Wird Hisbollah in den Krieg von Israel gegen Gaza eingreifen?
Der Angriff auf Israel am 7. Oktober wird oft nur der Hamas zugeschrieben. Dabei gibt es im Libanon einen weiteren großen Player. Über die Gruppen und ihre Geschichte.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dem Libanon gedroht, sollte die Hisbollah in den Krieg Israels gegen den Gazastreifen eingreifen, werde er das Land dem Erdboden gleichmachen. Die gleiche Drohung stieß Netanjahu gegen Syrien aus.
Dabei liegen wohl bei keinem der potenziellen militärischen Gegner Israels die Karten so klar auf dem Tisch wie bei der Hisbollah. "Gleichgewicht des Schreckens" heißt die Strategie, die die libanesische Hisbollah gegenüber Israel ausgegeben hat. Ihr tötet einen von uns, wir töten einen von Euch, bedeutet das in der mittlerweile nahezu täglichen Konfrontation.
An dieser Gleichung waren die militärischen Schläge der Hisbollah gegen die israelische Armee in den letzten Tagen zu messen. Israel hat es mit einem berechenbaren Gegner zu tun, der sich an seine Ansagen hält.
Dazu gehört auch, sich mit militärischen und politischen Partnern im In- und Ausland zu beraten, was seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas geschehen ist. Wichtiger Partner ist der Iran. Dessen Außenminister Hossein Amir Abdollahian traf sich vor wenigen Tagen mit Tor Wennesland, dem UN-Beauftragten für den Mittleren Osten.
Das Internetportal Axios schrieb unter Berufung auf zwei diplomatische Quellen, Wennesland habe den iranischen Außenminister gedrängt, dabei zu helfen, eine Ausweitung des Krieges in Gaza und Israel zu verhindern.
Abdollahian habe gesagt, dass Iran einen regionalen Krieg nicht wolle und bei der Freilassung der Zivilisten zu helfen, die von der Hamas im Gazastreifen festgehalten werden. Allerdings gebe es rote Linien für den Iran. Wenn die israelische Armee ihre militärischen Angriffe auf Gaza fortsetze und eine Bodeninvasion starte, werde der Iran antworten müssen.
Im katarischen Nachrichtensender Al Jazeera sagte Abdollahian, es könnte zu einem "Präventivschlag" kommen, sollte die Vernichtung der Palästinenser im Gazastreifen anhalten. Der oberste religiöse Führer des Irans, Ajatollah Ali Khamenei sagte in Teheran im Gespräch mit Studierenden, Israel müsse sich "für seine Verbrechen in Gaza vor einem Gericht verantworten."
Die Bombardierung von Gaza müsse sofort eingestellt werden, andernfalls könne "niemand Muslime und die Kräfte des Widerstandes stoppen."
Diese "Kräfte des Widerstandes" in der Region wurden vom Iran und insbesondere von General Qassem Soleimani aufgebaut und gefördert, der am 3. Januar 2020 mit einer Delegation durch einen gezielten US-Drohnenangriff getötet wurde. Den Startschuss für sein regionales Engagement zur Aufstellung von bewaffneten Einheiten gab die US-Invasion in den benachbarten Irak 2003.
Soleimani sah es als Zeichen, dass die gesamte Region durch US-Invasionen und Kriege zerstört werden sollte, um letztlich den Iran zu treffen. Vom östlichen Mittelmeer bis zum Persischen Golf entstanden mit Unterstützung des Iran neue Widerstandsbewegungen. Solche, die es schon gab – wie die libanesische Hisbollah oder die Hamas und der Palästinensische Islamische Dschihad – wurden Multiplikatoren.
Alle in der Region sind vorbereitet, in den Konflikt einzugreifen. Hisbollah (Libanon), Ansarallah (Jemen), Hasht as-Shaabi und Kataib Hisbollah (Irak), die Hamas oder der Palästinensische Islamische Dschihad werden ihren militärischen Widerstand koordinieren. Ihr Gegner ist Israel, das Ziel ist, die Vernichtung Palästinas zu stoppen. Das sagten Gesprächspartner der Autorin im Libanon.
Die Hisbollah – Partei Gottes – ist militärisch die Stärkste dieser Kräfte, die in der Vergangenheit militärische Erfolge gegen Israel erzielt hat. Mit Guerillataktik wurde die israelische Armee, die den Libanon von 1982 bis zum Jahr 2000 besetzt gehalten hatte, aus dem südlichen Libanon vertrieben.
Im Krieg mit Israel 2006 konnte sich die Hisbollah erneut behaupten und einen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon erzwingen. Im Krieg in Syrien gegen den "Islamischen Staat" und andere bewaffnete Gruppen hat die Hisbollah im Bündnis mit der syrischen Armee, Russland, Iran sowie mit iranischen und irakischen Milizen ihre Kampffähigkeiten ausgeweitet.
Nach eigenen Angaben verfügt die Hisbollah über ein sehr großes und modernes Raketen- und Waffenarsenal, das sie zu erheblichen Teilen selber herstellt. Regional hat die Hisbollah bewaffnete Gruppen im Irak, im Jemen und palästinensische Fraktionen wie die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad militärisch ausgebildet. Alle Organisationen zeichnen sich durch enorme Disziplin aus.
Die Hisbollah wurde 1982 gegründet. Neben dem militärischen Flügel, der nur wenig in der Öffentlichkeit im Libanon auftritt, ist Hisbollah eine politische Partei mit Unterstützung über alle religiösen Grenzen hinweg. Die Partei verfügt mit ihren Bündnispartnern über 62 Sitze im libanesischen Parlament.
Die USA und andere Staaten haben die Hisbollah als Terrororganisation gelistet und nahezu 300 verschiedene Sanktionen gegen Organisationen und Einzelpersonen im Libanon verhängt, denen Zusammenarbeit mit der Hisbollah vorgeworfen wird.
Die palästinensische Hamas – Islamische Widerstandsbewegung – entstand 1987 als Teil der ägyptischen Muslim-Bruderschaft. In der Anfangszeit ließ Israel die Hamas gewähren, während sie Fatah und andere säkulare Gruppen verfolgte und inhaftierte. Ziel war, die innerpalästinensische Spaltung der verschiedenen Fraktionen zu vertiefen.
Viele Jahre gab es einen Machtkampf zwischen der Hamas und Fatah, dessen Hintergrund auch Korruption und Kooperation mit Israel seitens Fatah-Politiker war. Hamas ist eine politische Partei, die 2006 die palästinensischen Parlamentswahlen deutlich für sich entschied. Ihre Mitgliedszahl wird von westlichen Geheimdienstkreisen mit bis zu 25.000 angegeben.
2007 wurde Hamas von den USA als Terrororganisation gelistet, Israel verhängte eine komplette Blockade gegen den Küstenstreifen. Die Folge war Armut und Konflikte. Versuche, eine Einheitsregierung mit der Fatah zu bilden, scheiterten 2011 und 2014. Ursprüngliches politisches Ziel der Hamas war die Wiederherstellung Palästinas in den Grenzen von 1948. Verhandlungen lehnte sie ab und rief zum bewaffneten Kampf für die Errichtung eines Islamischen Staates in Palästina auf.
Die Hamas-Charta wurde 2017 dahingehend geändert, dass ein Waffenstillstand angestrebt und anerkannt wurde, dass Israel existiert, wie es 1948 war. Die Abkommen der PLO seit 1993, einschließlich des Oslo-Abkommens wurden anerkannt. Die USA lehnten das ab.
Der militärische Flügel der Hamas sind die Izzal-Din-al-Qassam Brigaden. Der Name verweist auf einen syrischen Militärführer, der 1935 im Kampf gegen die britische Mandatsarmee und zionistische Milizen getötet wurde.
Bis auf Katar lehnen die arabische Golfstaaten die Organisation ab, wegen der Nähe zur Muslim-Bruderschaft. Dabei handelt es sich um einen alten Konflikt zwischen Säkularismus und Islamismus in der Regierungsführung arabischer Staaten. Iran und Katar unterstützen die Hamas.
Während Katar die Führung der Hamas beherbergt und im Gazastreifen finanziell und sozial hilft – beispielsweise mit Stipendien für Studierende aus dem Gazastreifen – unterstützt der Iran die militärische Ausbildung.
Der Palästinensische Islamische Dschihad – Palästinensischer Islamischer Krieg – besteht in verschiedenen Formen seit 1967, dem Jahr, in dem Israel die syrischen Golanhöhen, das palästinensische Westjordanland mit Ost-Jerusalem und die ägyptische Sinai-Halbinsel besetzte.
In der heutigen Form gibt es den Islamischen Dschihad seit 1981. Er besteht aus einer politischen Partei, die aus der Muslim Bruderschaft hervorgegangen ist. PIJ lehnt mit anderen Palästinensischen Kräften das Oslo Abkommen und die darin formulierte Zwei-Staaten-Lösung ab.
Der bewaffnete Flügel der Organisation sind die Al-Quds-Brigaden, die Jerusalem Brigaden. Ziel ist der bewaffnete Kampf zur Befreiung Palästinas. Der Palästinensische Islamische Dschihad ist im Westjordanland und im Gazastreifen aktiv, er ist in Syrien und im Libanon vertreten.
Es gibt enge Beziehungen zur libanesischen Hisbollah und zum Iran. Die Zahl der Mitglieder wurde 2011 mit 8.000 angegeben. Die Organisation ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Die USA, EU und Partner haben PIJ als Terrororganisation gelistet.
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