem Ausbau freien Lauf zu lassen.

Bei der Überzeichnung von Ausschreibungsgeboten ist klar zu erkennen: Insbesondere bei Freiflächen-PV möchten viele Investoren bauen, aber die Ausschreibungsmengen sind begrenzt und viele kommen nicht zum Zug.

Bei den Unterzeichnungen der Ausschreibungsvolumina, insbesondere bei Windkraft, wirken die hemmenden Strukturen der Ausschreibungsmodalitäten: überdimensionierte Bürokratie und der weitgehende Ausschluss kleiner und mittlerer Akteure, insbesondere von Bürgerenergiegemeinschaften. Beides wirkt klar bremsend auf den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Windkraftausschreibungen weiter massiv unterzeichnet

Die Ergebnisse der Ausschreibungszuteilungen vom 1. Mai 2023 zeigen erneut, dass das Ausschreibungssystem den Ausbau von Windenergie an Land stark bremst. Obwohl eine Menge von 2.866 Megawatt (MW) Onshore-Windenergie ausgeschrieben wurde, wurden nur Gebote mit einer Gesamtmenge von 1.597 MW eingereicht.

Letztendlich erhielten nur 120 Gebote einen Zuschlag mit einer Gesamtmenge von 1.535 MW. Das Ausschreibungsvolumen wurde also nur zu etwa 54 Prozent ausgeschöpft. Vor der Einführung der Ausschreibungen im Jahr 2017 betrug der jährliche Zubau von Onshore-Windenergie an Land noch etwa 4.890 MW.

Es gibt verschiedene Gründe für die Unterzeichnung der Ausschreibungsvolumina. Dazu gehören nach wie vor zu lange Genehmigungsverfahren, fehlende ausgewiesene Flächen und Klagen von Naturschutzverbänden.

Der entscheidende Grund ist jedoch, dass die Umstellung auf Ausschreibungen hohe Hürden für viele Bürgerenergieprojekte geschaffen hat, die zuvor den größten Anteil an Investitionen hatten. Gerade diese Bürgerenergiegemeinschaften konnten als Einheimische in ihren Gemeinden leichter Flächen sichern und politisch für Akzeptanz kämpfen, was für externe Investoren schwieriger ist.

Die Befreiung von Bürgerenergieprojekten von der Ausschreibungspflicht scheint nicht viel zu helfen, da auch die Befreiungsmodalitäten mit hoher Bürokratie verbunden sind.

Innovationsausschreibungen sind vollkommen wirkungslos

Die vor Jahren eingesetzten Ausschreibungen für "Innovative Erneuerbare Energien Projekte" entfalten so gut wie keine Wirkung.

Bei der letzten Innovations-Ausschreibung wurden 400 MW ausgeschrieben. Mit lediglich drei Geboten mit einem Gebotsvolumen von 84 MW war die Resonanz in diesem Bereich extrem schwach.

Alle Gebote bezogen sich auf Anlagenkombinationen aus Solaranlagen mit Speichern. Das Ausschreibungssystem wurde eingeführt, um zu testen, ob man tatsächlich Innovationen schaffen kann. Statt nun ihre Unwirksamkeit festzustellen und wenigstens die Innovationsausschreibungen wieder zugunsten einer Kombikraftwerksvergütung abzuschaffen, wird weiter daran herumgedoktert.

Dabei benötigt das Stromsystem dringend innovative Investitionen, um die Schwankungen von Solar- und Windenergie durch Kombination mit anderen erneuerbaren Energien, Speichern und Sektorenkopplung auszugleichen.