Wirbel um den Rundfunk in Griechenland

Akropolis. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Der Chef des Staatssenders ERT tritt verärgert zurück

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Dionysis Tsaknis, vor seiner Zeit als Intendant des unter der Syriza-Regierung wieder eröffneten Staatssenders ERT vor allem als Liedermacher und Vorstandsmitglied des umstrittenen privaten Unternehmens für Urheberrechtsabgaben AEPI bekannt, ist zurückgetreten.

Tsaknis reagierte damit auf die Berufung des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Panagiotis Kalfagiannis an die Spitze des Verwaltungsrats des Senders. Kalfagiannis war vom für die ERT zuständigen Minister Nikos Pappas berufen worden. Für Tsaknis ist dies "Kalfagiannismus", es sieht in der Person des Gewerkschaftlers ein Symbol füreinen Staatsrundfunk, der an alte Zeiten der engen Verquickung von Staat und Medien erinnert.

Der Minister reagierte ungewohnt milde auf den lauten Abgang Tsaknis': "Ich möchte Dionysis Tsaknis für seine Leistungen für die ERT danken, der er vom ersten Tag, an dem wir das 'Schwarze' [die vorherige Schließung durch die Vorgängerregierung} beendet hatten, diente. Differenzen über den Kurs des Öffentlichen Rundfunks sind normal. Die ERT wird ihren vom Gesetzgeber vorgesehenen Weg für die Neubesetzung des Postens des Intendanten gehen", sagte Pappas.

Tatsächlich hat er ernsthaftere Probleme als die Causa Tsaknis.

Fernsehlizenzen? Gezahlt wird nicht!

Die griechischen privaten Rundfunksender sind seit ihren ersten Ausstrahlungen Ende der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ohne konforme Lizenz im Betrieb. Zunächst wurden die seinerzeit zunächst als "Piratensender" betriebenen privaten Konkurrenten des damaligen staatlichen Monopols der ERT mit "provisorischen Experimentallizenzen" ausgestattet.

Schnell hatten die mit der Politik verquickten Oligarchen die Macht des Rundfunks erkannt und sich eigene Medien zugelegt. Auch heute gehören die meisten Medien Unternehmern, die auf die eine oder andere Weise mit dem Staat verbunden sind.

Der Sender SKAI gehört der Reederfamilie Alafouzos, ANT1 dem Multiunternehmerclan Kyriakou, ALPHA der Tochter des Unternehmers Dimitris Kontiminas, der russische Grieche Ivan Savvidis hat kürzlich Epsilon TV erworben, sein Konkurrenz Vangelis Marinakis kaufte Mega TV von einer Unternehmergruppe, die an Einfluss verloren hat. Star TV wird von der Reederfamilie Vardinogiannis kontrolliert. Der Reeder und Fußballboss Marinakis und der Tabakindustrielle, Fußballboss und Politiker Ivan Savvidis sind erst innerhalb des letzten Jahres ins Fernsehgeschäft eingestiegen.

Daneben existieren zahlreiche kleinere, meist regionale Fernsehsender. Keiner von ihnen verfügt über eine wirkliche Lizenz. Alexis Tsipras Freund, Berater und Minister für Digitale Politik, Nikos Pappas, möchte diesen Missstand seit der Amtsübernahme der "Syriza-Unabhängige Griechen"-Koalitionsregierung im Januar 2015 abstellen. Schließlich sind mit den erforderlichen Lizenzgebühren auch weitere Abgaben für den Staat verbunden.

Versuch der Marktregulierung

Im vergangenen Jahr hatte Pappas einen Versuch der Marktregulierung gestartet. Er legte die Gesamtzahl der landesweiten Lizenzen auf vier fest und ließ diese versteigern. Die Versteigerung leitete das Presseministerium, weil der per Gesetz eigentlich dafür zuständige Fernsehrat faktisch nicht existierte. Pappas hatte die früheren Mitglieder, deren Amtszeit von den Vorgängerregierungen immer wieder verlängert wurde, kurzerhand - per Eilgesetz - entlassen.

Eine Neubesetzung scheiterte zunächst am Widerstand der Opposition, deren Voten für die Berufung notwendig waren. Der Staatsrat, Griechenlands oberstes zuständiges Gericht beurteilte auch wegen des Fehlens eines handlungsfähigen Rundfunkrats das gesamte Procedere als verfassungsfeindlich. Pappas hatte zudem nach Meinung des Gerichts keinerlei Befugnis, die Gesamtzahl der Lizenzen zu bestimmen.

Millioneneinnahmen des Staates

Bei der umstrittenen Auktion hatte der Staat Millioneneinnahmen erzielt. Die erste Lizenz, der einzeln versteigerten Betriebsgenehmigungen ging für 43,6 Millionen Euro an den Sender Skai, die zweite gewann zunächst der Unternehmer Kalogritsas für 52,6 Millionen Euro, für die dritte war die Familie Kyriakou mit 75,9 Millionen für den Sender Ant1 erfolgreich und die vierte gewann damals Evangelos Marinakis für 73,9 Millionen.

Kalogritsas konnte das gebotene Geld nach der Auktion nicht vorweisen und seine Lizenz fiel an den nächst Höchstbietenden der gesamten Auktion, Ivan Savvidis. Für die Statistik sei verzeichnet, dass für den Sender ALPHA 61 Millionen Euro, für die zypriotische ITV 18 Millionen und für Star TV 13,5 Millionen geboten wurden. Der griechische Staat musste die bereits kassierten ersten Raten für die Sendelizenzen nach dem Gerichtsurteil zurückerstatten.

Heute, ein Jahr später, hat die Regierung mit im Parlament verabschiedeten Gesetzen den Vorgaben des Staatsrats Folge geleistet. Zudem wurde für die Besetzung der Posten im Rundfunkrat ein Kompromiss gefunden. Eigentlich hätte somit ein erneuter Versteigerungsversuch längst gestartet werden müssen.

Allerdings standen zunächst noch einige Entscheidungen aus. Auch der neue Rundfunkrat schloss sich dem Standpunkt von Pappas an, dass der Äther trotz Digitaltechnik keinen Platz für unzählige Sender habe. Der ESR, der Nationale Rat für Rundfunk, bestimmte die maximale Zahl der Lizenzen auf sieben landesweite Sender.

Daraus ergab sich, weil Pappas zumindest die im Herbst 2016 erreichten Einnahmen verbuchen möchte, ein Mindestgebotspreis von 35 Millionen Euro pro Lizenz. Die schlussendlich zu zahlenden Lizenzgebühren werden in gleichen Raten über die Zeitdauer der Lizenzierung, also über zehn Jahre verteilt fällig.

Zu viel, meinen die Senderbetreiber. Zum Vergleich der Zahlen: Der Sender Skai zahlt für Reality-Shows nach dem Muster "Deutschland sucht den Superstar" und "Dschungelcamp" pro Saison knapp 17 Millionen Euro, wie der aufgrund seiner politischen Positionen umstrittene, griechische Starregisseur Nikos Mastorakis ermittelte.

Sender klagen gegen die neue Auktion

Mastorakis, der in der Fernseh- und Filmbranche unabhängig von politischen Einschätzungen als Experte Anerkennung genießt, bezifferte den Etat, den Skai für das gesamte übrige Programm ausgibt auf ebenfalls 17 Millionen Euro. Eine Sekunde Werbung im griechischen Fernsehen kostet bei den großen, landesweiten Sendern zwischen 50 und 120 Euro.

Die Sender haben erneut den Staatsrat angerufen und klagen gegen die neue Auktion. Sie gehen dagegen als "Vereinigung der privaten Fernsehsender landesweiter Reichweite" vor. Der Klage schlossen sich auch als Einzelsender SKAI und Star an. Die Kläger argumentieren, dass die Auktion erneut verfassungswidrig sei und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen würde. Insbesondere monieren sie die im Gesetz 1830/7.7.2017 vorgesehene Begrenzung der maximal möglichen Lizenzen, sowie die in Gesetz 2178/28.7.2017 bestimmte Höhe des Mindestgebots.

Der Preis sei zu hoch und damit unangemessen, heißt es. Die Begrenzung der Senderzahl würde zudem gegen den freien Wettbewerb verstoßen. Bislang urteilte der Staatsrat meist im Interesse der Sender. Die Lizensierung des griechischen Privatfernsehens, und damit eine Bezahlung für die Sendefrequenzen, kann somit erneut wieder verschoben werden.