Wie faschistisch sind die deutschen Autobahnen?

Freie Fahrt für freie Faschisten? Bild: Bundesarchiv, Bild 183-H04560 / CC-BY-SA 3.0

Warum Rechte schon immer Autofans waren. Und weshalb Eva Herman zu Unrecht aus einer "Kerner"-Sendung im ZDF flog. Antworten liefert Kulturwissenschaftler Conrad Kunze.

"Aber Hitler hat die Autobahn gebaut" – solche und ähnliche Sätze, die darauf angelegt waren, das verbrecherische NS-Regime zu relativieren, waren in der Bundesrepublik bis weit in die 1980er-Jahre zu hören.

Als die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman 2007 in der ZDF Talkshow von Johannes B. Kerner unter anderem die provokante Behauptung aufstellte, dass wir heute alle auf Autobahnen fahren, die von den Nazis gebaut wurden, wurde sie aus der Sendung geworfen.

Dabei habe Herman in der Sache Recht, erklärte der Kulturwissenschaftler Conrad Kunze. Er hat die Geschichte der Autobahnen in Deutschland erforscht und seine Ergebnisse in dem Buch "Deutschland als Autobahn" veröffentlicht, das im Transcript-Verlag erschienen ist und kostenlos heruntergeladen werden kann.

Die Lektüre lohnt sich, weil Kunze wichtige Aspekte anspricht, die in der aktuellen Diskussion oft zu kurz kommen. So betont er zu Recht den Umweltaspekt des Autobahnausbaus und weist darauf hin, dass mit dem weiteren Autobahnausbau, wie ihn der Autolobbyist im Verkehrsministerium Volker Wissing vorantreibt, der Verkehrskollaps droht.

Wie die Nazis die Autobahn populär machten

Kunze betont die wichtige Rolle der Nationalsozialisten bei der Popularisierung der Autobahnen in Deutschland. Denn noch in den 1930er-Jahren galten Autobahnen in weiten Teilen der Bevölkerung als unpopuläres Eliteprojekt. Nur wenige konnten sich Autos leisten.

Dass die NSDAP 1933 die in den Schubladen der großen Konzerne liegenden Autobahnpläne aufgriff, sei auch ein Signal der NS-Führung an die Kapitalfraktionen gewesen, dass sie unter ihrer Regierung gut bedient würden, so Kunze.

Schon früh habe es aber auch Spenden aus der fossilen Industrie an die NSDAP gegeben. Kunze verwies auf Fritz Thyssen, der bereits in den 1940er-Jahren mit dem Bekenntnis "Ich habe Hitler bezahlt bekannt wurde.

Weniger bekannt sei, dass mit Ford und Shell auch führende Konzerne des nichtdeutschen fossilen Kapitals aktive Förderer der Nazis gewesen seien. Sie investierten damit in die aus ihrer Sicht richtige Partei.

Schließlich habe die NSDAP das Lob des technischen Fortschritts und der Geschwindigkeit in ihr Programm aufgenommen. Kunze verweist auf die theoretischen Bezüge zum Futurismus, einer Kunstrichtung, die Nationalismus und Antifeminismus mit einem Bekenntnis zu schnellen Autos und Geschwindigkeitsrausch verband. Einige Vertreter des Futurismus wurden zu frühen Anhängern Adolf Hitlers und Benito Mussolinis.

Kunze betont nun, dass man sich auch aus antifaschistischen Gründen kritisch mit den deutschen Autobahnen auseinandersetzen sollte. Er weist darauf hin, dass ein Großteil der Autobahnen während des Nationalsozialismus durch Zwangsarbeit gebaut wurde. Viele Arbeiter seien dabei ums Leben gekommen.

Bis heute gibt es weder eine Gedenkstätte für sie, noch wurde über Entschädigungszahlungen diskutiert: "Die meisten Überlebenden oder ihre Angehörigen haben nie den ihnen zustehenden Stundenlohn erhalten, geschweige denn eine Entschädigung. Dafür ist es höchste Zeit."

Wenig erforscht sind auch die Streiks der Arbeiter beim Autobahnbau in den 1930er-Jahren. Für die Nazis waren sie ehemalige Kommunisten. Viele von ihnen wurden verhaftet und in Konzentrationslager gesteckt. Kunze liefert hier Grundlagen für weitere Forschungen.