Wie sicher sind die vier in der EU zugelassenen genetischen Covid-19-Impfstoffe?
Seite 2: Myokarditis und Perikarditis nach mRNA-Impfstoffen
- Wie sicher sind die vier in der EU zugelassenen genetischen Covid-19-Impfstoffe?
- Myokarditis und Perikarditis nach mRNA-Impfstoffen
- Thrombosen nach mRNA- und Vektorimpfstoffen
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Auch im 15. Sicherheitsbericht heißt es, dass sehr selten Fälle einer Myokarditis und/oder Perikarditis nach Impfung mit Comirnaty bzw. Spikevax beobachtet wurden, wobei insbesondere junge Männer sowie männliche Kinder und Jugendliche betroffen sind. Typischerweise treten erste Beschwerden innerhalb von weniger als 14 Tagen nach der Impfung auf.
Der europäische Ausschuss für Risikobewertung (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) hat inzwischen beschlossen, Myokarditis und Perikarditis in die Fach- und Gebrauchsinformationen beider mRNA-Impfstoffe als mögliche Nebenwirkung aufzunehmen.
Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels und Perikarditis ist eine Entzündung des Herzbeutels, der äußeren Umhüllung des Herzens. In beiden Fällen verursacht das körpereigene Immunsystem die Entzündung als Reaktion auf eine Infektion oder einen anderen Auslöser.
Die publizierten Daten zeigen, dass die meisten Patienten mit einer Myo-/Perikarditis nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen gut auf Behandlung und Ruhe ansprechen und sich schnell besser fühlen, wenngleich im Einzelfall schwerwiegendere Verläufe bis hin zu einem Todesfall nicht ausgeschlossen werden können.
Mehr als 92 Millionen Impfdosen Comirnaty und Spikevax sind bis einschließlich 30.09.2021 in Deutschland verimpft worden. Im Rahmen der Spontanberichterfassung sind bis zum 30.09.2021 insgesamt 1.243 Verdachtsmeldungen einer Myo-/Perikarditis unabhängig vom Kausalzusammenhang mit der jeweiligen Impfung berichtet worden, wobei die Melderate bei Jungen und männlichen Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren sowie jungen Männern unter 30 Jahren am höchsten war (siehe Tab. 3 bis 5, S. 23 bis 25 im Sicherheitsbericht).
Die oben erwähnte O/E-Analyse (S. 26 ff.) ergab, dass in der Altersgruppe zwölf bis 17 Jahre bei Jungen und männlichen Jugendlichen 74 Fälle einer Myokarditis innerhalb von 21 Tagen nach Comirnaty berichtet wurden, während im gleichen Zeitintervall in der exponierten Gruppe elf Fälle statistisch zufällig (ohne vorausgegangene Impfung) erwartet worden wären. Für die 18 bis 29 Jahre alten Männer wurden 191 Fälle berichtet, während lediglich 112 Fälle einer Myokarditis erwartet worden wären.
Für Mädchen, weibliche Jugendliche und Frauen sowie Männer in den Altersgruppen 30 bis 59 Jahre und 60 plus war die Anzahl der Meldungen im Bereich des Erwartungswertes bzw. darunter. Auf der Basis dieser Daten ergab sich kein Risikosignal für diese letztgenannten Gruppen.
Der aktuelle Sicherheitsbericht führt weiter an, dass Spontandaten aus Deutschland darauf hinweisen, dass das Risiko nach Spikevax bei jungen Männern und Frauen höher als nach Comirnaty sein könnte (siehe Tabelle 5, S. 25).
Ein höheres Risiko der Myokarditis bei jungen Männern (unter 30 Jahre) wurde offenbar auch in Kanada und in einer Metaanalyse von vier Registerstudien in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden gefunden, wobei die Auswertungen derzeit noch nicht abgeschlossen und auch noch nicht publiziert sind.
Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat demgegenüber in vier Versichertendatenbanken keinen signifikanten Unterschied der Myokarditisrate zwischen beiden mRNA-Impfstoffen festgestellt, wobei die Schätzungen aufgrund der weiten Konfidenzintervalle und der Heterogenität der Studienergebnisse mit Unsicherheiten verbunden sind.
Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) nach Vektorimpfstoffen
Als schwerwiegende, in einigen wenigen Fällen auch tödliche Nebenwirkung der Vektorimpfstoffe Vaxzevria und Covid-19 Vaccine Janssen wurde sehr selten ein neues Syndrom berichtet, das durch venöse und/oder arterielle Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Thrombose-mit-Thrombozytopenie- Syndrom, TTS) charakterisiert ist. Thrombozytopenie bedeutet Mangel an Thrombozyten.
Die Thrombosen treten hierbei oftmals an ungewöhnlichen Lokalisationen auf, wie beispielsweise in zerebralen Hirnvenen, Milz-, Leber- oder Mesenterialvenen. Bei mehreren der betroffenen Patienten wurden hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 (Anti-PF4-Antikörper) sowie eine starke Aktivierung von Thrombozyten in entsprechenden Gerinnungstests nachgewiesen.
Dieses Muster ähnelt der "atypischen" oder "autoimmunen" Heparin-induzierten Thrombozytopenie (aHIT). Dabei scheint es sich ersten Ergebnissen zufolge um ein Krankheitsbild zu handeln, das durch transiente (flüchtige) Antikörper ausgelöst wird. Diese waren bei den untersuchten Personen, die zuvor ein TTS entwickelt hatten, zumeist innerhalb von zwölf Wochen nicht mehr nachweisbar. Das ist möglicherweise auch der Grund, warum sehr viel seltener nach der zweiten als nach der ersten Impfung mit Vaxzevria ein TTS in Deutschland berichtet wurde.
Für Vaxzevria wurden insgesamt 189 Fälle einer Thrombose mit gleichzeitiger Thrombozytopenie berichtet (Tabelle 9, S. 32). Betroffen waren 109 Frauen und 79 Männer. In einem Fall wurde das Geschlecht nicht berichtet.
Bei fünf der Patienten trat eine Thrombose mit Thrombozytopenie nach der zweiten Impfung auf. Das Zeitintervall zwischen zweiter Impfung mit Vaxzevria und dem Reaktionsbeginn lag in diesen Fällen zwischen einem und fünf Tagen.
Die Gesamtmelderate bei Männern und Frauen in allen Altersgruppen beträgt 1,49 Verdachtsfälle pro 100.000 Impfdosen. Bezogen auf die zweite Impfung war die Melderate mit 0,14 pro 100.000 Impfdosen deutlich geringer. Die höchsten Melderaten mit 3,87 pro 100.000 Impfdosen betraf Frauen im Alter von 40 bis 49 Jahren und mit 3,86 pro 100.000 Dosen Männer im Alter von 30 bis 39 Jahren.
Nach Impfung mit Covid-19 Vaccine Janssen wurden insgesamt 20 Fälle gemeldet. Betroffen waren fünf Frauen (eine mögliche Doppelmeldung) und 14 Männer. In einem Fall wurde das Geschlecht nicht angegeben. In einem Fall erhielt die Person vorher eine Impfung mit Vaxzevria.
Ganz besonders wichtig ist die frühzeitige Diagnose und Behandlung des TTS. Verschiedenste Fachgesellschaften haben Empfehlungen zur Behandlung und Therapie des neuen Syndroms publiziert, darunter die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung.
Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung mit Vaxzevria oder Covid-19 Vaccine Janssen eine Thrombozytopenie diagnostiziert wird, sollten aktiv auf Anzeichen einer Thrombose untersucht werden. Ebenso sollten Personen, bei denen nach der Impfung eine Thrombose auftritt, unverzüglich auf eine Thrombozytopenie untersucht werden.
Wichtig ist, dass bei Patienten mit Thrombose und normalen Thrombozytenzahlen oder Patienten mit Thrombozytopenie ohne nachweisbare Thrombose nach Impfung ein frühes Stadium des TTS vorliegen kann. Daher sind in diesen Fällen unter Umständen wiederholte Untersuchungen auf TTS erforderlich.
Dem PEI wurden kumulativ 33 Fälle einer Thrombose mit Thrombozytopenie nach Comirnaty bei 17 Frauen und 16 Männern im Alter zwischen 27 und 99 Jahren mitgeteilt. Zumeist fehlen Angaben zur Thrombozytenzahl. Fünf Meldungen nach Spikevax beschreiben eine Thrombose und eine Thrombozytopenie (Tabelle 10, S. 33). In keinem der Meldungen ist ein Anti-PF4-Antikörpernachweis mitgeteilt worden. Die dem PEI vorliegenden Daten weisen bei beiden Impfstoffen nicht auf ein TTS-Syndrom hin.