Wirtschaftsboom in Polen: Wird die deutsche Volkswirtschaft bis 2040 überholt?
Der Krieg in der Ukraine sorgt für Aufschwung. Warum das Land für Kapital aus West und Ost interessant wird und was Ökonomen zu den propagierten Wachstumszielen sagen.
Deutschland ist die größte Volkswirtschaft Europas. Und wir Deutschen haben uns so sehr an diese wirtschaftliche Führungsrolle gewöhnt, dass uns die Vorstellung, wir könnten eines Tages nicht mehr die Nummer eins sein, wie eine schreckliche Dystopie vorkommt.
Zugegeben: Es dürfte auf absehbare Zeit keinem anderen europäischen Land gelingen, die Bundesrepublik vom Sockel zu stoßen. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von knapp 3,9 Billionen Euro steht Deutschland unangefochten an der Spitze. An zweiter Stelle liegt Frankreich mit rund 2,6 Billionen Euro, gefolgt von Italien mit einem BIP von 1,9 Billionen Euro.
Anders sieht es aus, wenn man das BIP auf die Bevölkerung bezieht. Dann liegt Deutschland mit knapp 41.200 Euro pro Kopf nur noch im oberen Drittel der EU-Staaten. Spitzenreiter sind laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat Luxemburg mit knapp 92.000 Euro und Irland mit knapp 83.000 Euro pro Kopf.
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Während Deutschland in den vergangenen Jahren nur ein geringes Wachstum erlebt hat, erlebte die Wirtschaft in Polen einen regelrechten Boom. Lag hier das BIP pro Kopf im Jahr 2019 noch bei weniger als 23.000 Euro, so stieg es 2022 auf über 28.000 Euro. Das entspricht einem Wachstum von knapp 22 Prozent. Die Bundesrepublik kam im selben Zeitraum nur auf etwa neun Prozent.
In Polen nutzen Populisten diesen Wohlstandszuwachs, um Stimmung für sich zu machen – oder gegen Deutschland. Jaroslaw Kaczynski, Chef der nationalkonservativen PiS-Partei und Vizepremier Polens, habe schon vor Beginn des Krieges in der Ukraine den Wettbewerb mit Deutschland beschworen, schreibt das Handelsblatt. Bis 2033 soll Polen beim BIP pro Kopf den EU-Durchschnitt erreichen (derzeit: 35.219 Euro). Und spätestens 2040 soll Deutschland eingeholt sein.
Ökonomen halten Kaczynskis Vorstellungen zwar für deutlich übertrieben – aber den wirtschaftlichen Aufschwung in Polen kann niemand mehr leugnen. Seit dem Krieg in der Ukraine ist Polen zu einem Mekka für westliches Kapital geworden.
Motor dieser Entwicklung ist das Bestreben westlicher Unternehmen, ihre Lieferketten neu zu ordnen und die Produktion wieder nach Europa zu verlagern. Nach der Coronapandemie und mit Blick auf die wirtschaftliche Abkopplung von China sollen die Lieferketten risikoärmer werden.
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Polen profitiere aber auch davon, so das Handelsblatt, dass Russland als Investitionsstandort praktisch ausgeschieden sei und die Unternehmen nun nach Alternativen suchten. "Derzeit entscheidet sich fast jedes vierte europäische Unternehmen bei Produktionsverlagerungen für Polen", wird Piotr Arak, Chef des Polnischen Instituts für Wirtschaft (PIE), zitiert.
In den vergangenen Jahren haben vor allem Unternehmen aus Luxemburg, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich in Polen investiert. Mit einer hohen Produktivität, niedrigen Arbeitskosten, einer gut ausgebauten Infrastruktur und vielen qualifizierten Arbeitskräften sind die Bedingungen gut. Und nach Angaben der Polnischen Nationalbank investieren sie die erwirtschafteten Gewinne auch wieder in Polen.
Aber auch für Unternehmen aus Weißrussland und der Ukraine ist das Land ein Sprungbrett auf den europäischen Markt. Jeder zehnte Investor komme inzwischen aus einem der beiden Länder, schreibt das Handelsblatt. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hätten sich bereits rund 22.000 ukrainische Firmen in Polen niedergelassen.
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