Wurstelei ist keine Klimapolitik

Verbrennerverbot im Jahr 2035, Öl- und Gasheizungsverbot schon 2024 - mit lauten Trompeten ins Nirgendwo. Lösungsversuche werden immer skurriler, das gesellschaftliche Klima vergiftet. Ein neuer Anlauf ist nötig.

Es hat so kommen müssen. Weil deutsche und europäische Politiker sich beharrlich weigern, auch nur eine Sekunde nachzudenken, bevor sie agieren, marschiert man in Sachen Klima nun mit lauten Trompeten ins Nirgendwo. Verbrennerverbot im Jahr 2035, Öl- und Gasheizungsverbot schon 2024, Privatjetverbot am besten übermorgen.

Heiner Flassbeck. Bild: United States Mission Geneva / CC-BY-2.0

Die Liste ließe sich beliebig verlängern, und bei jeder Einzelmaßnahme wird der gesamte Politikbetrieb für Monate nahezu lahmgelegt. Auf der einen Seite bringen sich die Lobbys in Stellung, um das aus ihrer Sicht Schlimmste zu verhindern, während die "letzten Generationen" die Halbherzigkeit beklagen, mit der die Politik immer wieder einmal ein kleines Problem löst, den großen Wandel aber scheut.

So wird das jetzt noch einige Jahrzehnte weitergehen. Weil es keine globale Strategie gibt, gibt es auf nationaler Ebene nur staatliches Gewurstel in den wenigen reichen Ländern, die immerhin ein schlechtes Gewissen haben.

Das Problem wird auf diesem Wege zwar niemals gelöst, aber die Lösungsversuche, so viel ist sicher, werden immer skurriler werden, und das gesellschaftliche Klima wird auf Dauer massiv vergiftet.

Das Schlimmste dabei ist: Weil das Gewurstel das globale Problem nicht löst, aber in den betroffenen Ländern großen wirtschaftlichen Schaden anrichtet, werden früher oder später Regierungen gewählt, die das Klimaproblem weitgehend ignorieren oder, wie dereinst Donald Trump, glatt bestreiten.

So geht es nicht. Um ein globales strukturelles Problem wie die globale Erwärmung zu bekämpfen, muss man eine dauerhafte Veränderung der Verhaltensweisen der Menschen und der Unternehmen in allen wichtigen Ländern der Welt erreichen.

Zugleich muss dafür gesorgt werden, dass immer weniger fossile Rohstoffe gefördert und verbrannt werden. Beides, die Veränderung der Verhaltensweisen und das absehbare Ende der Förderung von Öl, Kohle und Gas, passt allerdings wunderbar zusammen.

Gäbe es einen globalen grünen Diktator, bräuchte der nichts anderes tun, als jedes Jahr fünf oder zehn Prozent weniger fossile Rohstoffe aus der Erde zu holen. Automatisch würden die Preise dieser Stoffe dauerhaft und unumkehrbar steigen und auf diese Weise alle Menschen auf der Erde zwingen, sich an die immer knapper werdende Ressource anzupassen.

Kleinräumige und kleingeistige Verbotsdiskussionen könnte man sich dann sparen. Man würde versuchen, die Wirtschaft unter der Restriktion knapper werdender fossiler Energieträger am Laufen zu halten, was ohne weiteres machbar wäre.

Kein grüner Diktator auf der Weltebene vorhanden

Doch den globalen grünen Diktator gibt es nicht. Der könnte zwar das Klimaproblem leicht lösen, aber fast alles andere, was uns wichtig ist wie Demokratie und friedliches Zusammenleben, wäre in höchstem Maße gefährdet.

Gleichwohl bleibt es die Aufgabe der Menschheit, Wege zu finden, bei denen fossile Energieträger eingespart werden. Die letzten Jahrzehnte zeigen allerdings, dass die Weltgemeinschaft, die ja kein politisch handelnder Akteur ist, weit davon entfernt ist, eine Verknappung fossiler Energieträger durchzusetzen. Global sind die Emissionen in den vergangenen zwanzig Jahren fast durchgehend deutlich gestiegen (wie man leicht hier überprüfen kann).

Einige Male sind die Preise schockartig nach oben geschnellt, wie zuletzt im vergangenen Jahr, doch danach sind alle froh, wenn sich der Preis wieder normalisiert.

Seit Beginn der siebziger Jahre ist selbst in Europa und Deutschland, wo man ja stolz auf die eigenen Anstrengungen in Sachen Kilmaschutz ist, der reale Preis für Öl, also das, was wir an Arbeitszeit aufwenden, um einen Liter Öl zu kaufen, nicht gestiegen. Verglichen mit dem Beginn der sechziger Jahre ist er, wie Friederike Spiecker und ich im jüngsten Atlas der Weltwirtschaft gezeigt haben, deutlich gesunken.

Solange sich daran nichts ändert, sind alle Versuche auf nationaler und sogar europäischer Ebene, mit Steuern, Subventionen oder Vorboten den Konsum fossiler Energieträger hie und da einzuschränken, vollkommen sinnlos.

Jeder Einsparversuch in Deutschland und Europa wird mit hundertprozentiger Sicherheit zu einem Mehrverbrauch im Rest der Welt führen, wenn das gesamte globale Angebot an fossilen Energieträgern nicht reduziert wird. Was aus der Erde gefördert wird, wird auch verbraucht.

Nur eine globale Übereinkunft zwischen Erzeugern und Verbrauchern, die genau das umsetzt, was der grüne Diktator tun würde, kann eine wirksame Wende beim Einsatz fossiler Rohstoffe herbeiführen.

Das Pariser Klimaabkommen und alle weiteren Versuche waren von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil die Produzenten niemals eingebunden waren.

Die großen Verbraucher bildeten sich ein, sie könnten mit nationalen Absichtserklärungen (nichts anderes sind diese Abkommen auf der nationalen Ebene) die Regierungen auf der ganzen Welt dazu bewegen, Verhaltensänderungen durchzusetzen, obwohl die fossilen Energieträger ohne Restriktion gefördert werden und deswegen weiterhin lächerlich billig sind.

Auch Demokratien tun sich schwer

Diesem Fehlurteil liegt eine dramatische Überschätzung der Fähigkeit von Regierungen in Demokratien, aber auch anderen Staatsformen zugrunde.

Schon in den USA würde jeder Versuch eines Präsidenten, der Bevölkerung zu erklären, sie müsse wegen einer internationalen Vereinbarung mit den Ölproduzenten (zu denen die USA ja gehören) von nun an mit ständig steigenden Benzinpreisen leben, mit seiner sichereren Abwahl enden.

Dabei liegt der Preis für Kraftstoffe in den USA bei nur etwa der Hälfte des europäischen Niveaus. Versuchte er auch noch durchzusetzen, dass der reichere Teil der Gesellschaft für die Ärmeren einen Ausgleich über deutlich höhere Steuern schafft, würden die Reste von Demokratie, die sich in den USA noch ausmachen lassen, von der Mehrheit der Bevölkerung ganz schnell in Frage gestellt werden.

In Entwicklungsländern, wo viele Menschen täglich ums blanke Überleben kämpfen, haben globale Ziele einen ungleich geringeren Stellenwert als in reicheren Gesellschaften.

Selbst Deutschland hat es trotz der viel gelobten Energiewende, in die unheimlich viel öffentliches und privates Geld geflossen ist, in den vergangenen zwanzig Jahren nicht geschafft, seine CO2-Emissionen deutlich herunterzufahren.

Wie soll man einem Entwicklungsland, das bei Weitem nicht so viel öffentliches und privates Geld mobilisieren kann, erklären, dass es einen ähnlichen Weg gehen soll, ohne garantieren zu können, dass das in dem Land selbst und vor allem weltweit irgendeinen zu Buche schlagenden Effekt hat?

Die Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen ist einfach: Die bisherigen internationalen Vereinbarungen waren weniger als ein Schritt in die richtige Richtung.

Offenkundig war das Abkommen von Paris ein völliger Fehlschlag. Nur wenn man sich das eingesteht, kann es gelingen, ganz andere internationale Vereinbarungen zu treffen, bei denen die Produzenten fossiler Energieträger von Anfang an mit an Bord sind und eine kontinuierliche Reduktion der Förderung festgeschrieben wird.

Nur ein solches globales Abkommen kann den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich alle erfolgreich anpassen können.

Entwicklungsländer mit an Bord nehmen

Aber ein solches Abkommen kann es nur geben, wenn die reichen Länder insgesamt ihr Verhältnis zu den ärmeren grundlegend verändern. Wer, wie die Grünen, "systemische Rivalitäten" mit China in die Welt setzt, hat den Kampf um das Klima schon verloren.

Wer, wie alle deutschen Regierungen in den letzten vierzig Jahren, die Entwicklungsländer bestenfalls als Konkurrenten betrachtet, denen man zwar gerne seine Güter liefert, die man aber ansonsten sich selbst überlässt und nur von den westlichen Institutionen (aus Washington) in höchster Not "retten" lässt (wie hier beschrieben), kann sich jede Bemühung um eine wirkliche globale Agenda zum Klimaschutz sparen.

Wer, wie die FDP, glaubt, dass auch Nationen miteinander im Wettbewerb stehen, braucht über Kooperation beim Klimaschutz nicht einmal mehr nachzudenken. Wer, wie deutsche Minister, die nach Südamerika reisen, noch immer glaubt, mit Freihandelsabkommen à la Mercosur ließen sich die Entwicklungsländer in eine politische Allianz mit dem Norden locken, hat nicht verstanden, wie tief die Frustration im Süden ist.

Effektiver Klimaschutz verlangt viel mehr als einzelne Abkommen, die vollmundige Absichtserklärungen zur Selbstverpflichtung enthalten. Er verlangt Taten, die zeigen, dass die reichen Länder, die seit 200 Jahren für die große Masse der schädlichen Emissionen verantwortlich sind, wirklich bereit sind, mit den Entwicklungsländern zu kooperieren.

Nichts weniger als eine neue globale Wirtschaftsordnung ist gefordert, in der die reicheren Länder die Entwicklungsmöglichkeiten der ärmeren Länder in dramatischer Weise verbessern.

Das heißt zum einen Abschied zu nehmen von den alten Dogmen über die wohltätige Wirkung des freien internationalen Handels. Entwicklungsländer brauchen mehr als offene Grenzen, sie brauchen Schutz vor den in fast jeder Hinsicht überlegenen Unternehmen des Nordens.

Zum anderen müssen wir beginnen zu begreifen, dass die Freiheit des Kapitalverkehrs, der für uns wie selbstverständlich zum freien Handel gehört, in den letzten Jahrzehnten unermesslichen Schaden für die sich entwickelnde Welt mit sich gebracht hat. Nur wer all das mitdenkt, kann in Sachen Klimaschutz einen neuen Anlauf wagen, der nicht erneut zum Scheitern verurteilt ist.

Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck ist Herausgeber des Online-Portals flassbeck-economics.com. Zuvor war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Chef-Volkswirt bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung.

Vom Autor erscheint monatlich eine Kolumne zu Hintergründen wirtschaftlicher Entwicklungen und zur Wirtschaftspolitik.