Wie kommt Nigers Erdöl an die Küste?
Das deutsche Militär zieht ab und ein neues Verteidigungsbündnis ist geschlossen. Es läuft scheinbar gut für den Niger. Doch Niamey muss wichtige Hürden nehmen, bevor sicheres Fahrwasser erreicht ist.
Die Bundeswehr räumt bis zum 31. August ihren Luftwaffenstützpunkt im Niger, weil Niamey nicht bereit ist, den deutschen Soldaten Immunität für ihr Verhalten in dem westafrikanischen Sahelland zu gewähren.
Zudem ist letztes Wochenende offiziell ein Militärbündnis zwischen Burkina Faso, Mali und Niger geschlossen worden, die Allianz der Sahelstaaten (AES). Die Militärmachthaber der drei Länder haben sich extra in Niamey getroffen, um dieser Absage an die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Ecowas) diplomatisch Nachdruck zu verleihen.
Erstes Treffen der drei widerständigen Sahel-Staatschefs
Es war das erste Treffen der drei Staatsoberhäupter Abdourahmane Tchiani aus Niger, Ibrahim Traore aus Burkina Faso und Assimi Goita aus Mali.
Die Westener gehen davon aus, dass wir ihnen gehören und auch unser Reichtum ihnen gehört. Sie denken, dass sie diejenigen sind, die uns auch in Zukunft sagen müssen, was gut für unsere Staaten ist.
Ibrahim Traore bei seinem jüngsten Staatsbesuch im Niger
Solche Nachrichten wirken, als liefe alles nach Plan der Militärs. Doch die Regierung in Niamey plagen derzeit gravierende Sorgen:
Eine von China gebaute Pipeline, die Niger zu einem Erdöl exportierenden Land machen würde, ist durch einen Streit mit dem Nachbarland Benin bedroht. Die 1.930 Kilometer lange Pipeline verläuft von Nigers Ölfeld Agadem zum Hafen von Sémè in Benin.
Doch nun gerät das Projekt ins Stocken. Schuld daran sind wirtschaftliche und politische Differenzen mit Benin, die sogar zur vollständigen Schließung der Pipeline geführt haben.
Benin bemängelt Nachteile im bilateralen Handel mit Niger
Patrice Talon, der beninische Präsident, verkündete persönlich, dass Niger Cotonou nicht für den Export des Öls nutzen darf. Talon argumentiert, dass Benin große Mengen an Grundnahrungsmitteln nach Niger exportiert. Doch, weil Niamey die Grenzen geschlossen habe, seien die offiziellen Exporte zum Erliegen gekommen und die Einnahmen der Händler aus Benin eingebrochen.
Benin ist Mitglied der Ecowas. Nach einem Putsch hatte die Wirtschaftsgemeinschaft der nigrischen Junta sogar mit einer Militäroperation gedroht. Zu der Operation kam es zwar nicht, aber aufgrund der von der Ecowas verhängten Wirtschaftssanktionen schloss Niger seine Grenze zu Benin.
Trotz des Austritts Nigers aus der Ecowas öffnete Porto-Novo nach dem Ende der Ecowas-Sanktionen im Februar seine Grenze zum nördlichen Nachbarn wieder. Nun aber beschuldigt Talon die nigrischen Behörden, eine formelle Zusammenarbeit abzulehnen. Er hat die Wiedereröffnung des Hafens von Sémè an die Normalisierung der Handelsbeziehungen geknüpft.
Grenzen nach Putsch geschlossen
Derzeit pumpt Niger rund 20.000 Barrel pro Tag, das meiste davon aus Projekten der China National Petroleum Corporation (CNPC) aus dem Agadem-Grabenbecken im Südosten des Landes. Die Pipeline durch Benin kann rund 90.000 Barrel pro Tag befördern, was Niger zu einem bedeutenden regionalen Ölproduzenten machen würde.
Die große Sorge ist jetzt, wie sich der ins Stocken geratene Pipelinebetrieb auf das Wirtschaftswachstum in Niger insgesamt auswirken wird. Immerhin hatte die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft des westafrikanischen Landes aufgrund der Ölexporte erholen und in diesem Jahr mit einer Rate von 6,9 Prozent das höchste Wachstum in Afrika verzeichnen würde, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
2023 hatte das Wirtschaftswachstum nur bei äußerst mageren 1,2 Prozent gelegen.
Alternative über Tschad und Kamerun?
Um eine Lösung zu finden, erwägt die Junta in Niger nun, das Öl durch die Nachbarländer Tschad und Kamerun zum Atlantik zu leiten.
Diese Option war bereits zu Beginn des Projekts in Betracht gezogen worden, ‒ noch bevor sich die nigrischen Behörden für die Pipeline nach Benin entschieden.
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Nach Ansicht von Seidik Abba, Forscher und Präsident des Internationalen Zentrums für Studien und Überlegungen zur Sahelzone (CIRES), ist die Option Tschad nicht ohne weitere zu verwirklichen. Vor allem ist nicht sicher, dass die Chinesen wieder investieren werden, nachdem sie schon 4,6 Milliarden US-Dollar in das Niger-Benin-Projekt gesteckt haben.
"Die Option Tschad ist keine einfache Lösung, da sie den Bau einer neuen Ölpipeline beinhaltet. Wir müssen einen Investor finden. (…) Die Tschad-Pipeline ist eine mögliche Option, die jedoch viele Herausforderungen mit sich bringt. Sie ist nicht einfach zu realisieren", zitiert Africa News Abba.
Einigung wahrscheinlicher als neue Investitionen
Zusätzlich erschwert wird diese Alternative dadurch, dass die britische Savannah Energy PLC zu 40 Prozent an der Pipeline zwischen Tschad und Kamerun beteiligt ist. Damit würde die chinesische Ölförderung im Niger in gewissem Maße von britischem Wohlwollen abhängig. Die Zustimmung der malaysischen Petronas (35 Prozent Anteil an der Pipeline) und der tschadischen Regierung (25 Prozent) könne dagegen als sicher gelten.
Deshalb ist es wahrscheinlicher, dass Benin und Niger sich wieder aufeinander zubewegen werden. Beide Länder erleiden schließlich erhebliche wirtschaftliche Einbußen. Ihr Handel untereinander belief sich 2022 immerhin auf umgerechnet 85 Millionen US-Dollar.
Benin, das ‒ wie Niger ‒ ebenfalls über gute Beziehungen zu China verfügt, verliert zudem Millionen Dollar an Transitgebühren, wenn die Pipeline weiter geschlossen bleibt.
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