Wind- und Solarenergie drücken den Strompreis
Energie und Klima – kompakt: Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger nimmt langsam wieder an Fahrt auf. Nur auf See wird es noch ein wenig dauern. Warum das eine gute Nachricht auch für die Verbraucher ist.
Diese Woche gibt es mal wieder allerlei schlechte Nachrichten, wie etwa die Räumung im rheinländischen Lützerath, über die wir gestern schrieben. Oder jene energiepolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg, Saskia Ludwig, die Hans Joachim Schellnhuber am Montag auf Twitter einen Ökofaschisten nannte.
Schellnhuber – hier sein Lebenslauf – war seinerzeit der Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, außerdem Berater der Bundeskanzlerin in Klimafragen sowie unter anderem Direktor des Tyndall Centre for Climate Change Research in Großbritannien und ist einer der international profiliertesten Klimawissenschaftler. (Ludwig hat den dem Autor als Screenshot vorliegenden Tweet zwischenzeitlich gelöscht, "weil die Wortwahl missinterpretiert werden konnte", wie sie meint.)
Doch heute soll von etwas Erfreulicherem berichtet werden. Mit den erneuerbaren Energieträgern geht es wieder stärker voran. Der deutschlandweite Zubau von Solar- und Windkraftanlagen ist 2022 deutlich besser als gedacht verlaufen. Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme hatte zum Jahresende die Leistung der Windenergieanlagen an Land um 2,1 Gigawatt (GW) zugelegt. Die installierte Leistung der Solaranlagen nahm gar um rund sechs GW zu.
Damit ist der Ausbau der Solarenergie endlich wieder auf dem Niveau angekommen, das Ende des letzten Jahrzehnts erreicht war. 2010, 2011 und 2012 kamen jeweils über sieben GW Solarleistung hinzu. Allerdings war das seinerzeit besonders der FDP ein Dorn im Auge, nach dem die von der Metall- und Elektroindustrie finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine massive Kampagne gegen den Ausbau der Solarenergie gefahren hatte.
Die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit unter Angela Merkel änderte daher das Erneuerbare-Energien-Gesetz derart, dass die Einspeisevergütung für Neuanlagen viel zu schnell abgesenkt wurde. Das Ergebnis: Der Ausbau kam fast zum Stillstand und etliche Zehntausend Arbeitsplätze im installierenden Handwerk wie auch in der Industrie gingen verloren. Wesentlich mehr als jene rund 20.000, die heute noch in der Braunkohle tätig sind.
Der Windkraftausbau ist ebenfalls wieder aus dem Tal, aber noch nicht bei seinem Höchststand, der 2017 erreicht wurde, als in einem Jahr knapp fünf GW hinzukamen. Mit den bisher installierten Wind-, Solar-, Wasserkraft- und Biomassekapazitäten konnte in den vergangenen beiden Jahren jeweils rund die Hälfte des im Inland benötigten Stroms produziert werden und zeitweise auch deutlich mehr. Im Januar ist bisher so viel Windstrom produziert worden, dass die Braunkohle- und Atomkraftwerke oft allein für den Export arbeiteten.
Der Solarausbau brummt also wieder, und die Windkraft kommt an Land langsam wieder in Fahrt. Auf See sieht es allerdings noch etwas anders aus. Nach einer Auswertung der Deutschen Windgard, einem Privatinstitut, das sich auf Analysen rund um die Windenergie spezialisiert hat, sind 2022 offshore lediglich 38 Anlagen ans Netz angeschlossen worden.
Viel Personal ist abgewandert
Zwar gibt es inzwischen wieder sehr ehrgeizige Ausbauziele für Nord- und Ostsee, allerdings wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die Industrie wieder in Gang kommt. Da in den vergangenen Jahren nur sehr geringe Erzeugungskapazitäten auf See ausgeschrieben wurden, ist inzwischen viel Personal abgewandert, das problemlos auch anderswo Arbeit findet, nicht zuletzt in den Nachbarländern, wo in der Vergangenheit deutlich mehr neue Windkraftanlagen auf See errichtet wurden.
In Europa geschieht das bisher meist in relativ flachem Wasser. Die Anlagen werden auf Fundamente gestellt, die entweder in den Boden eingerammt oder auf diesen gestellt werden. Bau und Wartung sind auf See aufwendiger, doch die besseren Windverhältnisse belohnen die Mühe. 2022 war die Auslastung der Windkraftanlagen um 76 Prozent besser als an Land.
Auch der Preis für Offshore-Strom ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Nach Angaben des Analyse-Zweigs der Nachrichtenagentur Bloomberg sind seine Gestehungskosten inzwischen niedriger als die für Strom aus Kohle- oder Gaskraftwerken. Für Solarstrom gilt das schon länger, ebenso für den Strom aus an Land stehenden Windkraftanlagen.
Entsprechend hat der in den letzten Wochen reichlich erzeugte Windstrom an der Leipziger Strombörse dafür gesorgt, dass der Preis für eine Kilowattstunde nur in seltenen Fällen bis auf 20 Cent hochschnellte, aber meistens deutlich darunter blieb. 2022 lag er überwiegend deutlich höher, insbesondere im August.
Oder mit anderen Worten: Wäre der Ausbau der Solar- und Windenergie nicht behindert worden und mit mehr Kontinuität erfolgt, wäre zudem mehr in Speichertechnologie investiert worden und würden die Biogasanlagen mehr am schwankenden Bedarf orientiert genutzt, dann wäre es im vergangenen Jahr vermutlich nicht zu den extremen Preisausschlägen an der Börse gekommen.
Aber natürlich liegt das Problem auch im Merit-Order-Prinzip, nach dem der jeweils teuerste Anbieter – zuletzt waren dies meist die Gaskraftwerke – den Strompreis an der Börse bestimmt.
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