Wofür steht die neue britische Premierministerin Liz Truss?
- Wofür steht die neue britische Premierministerin Liz Truss?
- Wer zahlt die Energiekosten?
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Die Außenministerin Truss setzte sich in einer parteiinternen Abstimmung gegen Ex-Finanzminister Rishi Sunak durch. Sie folgt Boris Johnson ins Amt des britischen Premiers. Dem Land steht ein harter bis wirklichkeitsfremder neoliberaler Kurs bevor.
Die schlechte Nachricht vorweg, die "Dreammachine" in London wurde eingestellt. Ende Juli bereits. Diese Traummaschine war ein Projekt des "Unboxed"-Festival, das gerne auch liebevoll "Festival of Brexit" genannt wird. Ziel dieser Shows im ganzen Land war es, die Kreativität und das Potenzial der Menschen in Großbritannien zu zeigen, die sich nun ohne EU-Richtlinien entfalten dürfen.
In der Dreammachine legten sie sich deshalb in bequemen Stühlen zurück und träumten vor sich hin, von schöner Musik besäuselt. Vielleicht träumten manche von einer besseren Zukunft. Die Brexit-Feierlichkeiten des entfesselten britischen Potenzials kosteten Hunderte Millionen Pfund und haben nahezu niemanden interessiert.
Ihr einziger Gewinn liegt darin, eine ungewollte Metapher zu sein. Das Land versinkt im Chaos. Es brechen offenkundig schwere Zeiten heran, also organisiert die Regierung eine Gruppenhalluzination mit Lichtblitzen vor den geschlossenen Augen.
Gespenst Brexit
Wer die Augen allerdings öffnet, der sieht: 400 Prozent Energiepreiszunahme, die höchste Inflation seit vierzig Jahren und fallende Löhne. Liz Truss will sich damit aber nicht die Aufbruchsstimmung verderben lassen. Sie selbst ist seit vielen Jahren Teil der Regierung, dennoch wird jetzt alles besser. Ganz sicher. Selbst wenn die Rezepte die verdächtig alten sind.
Den Menschen im Land, die kaum mehr wissen, wie sie über die Runden kommen, Steuererleichterungen (die sie nicht erreichen) und damit Wachstum zu versprechen, darf als unverfroren bezeichnet werden. Wer seit Jahren mit knappen Mitteln haushalten muss und sich vor den Energiekosten fürchtet, hat nun eine Premierministerin, die das Hauptproblem im Lande in fehlendem Engagement der Bürger sieht.
Plumpe Leugnung der Realität ist ein Herrschaftsinstrument und wird von Truss gerne eingesetzt. Beispielsweise bloß nicht in den Wandschrank schauen, denn da hockt der Brexit-Gnom! Zwar ging bislang die Welt ohne die EU nicht unter, aber die Rede von den Segnungen durch den Brexit ist auffällig leise geworden. Es zeigt sich, wie leicht vorhersehbar, dass der nach dem Verlassen des gemeinsamen Binnenmarktes administrativ aufwendiger gewordene Handel mit Kontinentaleuropa schlecht fürs Geschäft ist.
Die Erfolge von "Global Britain" hingegen, das jetzt schrankenlos mit dem ganzen Rest der Welt handelt, sind überschaubar (Handelsverträge mit Japan unterscheiden sich zum Beispiel kaum von jenen Japans mit der EU), und durch die steigenden Energiekosten fallen die weiten Transportwege zunehmend ins Gewicht.
Bliebe noch das ökonomische Freibeuter-Konzept, mittels Sonderkonditionen internationale Investoren anzuziehen. Die Ergebnisse sind auch hier anders als intendiert. Im Nordosten Englands sind die Fangkörbe der Fischer leer. Die wenigen Krebstiere, die noch gefangen werden, sind mehr tot als lebendig und scheinen vergiftet zu sein.
Experten vermuten, die Gifte kommen aus dem Fluss Tees. Dort wurde die Teesside-Sonderwirtschaftszone ausgerufen. Ziel: Jobs, Jobs, Jobs und als Gegenleistung weniger Fragen in Bezug auf Umweltschutz.
Der Zugriff des Kapitalismus auf das Gemeinwesen wird aggressiver, denn beim Anwerben von "Dark Money" klandestiner Investoren sind längst alle Mittel recht. Warum die Schalentiere sterben und Robben verenden, ist hingegen für die Behörden kaum ein Thema. Besorgte Fischer und Umweltaktivisten werden abgewimmelt.
Liz Truss war selbst als Umweltministerin persönlich dafür zuständig, die Kosten beim Gewässerschutz zu senken. Dies geschah 2015, noch zu Zeiten der EU-Mitgliedschaft. Mittlerweile umkreist ein Fäkalstrom die britischen Inseln, weil zunehmend ungeklärtes Schmutzwasser verklappt wird. Eine weitere ungewollte Metapher, die gerne von britischen Kommentatoren aufgegriffen wird.
Es kann vieles – und vieles wohl auch zu Recht – an den strengen EU-Regularien kritisiert werden. Zumindest haben diese verhindert, dass Strandspaziergänger und Badende Fäkalien begegnen mussten.
Das Grundübel ist beim Gewässerschutz und der Wasserversorgung das immer gleiche: Milliardengewinne werden durch die Privatisierungen erzielt und damit dem Gemeinwesen entzogen.
Im Hitzesommer 2022 wurde das Frischwasser sogar knapp und die Abwässer stinken nun zum Himmel. Liz Truss ist für diese Entwicklung mitverantwortlich und wird sie als Premierministerin noch verstärken.