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Wird Deutschlands Sicherheit nun im Sahel verteidigt?

Der internationale Flughafen Niamey. Bild: Bundeswehr/Stephan Voges

Deutschland setzt militärisches Engagement im Sahel fort. Abzug aus Mali ändert nichts. Das ist kaum verständlich, wenn man nicht ein Interesse des Bundes beachtet.

Deutschland will seine Präsenz im Sahel aufrechterhalten und scheint auch unabhängig von Frankreich auf ein weiteres militärisches Engagement in der Region zu setzen. Den militärischen Lufttransportstützpunkt, den Deutschland gemeinsam mit Frankreich nahe der nigrischen Hauptstadt Niamey unterhält und der oft als Luftdrehkreuz bezeichnet wird, will die Bundesregierung auf jeden Fall auch weiterhin betreiben.

Deutschland im Sahel: Strategischer Ausbau oder Rückzug?

Das geht aus Äußerungen von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nach seinem Besuch bei seinem nigrischen Amtskollegen Salifou Modi hervor. Das Gespräch habe "Hoffnung auf eine Fortsetzung der guten Beziehungen (ge-)macht", sagte Pistorius und umschrieb den lange Zeit scharf verurteilten Putsch nur mit "den Umständen, mit denen wir es zu tun haben".

Diskussionen um Deutschlands militärische Präsenz in Niger

Als Gegenleistung für den Verbleib und die Weiterbeschäftigung der rund 120 auf dem Luftdrehkreuz stationierten deutschen Soldaten wurde der Ausbau eines neuen Militärkrankenhauses angeboten.

Die angestrebte Fortsetzung der militärischen Zusammenarbeit könnte nach dem Abzug der deutschen Soldaten im Rahmen des UN-Mandats aus Mali Mitte Dezember die Fortsetzung der Ausbildung nigrischer Spezialkräfte, der Aufklärung, der Führungsunterstützung und der logistischen Einsatzunterstützung auf bilateraler Basis bedeuten.

Migrationskontrolle: Deutschlands Interesse in der Sahel-Region

Deutschland hat ein starkes Eigeninteresse an der Migrationskontrolle in der Region. Mit dem Ende der "zivilen" EU-Ausbildungsmission "Eucap Sahel" sind diese Programme vorerst auf Eis gelegt. Die Zusammenarbeit bei der Ausbildung und Ausrüstung von Grenzschützern könnte jedoch auf bilateraler Ebene weiter diskutiert werden.

Neben der Migrationsabwehr bleibt die deutsche Motivation, "Russland nicht das Feld zu überlassen". Dies gilt umso mehr, als Niger, Mali und Burkina Faso eine vertiefte militärische Zusammenarbeit mit Russland beschlossen haben, die auch die Kooperation mit offensiv kämpfenden Söldnern der Wagner-Gruppe und mehr russische Rüstungsgüter einschließt.

Ungewisse Zukunft der deutsch-nigrischen Kooperation

Eine feste Zusage der nigrischen Regierung über die Fortsetzung der Kooperation mit Deutschland gibt es allerdings bis jetzt nicht, da die Regierung unverbindlich erklärt hat, dass alle ausländischen Truppenkontingente "auf neue formelle Beine gestellt und immer abhängig sein von der nigrischen Beurteilung der Lage".

Die USA, die in Niger die größte Drohnenbasis der Welt und ein großes Truppenkontingent unterhalten, haben ihre Kooperation mit dem Land nie ganz eingestellt. Bereits im September nahmen die US-Drohnen ihre Flüge wieder auf, was den Eindruck vieler bestätigt, dass die USA in Afrika nicht primär auf eine gemeinsame Bündnispolitik mit Frankreich setzen.

Niger im Fokus westlicher Regierungen

Obwohl die souveränistischen Militärregierungen in Mali, Burkina Faso und Niger ihren antifranzösischen Kurs fortsetzen, scheint zumindest Niger langsam wieder die Gunst anderer westlicher Regierungen zu gewinnen.

Wie die beiden Nachbarländer hatte Niger die militärische Zusammenarbeit zunächst mit Frankreich und zuletzt auch mit der EU aufgekündigt. Frankreich reagierte mit der Schließung seiner Botschaft in der Hauptstadt Niamey, was de facto das Ende der offiziellen diplomatischen Beziehungen bedeutet.

Regionalstabilität: Priorität der Militärregierungen

Am wichtigsten für die souveränistischen Militärmachthaber dürfte jedoch die Stabilisierung innerhalb der Region sein. Und damit ist nicht nur die Kooperation innerhalb der neuen AES gemeint, die über das Militärische hinaus vertieft werden soll, bis hin zu einer bisher nicht näher beschriebenen Föderation.

Die Normalisierung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten, die als Teil der Ecowas Sanktionen gegen die Militärregierungen verhängt haben, ist sicherlich eines der größten Interessen der Ecowas.

Denn die Sanktionen treiben die Preise im Land in die Höhe, was die Bevölkerung in den ohnehin bitterarmen Ländern natürlich gegen die Regierungen aufbringen kann. Da alle drei Länder Binnenländer sind, sind sie besonders auf die Nachbarländer mit Häfen angewiesen. Aber auch die Küstenländer brauchen die Sahelstaaten.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Ecowas-Sanktionen

Die Preise für Zwiebeln, Reis und Fleisch sind in Nigeria, Benin und Ghana um ein Vielfaches gestiegen, weil sie zu den regionalen Exportschlagern Nigers gehören und die offiziellen Grenzübergänge wegen der Sanktionen komplett geschlossen sind, wie Africanews berichtet.

Den ersten Schritt zur Überwindung der durch die Sanktionen verursachten wirtschaftlichen Trennung hat nun Benin getan. Dessen Präsident Patrice Talon kündigte am 21. Dezember 2023 die Öffnung der Grenzen zum Nachbarland an, zumindest für den Warenverkehr zwischen Niger und den beninischen Häfen.

Wie Melissa Chemam für Radio France Internacional berichtet, machen die für Niger bestimmten Waren 80 Prozent des gesamten Handelsvolumens des Hafens der beninischen Hauptstadt Cotounou aus. Die Sanktionen gegen Niger haben also auch Benin hart getroffen. Nun soll endlich eine Pipeline in Betrieb genommen werden, die von den Ölfeldern Nigers zum Hafen Sede in Benin führt und ab diesem Monat bis zu 90.000 Barrel Öl täglich transportieren soll.

Sahel-Pipeline: Ein Hoffnungsschimmer für Niger und Benin

Damit will Niger seine tägliche Ölproduktion auf 110.000 Barrel pro Tag steigern, was dem 5,5-fachen der bisherigen Fördermenge entspricht. Die bisher längste Pipeline Afrikas wurde vom chinesischen Staatskonzern CNPC gebaut. Niger und Benin betonten noch im August, dass die Sanktionen den Bau der Pipeline nicht beeinträchtigen würden.

Demokratische Übergänge und internationale Diplomatie

Dies bedeute jedoch nicht, dass die Sanktionen der Ecowas vollständig aufgehoben seien, zitiert Chemam den Handelsdirektor des Hafens. Aber auch hier gibt es Hoffnung. Mitte Dezember 2023 verkündete der togoische Außenminister, dass er mit dem nigrischen Premierminister eine Einigung über Inhalt und Zeitplan des Übergangs zur Demokratie erzielt habe, die nun der Ecowas vorgelegt werde.

Zwar war Faure Gnassingbé, der Präsident Togos, der Unterhändler, mit dem der nigrische Putschistenführer und Präsident, General Abdrouhamane Tchiani, verhandeln wollte. Aber auch er hatte mit Demokratie nicht viel am Hut.

Faure ist der Sohn des langjährigen Diktators von Togo, Gnassingbé Eyadema, der sich rühmte, den antikolonialen Führer und ersten gewählten Präsidenten Togos (und Afrikas), Sylvanus Olympio, selbst erschossen zu haben.

Als Eyadema damals starb, war er mit 38 Regierungsjahren das am längsten regierende Staatsoberhaupt Afrikas. Der damalige französische Staatspräsident Jacques Chirac erklärte anlässlich seines Todes: "Mit ihm stirbt ein Freund Frankreichs ...".

Historische Machtstrukturen in Westafrika und Frankreichs Rolle

Eine ähnliche Würdigung erfuhr der langjährige tschadische Machthaber Idriss Déby durch den amtierenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der gemeinsam mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zu dessen Beerdigung in den Tschad reiste.

Débys Sohn Mahamat Idriss Déby Itno hatte damals entgegen der Verfassung die Macht im Tschad übernommen und war dafür von den europäischen Verbündeten nicht kritisiert worden.

Die langjährige Unterstützung von Clans wie den Débys im Tschad, den Gnassingbés in Togo und vielen anderen Langzeitherrschern in Zentralafrika durch Frankreich und andere europäische Verbündete nährte ein Bild der Doppelmoral, wenn mit erhobenem Zeigefinger und Demokratie auf den Lippen Sanktionen gegen Putschisten und Länder verhängt wurden.

Die Zukunft des Tschad bleibt unsicher

Wenn sich der Wind im Sahel dreht, wird sich möglicherweise auch der Tschad ändern müssen. Ein erstes Anzeichen dafür könnte sein, dass Déby Itno kürzlich einen langjährigen Oppositionsführer zum Premierminister ernannt hat, der zu Neuwahlen führen soll.

Sollte Gnassingbé auf ähnliche Ideen kommen, könnte Frankreich Westafrika bald ganz verlieren. Mehr oder weniger fest im Sattel sitzt es eigentlich nur noch in der Elfenbeinküste und im Senegal - wobei erstere längst gespalten ist und der von Frankreich installierte Statthalter Alassane Ouattara sich nur im Amt halten kann, indem er den 2010 abgewählten antikolonialen Ex-Präsidenten Laurent Gbagbo weiter ausgrenzt.

Auch bei einer Wahl des aussichtsreichen Oppositionsführers Ousmane Sonko, der vor Kurzem endgültig von der Wahl ausgeschlossen wurde, hätte sich Senegal wohl weit von Frankreich entfernt.

Die Herausforderung der Demokratie in den Sahel-Putschregierungen

Aber auch die antikolonialen Offiziere und Generäle sind keine Garanten für Demokratie und eine inklusive Regierung, wie es zumindest einige von ihnen versprochen haben. Die malische Junta will nun die linke Partei "Solidarité Africaine pour la Démocratie et l'Indépendance" (Sadi) auflösen, deren Vorsitzender Oumar Mariko bereits 2022 Repressionen ausgesetzt war und ins Exil gehen musste.

Mariko war nicht nur einer der Anführer der Proteste von 2020 gegen den damaligen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta, die das Militär zum Vorwand nahm, ihn zu stürzen. Sondern er war bereits 1991 maßgeblich an den Protesten gegen die damalige Militärdiktatur in Mali beteiligt und gehörte danach dem Übergangsrat an.

Nun wird er nach eigenen Angaben wegen seiner Kritik an der kriegerischen Haltung der Junta mit Repressionen überzogen: "Wir sind die Einzigen, die sagen, dass die Militärjunta die volle Verantwortung für die Sabotage des Friedensabkommens zwischen Bamako und den bewaffneten Gruppen [der Tuareg] trägt".

Algeriens Rolle in den Konflikten der Sahel-Region

Auch Algerien, das den antifranzösischen und antikolonialen Kurs der jungen Putschisten unterstützt, war über die Abkehr Malis von dem mit seiner Hilfe ausgehandelten Friedensvertrag mit den Tuareg verärgert.

Mit dem Einmarsch der malischen Armee in die Tuareg-Hochburg Kidal könnte sie den Konflikt jedoch für sich entscheiden. Zuletzt lehnten die Tuareg Anfang Januar jedoch ein Verhandlungsangebot der malischen Regierung ab.


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