"Wir sind Entertainment-Junkies"

Interview mit dem Satiriker Andy Borowitz über den amerikanischen Wahlkampf

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Mit seinen zwei Metern Größe, einer spindeldürren Figur und seinem großen Bekanntheitsgrad ist Andy Borowitz so etwas wie der Karl Valentin Amerikas - wenn da nicht seine jungenhafte Ponyfrisur und sein schnieker schwarzer Anzug wären. Er hat sich mit seinen satirischen Bemerkungen über das Tagesgeschäft in Politik und Unterhaltungsindustrie einen Namen gemacht.

Borowitzreport.com heißt seine millionenfach angeklickte Webseite. Zuletzt gab es dort seine Bemerkungen zu "ASHCROFT DETAINS JANET JACKSON'S RIGHT BOOB" oder "BUSH ACCUSES SADDAM OF TELLING TRUTH".

Auch der amerikanische Mainstream hat inzwischen Gefallen an ihm gefunden - zum Beispiel CNN, der ihn regelmäßig zu Wort kommen lässt, oder der öffentlich-rechtliche Radiosender "National Public Radio". Das jüngste Werk ist ein Fotobildband im Postkartenformat über "Governor Arnold", den zum Staatsmann mutierten österreichischen Bodybuilder. Eins will Borowitz für seine Fans in Europa nicht sein, ein "Michael Moore, der Amerikahasser mit Klischees bedient".

Bei den Parteiversammlungen und Vorwahlen der Demokraten hat am Dienstag erneut der Senator aus Massachusetts John Kerry abgeräumt. Was gibt es aus der Sicht des Satirikers dazu zu sagen?

Andy Borowitz: Ihm ist zugute zu halten, dass er endlich versucht, nicht mehr so langweilig zu wirken. Aber es ist halt mühsam. Nach wie vor klingt er wie New-Age-Musik, wie dieses Hintergrundgedudel, mit dem man in Aufzügen terrorisiert wird. Kerry hat diesen Einlulleffekt, einfach einschläfernd. Aber vielleicht ist das ja genau das, was die Wähler wollen. Den Demokraten ist momentan nichts wichtiger, als Präsident Bush zu besiegen. Und sie suchen nach dem wählbarsten Kandidaten. John Kerry, hoffen sie, "is the guy". Eins muss man Kerry auf jeden Fall lassen: Er hat die beste Haartracht. Falls bei diesen Wahlen nach Haaren entschieden wird - und das würde ich nicht gänzlich ausschließen, dann wird Kerry ganz vorn liegen.

Auf dieser Basis hätte der jungenhafte Staranwalt Senator John Edwards, der South Carolina gewonnen hat, gute Chancen, Kerrys "running mate" und vielleicht sogar Vizepräsident zu werden...

John Kerry

Andy Borowitz: Wenn wir uns bei den Demokraten auf die Suche nach den besten Haarschnitten machen, dann heißt das Nominierungsduo eindeutig Kerry-Edwards. Wenn Kerry wegen zerzauster Haare amtsunfähig werden sollte, dann könnte Edwards locker für ihn einspringen.

Und Howard Dean, der Ex-Gouverneur aus dem kalten Vermont, der sein Pulver anscheinend verschossen hat?

Andy Borowitz: Er macht jetzt auf den Coolen und Unerschütterlichen, aber zu spät. Howard Dean ist bekannt für seine Wutausbrüche. Er ist nach wie vor eher der Bösewicht in einem Film als der Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Im Film würde er natürlich gegen Arnold Schwarzenegger antreten. Dean wäre dann derjenige, der sagt: Dieses Gebäude fliegt in fünf Sekunden in die Luft, fünf, vier, drei, zwei, eins. So einer ist Dean. Man hat Angst vor ihm. Vielleicht wäre er aber doch ein guter Präsident, weil der nordkoreanische Führer Kim Jong-Il sich vor ihm in die Hosen machen würde. Ich weiß nicht, ob das genau die Rolle ist, die Dean anstrebt, aber manchmal weiß man eben selbst nicht, was für eine Rolle man spielt.

Können Sie sich vorstellen: Kerry als erster und Howard Dean als zweiter, um Bush aus dem Weißen Haus zu drängen?

Andy Borowitz: Nein, das ist nicht vorstellbar. Die beiden würden nicht gut miteinander auskommen. Denn wenn Kerry nicht aufpasst, weil er gerade mit seinen Haaren beschäftigt ist, dann wird ihm Dean eins vors Schienbein geben - und Kerry wird ohnmächtig werden. Dean ist einfach zu unberechenbar. Er hat zuviel Ego. Ich denke dagegen, dass Dean und Al Sharpton ein interessantes Paar wären. Denn die beiden Burschen können richtig gut schreien. James Brown wäre ihr Wahlkampfmanager. Es wäre das "all anger management ticket", und "Ärger-Ärger-Ärger" könnte ihr Wahlkampfslogan lauten.

Unterhaltung und Politik scheinen in den USA voneinander kaum mehr trennbar zu sein. Sehen Sie das auch so?

Andy Borowitz: Entertainment und Politik waren nie verflochtener als heutzutage. In den 80er Jahren schon haben wir mit Ronald Reagan einen Schauspieler gewählt. Aber es gibt einen interessanten Unterschied zu heute. Reagan machte, als er Präsident war, hier und dort Anspielungen auf seine Schauspielerkarriere und versuchte, hauptsächlich mit Politik und politischen Aussagen zu einem Staatsmann zu werden. Heute ist das anders. Schauen wir uns einen anderen demokratischen Kandidaten an, Wesley Clark, dessen größtes Verdienst die Unterstützung durch die Sängerin Madonna ist. Dadurch ist er den Amerikanern auch bekannt geworden. Oder schauen wir Beispiel nach Kalifornien. Arnold Schwarzenegger, der neue Gouverneur, erinnert uns dauernd daran, dass er ein Filmstar ist. Seine Sätze sind gepfeffert mit Ausdrücken wie: terminating this, blowing up that. Ich glaube, dass Arnold den Zeitgeist erfasst hat. Er weiß, dass wir Entertainment lieben, ja, dass wir Entertainment-Junkies sind.