Wir stehen vor einem Klimaabgrund, aber es gibt Funken der Hoffnung

C.J. Polychroniou, Robert Pollin

Klimaproteste in Melbourne, Australien, Mai 2021. Bild: John Englart / CC BY-SA 2.0

Klimaökonom Robert Pollin sagt: Die Lage ist schlimm, aber es gibt auch positive Entwicklungen. So beginnen die Menschen zu erkennen, dass die Energiewende ein Jobmotor ist. Warum es keinen Grund gibt, den Kopf in den Sand zu stecken.

Die Energiewende von fossilen Energieerzeugungs- und -verbrauchssystemen hin zu erneuerbaren Energiequellen vollzieht sich nur langsam, und zahlreiche globale Konferenzen zum Klimawandel in den letzten Jahrzehnten haben nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht.

Es scheint, als wird es noch lange Zeit fossile Brennstoffe geben, auch wenn es unbestreitbare Beweise dafür gibt, dass sich die Menschheit, wie der Wirtschaftswissenschaftler Robert Pollin es ausdrückt, "unaufhaltsam auf einen Klimaabgrund zubewegt".

Robert Pollin, renommierter Klimaökonom, ist Co-Direktor des Political Economy Research Institute an der University in Amherst, USA.

Dennoch sind der Green New Deal und der Kampf für eine nachhaltigere Zukunft alles andere als tot, argumentiert Pollin, einer der weltweit führenden progressiven Wirtschaftswissenschaftler.

Im folgenden Interview argumentiert Pollin, dass es viele positive Entwicklungen in den USA, aber auch in Europa und anderen Teilen der Welt gibt, die darauf hindeuten, dass der Kampf gegen den Klimawandel noch nicht verloren ist.

Pollin ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Co-Direktor des Political Economy Research Institute (PERI) an der University of Massachusetts, Amherst. Er ist Autor bzw. Mitautor zahlreicher Bücher und akademischer Artikel, darunter "Climate Crisis and the Global Green New Deal", und hat zahlreiche Transformationspläne zu einer grünen Wirtschaft entworfen, u.a. für Länder wie die USA, Indien, Südkorea, Spanien, Brasilien, Südafrika und Indonesien.

Das Interview führt der Wirtschaftswissenschaftler, Journalist und Publizist C.J. Polychroniou. Es erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Truthout. Übersetzung: David Goeßmann.

Wir scheinen den Kampf gegen die globale Erwärmung zu verlieren. Das Jahr 2022 wurde als "das Jahr, in dem die Energiewende entgleiste" bezeichnet, da die Kohlenstoffemissionen aus fossilen Brennstoffen im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreicht haben sollen. Der Copernicus Climate Change Service stellt fest, dass der letzte Sommer der wärmste in Europa war, der jemals aufgezeichnet wurde, was zu über 20.000 zusätzlichen Todesfällen führte. In der Zwischenzeit endete eine weitere globale Klimakonferenz (COP27) ohne Fortschritte in Bezug auf fossile Brennstoffe zu erzielen. Warum sind Kohle, Gas und Öl nach wie vor so essenziell für die Weltwirtschaft, und warum scheint die Energiewende nur im Schneckentempo voranzukommen?

Robert Pollin: Zunächst einmal glaube ich nicht, dass der aktuelle Stand des Kampfes gegen die globale Erwärmung ganz so düster ist, wie die von Ihnen zitierte Schlagzeile des Forbes Magazine es vermittelt. Natürlich gibt es eine Menge Beweise dafür, dass wir uns unaufhaltsam auf einen klimatischen Abgrund zubewegen. Und doch haben sich im vergangenen Jahr auch einige bedeutende positive Gegentendenzen abgezeichnet.

Diese Gegentendenzen reichen noch nicht annähernd aus, um uns auf einen tragfähigen Pfad der Klimastabilisierung zu bringen. Aber wir müssen uns diese Entwicklungen zu eigen machen, damit wir effektiv auf ihnen aufbauen können.

Aber lassen Sie uns damit beginnen, einige düstere Realitäten anzuerkennen. Hier sind eine Reihe von Indikatoren aus dem Bericht "Provisional State of the Global Climate" der Weltorganisation für Meteorologie für das Jahr 2022:

  • Die Konzentrationen der drei wichtigsten Treibhausgase – Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid – erreichten im Jahr 2021 Rekordwerte, und vorläufigen Erkenntnissen zufolge setzte sich dieser Aufwärtstrend 2022 fort.
  • Die globalen Durchschnittstemperaturen zwischen 2015 und 2022 werden wahrscheinlich die acht wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen sein.
  • Die Temperatur in Großbritannien erreichte zum ersten Mal in den Aufzeichnungen über 40 Grad Celsius, während drei Bundesländer in Deutschland ihren trockensten Sommer seit Aufzeichnung erlebten.
  • Während der Hitzewelle in Indien im vergangenen Mai lagen die durchschnittlichen Tagestemperaturen dauerhaft bei über 43 Grad Celsius, während die Monsunüberschwemmungen in Pakistan im Juli und August etwa neun Prozent der gesamten Landfläche dort überfluteten.
  • In einem Artikel der Washington Post vom letzten Juli mit dem Titel "Indiens tödliche Hitzewelle wird bald eine globale Realität sein" wurde berichtet:

Mit der Erwärmung des Klimas werden die Bedingungen, die früher nur in Saunen und tiefen Minenschächten herrschten, schnell zur Freiluft-Realität für Hunderte von Millionen Menschen, die nicht in klimatisierte Räume oder kühlere Zonen flüchten können. Nach einigen Stunden mit feuchter Hitze über 35 Grad Celsius – ein Maß, das als Kühlgrenztemperatur bekannt ist – sterben selbst gesunde Menschen, die unbegrenzt Schatten und Wasser haben, an einem Hitzeschlag. Für Menschen, die körperliche Arbeit verrichten, liegt die Schwelle eher bei 31 Grad oder noch niedriger.

Die Verbrennung fossiler Brennstoffe – Erdöl, Kohle und Erdgas – zur Energieerzeugung ist bei Weitem die Hauptursache für den globalen Temperaturanstieg. Daher muss die erste und wichtigste Aufgabe im Kampf gegen die globale Erwärmung ganz einfach darin bestehen, die Verbrennung von Öl, Kohle und Erdgas zur Energieerzeugung einzustellen.

Forbes hat recht, dass das Jahr 2022 in dieser Hinsicht eine Reihe von verheerenden Rückschlägen brachte. Zunächst führte der Einmarsch Russlands in die Ukraine zu Engpässen bei der Öl- und Gasversorgung, insbesondere in Europa, das stark von russischen Lieferungen abhängig ist.

Diese Versorgungsengpässe ermöglichten es den Ölgiganten, die Preise in die Höhe zu treiben und noch nie dagewesene Gewinne zu erzielen. Wie bereits vielfach berichtet, haben die sechs größten westlichen Ölkonzerne – ExxonMobil, Chevron, Shell, BP, Equinor und Total – im Jahr 2022 Gewinne in Höhe von 200 Milliarden Dollar erzielt, mehr als in jedem anderen Jahr für die Branche.

Mit anderen Worten: Die Ölkonzerne feiern, während die Welt verbrennt. Sollte es uns überraschen, dass die Wall Street diese Entwicklung ausdrücklich begrüßt hat? So berichtete die Financial Times, dass der US-Gigant ExxonMobil, der sich dem Druck zur Dekarbonisierung mehr als jeder andere Energiekonzern widersetzt hat, seine Produktion im Jahr 2022 steigerte und seine Aktien im Laufe des Jahres um mehr als 50 Prozent stiegen, während er einen Rekordgewinn von 55,7 Milliarden Dollar einfuhr.

Und dann ist da noch der Fall von BP, dem Ölkonzern, der bei seinen Verpflichtungen hinsichtlich Dekarbonisierung bisher am meisten zugestanden hat. Doch diese Verpflichtungen wurden angesichts der explodierenden Gewinnchancen über Bord geworfen.

Die Financial Times stellte fest, dass diese Entscheidung "den Zorn von Umweltschützern erregte ..., doch die Märkte empfanden es als gut. Die Aktien von BP stiegen in den folgenden 48 Stunden um mehr als zehn Prozent und erreichten den höchsten Stand seit 3,5 Jahren."

Auch die Kohle wurde im Jahr 2022 wiederbelebt. Das war zum Teil auf die durch den Ukraine-Krieg verursachte Erdgasknappheit in Europa zurückzuführen. Die größten Zuwächse beim Kohleverbrauch waren jedoch nicht auf den Krieg zurückzuführen, sondern auf den anhaltenden Anstieg des Verbrauchs in Indien und vor allem in China. Auf China entfallen inzwischen etwa 50 Prozent des gesamten weltweiten Kohleverbrauchs.

Diese Entwicklungen veranlassten Mike Wirth, den Vorstandsvorsitzenden von Chevron, zu der triumphalen Aussage: "Die Realität ist, dass [fossile Brennstoffe] heute die Welt beherrschen. Sie werden die Welt auch morgen, in fünf Jahren, in zehn Jahren und in zwanzig Jahren beherrschen".

Und was passiert, wenn Wirth recht haben sollte? Dann bewegen wir uns mit Sicherheit auf den Klimaabgrund zu, genau im Gleichschritt mit den Wirths dieser Welt, die sich an den Gewinnen der fossilen Brennstoffe laben.

Wo kann man vor diesem Hintergrund dann aber überhaupt positive Entwicklungen erkennen? Beginnen wir mit den USA und der Verabschiedung des sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) im vergangenen August. Das Gesetz ist absichtlich inkorrekt benannt worden. Es ist vor allem eine Maßnahme, um Finanzmittel großen Umfangs in Investitionen für saubere Energien zu lenken.

Aber die Regierung Biden konnte diese Tatsache nicht offen aussprechen, ohne die Unterstützung des Senators von West Virginia, Joe Manchin, zu verlieren. Auf jeden Fall stiegen die Investitionen in saubere Energien nach der Verabschiedung des IRA in den letzten drei Monaten des Jahres 2022 sofort auf 40 Milliarden Dollar an, was dem Gesamtvolumen dieser Investitionen für das gesamte Jahr 2021 entspricht.

Außerdem flossen die meisten dieser neuen Investitionsgelder in republikanisch dominierte Bundesstaaten, in denen, wie das Wall Street Journal feststellte, kein einziger republikanischer Kongressabgeordneter für das Gesetz gestimmt hat. Mehr noch, ein großer Prozentsatz der neuen Arbeitsplätze, die durch diese Investitionen geschaffen werden, auch in den von den Republikanern dominierten Staaten, ist Gewerkschaftsmitgliedern vorbehalten.

Kurzum, aus dem IRA könnte sich eine grundlegende neue Realität ergeben: dass die arbeitende Bevölkerung zu erkennen beginnt, wie die grüne Energiewende ein wichtiger Motor für die Schaffung guter, gewerkschaftlich abgesicherter Arbeitsplätze sein kann, und zwar sowohl in den roten, also republikanisch dominierten, als auch in den blauen, den von Demokraten gehaltenen Bundesstaaten.

Das ist ein zentraler Gedanke hinter dem Green New Deal, der in den USA seit über einem Jahrzehnt von tatkräftigen Gruppen wie Labor Network for Sustainability, BlueGreen Alliance und Reimagine Appalachia vorangetrieben wird. Wenn sich diese Einsicht auf breiter Ebene durchsetzt, könnte es zu einer noch nie dagewesenen Unterstützung für einen globalen Green New Deal führen.

Verdopplung fossiler Subventionen letztes Jahr: Geld ist genug da

Im Gegensatz zur Gelbwesten-Bewegung, die 2018 in Frankreich aufkam und darauf bestand, dass wirtschaftliche Gerechtigkeit Vorrang vor Klimagerechtigkeit hat, würde es beispielsweise bedeuten, dass der globale Green New Deal als das Mittel verstanden wird, womit Bewegungen für soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit zusammengeführt werden können.

Auch in Europa gab es im vergangenen Jahr wichtige positive Entwicklungen: Auf den Zusammenbruch der russischen Öl- und Gaslieferungen wurde mit einer drastischen Verschärfung der Energiesparmaßnahmen und einem beschleunigten Ausbau von Solar-, Wind- und anderen erneuerbaren Energien reagiert.

So wurde im Jahr 2022 zum ersten Mal mehr Strom aus Sonnen- und Windenergie in Europa erzeugt als aus Kohle oder Gas. Ferner hat die Europäische Kommission nach dem Einmarsch Russlands ihr REPowerEU-Programm aufgelegt. Das Ziel ist "ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien sowie eine schnellere Elektrifizierung und der Ersatz fossiler Wärme und Kraftstoffe in der Industrie, in Gebäuden und im Verkehrssektor".

Bis 2030 sollen erneuerbare Energien 45 Prozent der gesamten Energie in Europa liefern. Das würde bedeuten, dass sich der derzeitige Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtenergieversorgung von 22 Prozent in nur 6,5 Jahren mehr als verdoppeln würde.

Es ist nicht klar, ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden können. Bislang entspricht die Höhe der EU-Finanzierung für REPowerEU nicht den Ankündigungen, denn bis 2027 werden jährlich nur etwa 0,2 Prozent des BIP der EU bereitgestellt. Aber auch hier sollte in ganz Europa betont werden, dass die grüne Energiewende ein Motor für die Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten und die Anhebung des Lebensstandards der Arbeiterklasse sein wird – mit anderen Worten, eine klare Alternative zur Sparpolitik, die heute in Europa vorherrscht.

In dem Maß, in dem sich diese Erkenntnis durchsetzt, könnte auch die politische Unterstützung für die Finanzierung von REPowerEU auf einem viel höheren Niveau entsprechend wachsen.

Die Wahl von Luiz Inácio Lula da Silva im Oktober, mit der er erneut zum Präsidenten Brasiliens gewählt wurde, war zweifelsohne eine dritte wichtige positive Entwicklung im vergangenen Jahr. Lulas Vorgänger, Jair Bolsonaro, war wild entschlossen, den Amazonas-Regenwald abzuholzen, um Platz für die Landwirtschaft und den Bergbau von Unternehmen zu schaffen.

Abgesehen von der Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung ist die Abholzung der Wälder die wichtigste Ursache für den Klimawandel. Lula setzt sich dafür ein, die Abholzung zu stoppen und das Amazonasgebiet zu schützen. Aber es stimmt auch, dass Lulas Engagement in dieser Frage auf die Probe gestellt werden wird, und zwar aus dem einfachen Grund, dass mit der Zerstörung des Regenwaldes große Gewinne erzielt werden können.

Lulas Wahlsieg muss nun durch eine deutliche Aufstockung der finanziellen Unterstützung für den Schutz der Wälder in Brasilien und anderswo sowie generell für Projekte des Green New Deal im globalen Süden untermauert werden. Das ist bisher nicht geschehen, obwohl die reichen Länder auf dem jüngsten Klimagipfel in Ägypten im November entsprechende Zusagen gemacht haben.

Kurz gesagt: Lulas Sieg sowie die rasche Zunahme von Investitionen in saubere Energien und von Arbeitsplätzen in den USA und Europa müssen als wichtige positive Entwicklungen begrüßt werden. Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, um das unternehmerische Projekt von Konzernen, den Planeten im Namen des Profits zu zerstören, zu stoppen.

Zunehmend wird die Notwendigkeit von Anpassungsstrategien betont, um die negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung zu verringern. Ist es nicht Grund zur Besorgnis, dass der Schwerpunkt der Klimapolitik von der Emissionsminderung auf Anpassungsmaßnahmen verlagert wird?

Robert Pollin: Groß angelegte Investitionen zur Anpassung an den Klimawandel sind ein absolutes Erfordernis. Erinnern wir uns an die brutale Hitzewelle im letzten Frühjahr in Indien. Eine offensichtliche Möglichkeit, die Menschen bei Hitzewellen zu schützen, sind Klimaanlagen.

Doch nur acht Prozent der indischen Haushalte besitzen heute eine Klimaanlage. In den meisten anderen Ländern der Welt ist die Situation nicht viel anders als in Indien. Die Klimakrise hat den Zugang zu Klimaanlagen – zusammen mit billigem Strom aus erneuerbaren Energiequellen für den Betrieb der Geräte – zu einer Notwendigkeit gemacht.

Ganz allgemein muss der globale Green New Deal eine Reihe von robusten Schutzmaßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels umfassen. Dazu gehört, dass die verfügbaren Lagermöglichkeiten für Lebensmittel, Saatgut und Frischwasser stark erweitert werden und dass diese Strukturen gegen Klimaereignisse geschützt sind.

Dazu zählen auch Infrastrukturen zum Management der Wassernachfrage, wie zum Beispiel Küstenmauern, Dämme, Pumpvorrichtungen, durchlässige Bürgersteige und eine reiche wasserpuffernde Vegetation – sofern das ohne Beeinträchtigung der lokalen Ökologie eingeführt werden kann. Bestehende Gebäude in gefährdeten Gebieten sollten mit Schutzwänden und begrünten Dächern nachgerüstet werden, um sowohl Regenwasser als auch Hitze abzufangen.

Neue Gebäude in gefährdeten Gebieten sollten mit höheren Fundamenten oder auf Stelzen gebaut werden. Auch der ökologische Landbau bietet wichtige Vorteile für den Klimaschutz. Denn der ökologische Landbau ist effektiver als die industrielle Landwirtschaft, wenn es darum geht, das verfügbare Wasser zu bewahren, es effizienter zu nutzen und die Bodenerosion zu verringern. Auch bei Trockenheit und anderen Stresssituationen sind die Ernteerträge im ökologischen Landbau höher.

Zusätzlich zu all diesen und anderen Formen des physischen Schutzes müssen die Menschen und Kommunen Zugang zu einer wirksamen und erschwinglichen finanziellen Absicherung gegen Schäden durch den Klimawandel erhalten. Ganz allgemein wird der Schutz der Menschen vor den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels Geld kosten.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in Konkurrenz zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen stehen sollte. Beide sind absolut notwendig. Es ist auch nicht so, dass kein Geld vorhanden wäre. Zusätzlich zu den rekordverdächtigen Gewinnen von Big Oil im Jahr 2022 haben sich auch die weltweiten Subventionen für fossile Brennstoffe verdoppelt, und zwar von etwa 500 Milliarden Dollar auf eine Billion im Jahr 2022.

Dieser sprunghafte Anstieg der Subventionen für fossile Brennstoffe erfolgte, nachdem sich der Klimapakt von Glasgow 2021 verpflichtet hatte, diese Subventionen auslaufen zu lassen.

Sowohl die Investitionen in den Klimaschutz als auch in die Anpassung an den Klimawandel werden sich im Laufe der Zeit mehr als bezahlt machen, indem sie die Arbeitskräfte, die Infrastruktur und die Lebensmittel- und Wasserversorgung schützen, die Beschäftigungsmöglichkeiten erweitern und billigere und zuverlässigere Energie liefern. All diese positiven Effekte entstehen natürlich zusätzlich zu der Tatsache, dass Klimaschutz die einzige humane Vorgehensweise angesichts der Klimakrise ist.

Unter Naturschützern wächst die Besorgnis, dass der Kampf gegen die globale Erwärmung zur Rettung des Planeten den Klimawandel losgelöst von ökologischer Zerstörung im weiteren Sinne behandelt wird. So verweisen einige darauf, dass der Klimawandel nicht die Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt ist. Können globale Erwärmung und biologische Vielfalt gemeinsam angegangen werden?

Robert Pollin: Die globale Erwärmung und der Verlust der biologischen Vielfalt können sicherlich in erheblichem Maße gemeinsam angegangen werden, auch wenn es weder bei den Ursachen noch bei den Lösungen eine eindeutige Überschneidung gibt. Der größte Einzelgrund für den Verlust der biologischen Vielfalt ist die veränderte Landnutzung.

Dazu gehören die Zerstörung der Lebensräume von Tieren durch Abholzung und damit verbundene menschliche Eingriffe sowie die Störung der verbleibenden Lebensräume durch die zunehmende Häufigkeit und Schwere von Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen.

Eine Studie des Weltklimarats (IPCC) aus dem Jahr 2018 kommt zu dem Schluss, dass eine Erwärmung um zwei Grad Celsius die Gefahr birgt, dass "Arten in höhere Breitengrade abwandern, Ökosysteme (z. B. Korallenriffe, Mangroven, Seegras- und andere Feuchtgebiete) geschädigt werden, die Produktivität der Fischerei (in niedrigen Breitengraden) abnimmt und sich die Chemie der Ozeane verändert (z. B. Versauerung ... und tote Zonen)."

Die Ökologin Pamela McElwee stellt weiter fest: "Wenn wir die Zwei-Grad-Schwelle erreichen, werden voraussichtlich 18 Prozent der Insekten, 16 Prozent der Pflanzen und acht Prozent der Wirbeltierarten mehr als die Hälfte ihres geografischen Verbreitungsgebiets verlieren, und ein lokales Aussterben ist nahezu sicher." Die Lösung liegt auf der Hand: Die globale Erwärmung darf die Zwei-Grad-Grenze nicht überschreiten, und auch nicht die noch strengere 1,5-Grad-Grenze, die der IPCC jetzt für notwendig hält.

Aber es ist auch so, dass, wie eine IPCC-Studie aus dem Jahr 2021 betonte, "technologiebasierte Maßnahmen, die für die Abschwächung des Klimawandels wirksam sind, ernsthafte Bedrohungen für die biologische Vielfalt darstellen können". In dieser IPCC-Studie wird beispielsweise beschrieben, wie der erhöhte Bedarf an Mineralien, die für Windturbinen, Solarpaneele, Motoren für Elektroautos und Batterien benötigt werden, schwerwiegende negative Auswirkungen sowohl auf Landflächen als auch auf die Ozeane haben kann, und zwar in dem Maße, in dem der Abbau von Bodenschätzen auf dem Meeresgrund zu einer wichtigen neuen Quelle für Mineralienlieferungen wird.

Einige Lösungen liegen auf der Hand, sind aber schwer zu verwirklichen. Dazu gehören die starke Ausweitung des Recyclings von Mineralien in Gebieten mit wachsender Nachfrage, die Entwicklung von Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien, in denen der Bedarf an Mineralien weniger intensiv ist, sowie die Forderung nach strengen Anforderungen an die ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei Bergbauaktivitäten.

Mit anderen Worten: Die Herausforderungen bei der Entwicklung eines wirksamen einheitlichen Rahmens für die Bekämpfung des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt sind gewaltig. Aber wir haben einfach keine andere Wahl, als die Bewegung weiter aufzubauen, die in der Lage ist, diese Herausforderungen zu meistern.

Robert Pollin ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Co-Direktor des Political Economy Research Institute (PERI) an der University of Massachusetts-Amherst. Er ist einer der weltweit führenden progressiven Wirtschaftswissenschaftler, entwickelte eine Reihe von "Green Growth Programs" und hat zahlreiche Bücher und wissenschaftliche Artikel über Makroökonomie, Arbeitsmärkte, Löhne, Armut sowie Umwelt- und Energiewirtschaft veröffentlicht. Er wurde vom Foreign Policy Magazine zu einem der "100 Leading Global Thinkers for 2013" gewählt. Zusammen mit Noam Chomsky veröffentlichte er 2020 das Buch: "Climate Crisis and the Global Green New Deal: The Political Economy of Saving the Planet".