Wissenschaftsbegeisterte Wissenschaftsskeptiker

Eugene Wigner (links) und Arnold A. Penzias (von hinten) in einer hitzigen Diskussion mit Studenten. Thema der Debatte ist die NATO-Nachrüstung. Kurz vor der Aufnahme dieses Fotos hat Wigner die Studenten sehr erregt gefragt, ob sie denn eigentlich wirklich glaubten, die USA könnten tatsächlich einmal einen nuklearen Erstschlag durchführen. Dies würden sie niemals tun. Penzias versucht, die Wogen zu glätten während Wigner sich abwendet und geht. Tagung der Physik-Nobelpreisträger, Lindau, 1982. Foto: Christian Gapp

Populäre Kritik an den Grundlagen der modernen Physik, der relativistischen Quantenfeldtheorien

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Im ersten Teil) der Trilogie über populäre Kritik an der modernen Physik wurden, als Bezugsrahmen für die folgenden Teile, die entscheidenden Grundlagen der modernen Physik skizziert, die relativistischen Quantenfeldtheorien (Alles ist relativ). Jetzt geht es um populäre Kritiker, deren Thesen in der Öffentlichkeit auf große Resonanz stoßen.

Keine Frage, naturwissenschaftliche Themen treffen auf großes Interesse. Dies ist Verlagen durchaus bewusst, und so werden selbst in Zeiten, in denen renommierte Zeitungen wie die "Financial Times Deutschland" vom Markt verschwinden, immer wieder neue Produkte geschaffen. Seit Kurzem erscheint beispielsweise der New Scientist in einer deutschen Version. Wo über Physik, Biologie, Chemie und die anderen Naturwissenschaften geschrieben wird, sind die Kritiker nicht weit.

Kaum war die Erstausgabe des "New Scientist" verfügbar, forderte der Geisteswissenschaftler Christian Geyer im Feuilleton der FAZ, eigentlich sei kein weiteres Wissenschaftsmagazin vonnöten, sondern ein "Magazin des Nichtwissens", das aufzeigt, wo die Wissensgrenzen der Wissenschaft liegen. Solch kritischen Stimmen sind im "New Scientist" sogar zu finden, was für Geyer eine Existenzberechtigung für das neue Magazin wäre. "Das wäre doch eine lohnende, die Aufklärung befördernde Innovation", schreibt er, "ein wissenschaftliches Magazin des Nichtwissens."

Geyers Standpunkt könnte gedeutet werden als Indiz für den oft zu diagnostizierenden Minderwertigkeitskomplex eines Geisteswissenschaftlers, der versucht, die Deutungshoheit über die Naturwissenschaften zurückzugewinnen mit Verweis auf deren Wissenslücken. Es erscheint jedoch vernünftiger, ihn auch im Zusammenhang mit der reichhaltigen Kritik, insbesondere an der modernen Physik, zu sehen, die seit einigen Jahren selbst von der Öffentlichkeit interessiert wahrgenommen wird.

Die Grundlagenforschung betreibende Physik, einschließlich der Astronomie, befindet sich in einer spannenden Phase. Einerseits bestätigen Experimente und Beobachtungen im Wesentlichen die etablierten Theorien und insbesondere das Standardmodell der Elementarteilchenphysik. Letzteres beschreibt die Welt als aus zwei Arten von Teilchen aufgebaut: solche mit halbzahligem Spin, die Fermionen, und solche mit ganzzahligem Spin, die Bosonen. Die Teilchen, die das ausmachen, was für gewöhnlich als Materie bezeichnet wird, die Quarks und Leptonen, sind Fermionen. Die Wechselwirkungen zwischen den Fermionen werden erzeugt, indem Bosonen wie das Photon zwischen den Fermionen ausgetauscht werden.

Wie ungewöhnlich die gegenwärtige Situation im Vergleich zu früheren Phasen ist, ist daran zu erkennen, dass Mitte der 1980er Jahre erschienene Standardlehrbücher der Elementarteilchenphysik noch im Wesentlichen auch heute aktuell sind.1 Wer hingegen 1985 versucht hätte mit Lehrbüchern aus dem Jahr 1960 die Elementarteilchenphysik zu verstehen, wäre kläglich gescheitert.

Kein Ende in Sicht - es gibt in der Physik noch viel zu tun

Bei aller Begeisterung für das Standardmodell ist den Physiker jedoch bewusst, dass es sich um ein Modell handelt, in dem es viele Eigenschaften gibt, die nach weitergehenden Erklärungen verlangen. Warum, beispielsweise, sind die Massen der Quarks so unterschiedlich? Das zuletzt gefundene der sechs Quarks, das Top-Quark, entzog sich fast 20 Jahre der Entdeckung, weil es unerwartet massereich ist - es ist in etwa so schwer wie ein Goldatom. Das Modell enthält viele weitere Parameter, die nicht grundlegend vorhergesagt werden, sondern experimentell bestimmt werden müssen. Wie könnten sie erklärt werden? Physiker geben sich mit der gegenwärtigen Situation nicht zufrieden.

P.A.M. Dirac, mit Studenten diskutierend. Tagung der Physik-Nobelpreisträger, Lindau, 1982. Foto: Christian Gapp

Zudem gibt es mathematische Probleme mit als punktförmig angenommenen Elementarteilchen. Experimental-physikalisch bedeutet punktförmig so viel wie "ohne nachweisbare innere Struktur". Während hochenergetische Stoßexperimente mit Protonen die Existenz von inneren Bestandteilen belegen, erweisen sich Elektronen bisher als elementar. Dennoch erscheinen sie experimentell nicht als ausdehnungslose Punkte. Um die mathematischen Probleme zu umgehen, wird daher in der Quantenelektrodynamik (QED) ein cleveres Verfahren namens "Renormierung" angewendet, mit dem die theoretisch berechneten Werte mit den gemessenen verknüpft werden. Richtig glücklich mit ihr ist aber wahrscheinlich kaum ein theoretischer Physiker.

Die Suche nach einer dem Standardmodell zugrundeliegenden Theorie begann daher schon früh. Die Stringtheorie ist der sicherlich bekannteste Lösungsansatz, der seit etwa dreißig Jahren verfolgt wird. Hierbei wird die Vorstellung aufgegeben, die die reale Welt aufbauenden kleinsten physikalischen Objekte wären punktförmig. Es gibt jedoch viele konkurrierende Spielarten. Zudem liefern Stringtheorien vor allem Vorhersagen, die mit den heutigen experimentellen Mitteln nicht nachweisbar sind. Ist die Physik in einer Sackgasse angekommen? Dies behaupten zumindest teils populäre Kritiker.

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