ZDF-Doku über Wagenknecht-Partei: Wie man Extremisten inszeniert

Wahlplakat des Bündnisses Sahra Wagenknecht hinter Mülltonnen

Bild: K-FK /Shutterstock.com

Serie mit Schlagseite: Gebührenfinanzierter Sender wirft kritischen Blick auf BSW. Doch wie objektiv ist die Berichterstattung wirklich? Analyse.

Am 26. September hat das ZDF eine fünfteilige Miniserie mit dem Titel "Inside Bündnis Wagenknecht" veröffentlicht, die nach eigenem Anspruch einen tiefen Einblick in die Strukturen und Entwicklungen des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bieten soll.

Unter dem Untertitel "Hinter den Kulissen einer umstrittenen Partei" beleuchtet die Dokumentation die Gründung und den Aufstieg des Bündnisses.

Allerdings wird schnell deutlich, dass die Serie nicht nur Entwicklungen nachzeichnet, sondern auch eine narrative Strategie verfolgt, die das BSW in einem bestimmten Licht erscheinen lässt.

Kreml-Narrative und unseriöse Inszenierung

Autor Martin Debes beschreibt das BSW in Folge 1 ("Der Bruch") als "Symptom der Politikverachtung". Durch die Befragung des Autors von "Deutschland der Extreme" (2024) wird das BSW bereits gleich zu Beginn in die Nähe des politischen Extremismus gerückt.

Ebenfalls in der ersten Folge der Doku zieht die stellvertretende Chefredakteurin des Spiegel, Melanie Amann, die die Nähe zu politischen Akteuren einmal als "Privileg" bezeichnete, Parallelen zwischen Sahra Wagenknecht und der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel.

Indem Wagenknecht darauf hinweise, dass Weidel kein "Nazi" sei, nehme sie die Rechtsnationale "in Schutz". Amann mutmaßt, dass Wagenknecht sich in Weidel "wiedererkenne".

Die Vize-Chefredakteurin wirft Wagenknecht außerdem ein Staatsverständnis vor, in dem der Schutz von Minderheiten als "Nischenproblem" gesehen wird, was sie unter anderem an der Ablehnung der "Gendersprache" festmacht.

Martin Fuchs, Berater für digitale Kommunikation, unterstellt Wagenknecht, ihr Erfolg gründe zu großen Teilen auf der "Wesensverwandtschaft zwischen Populismus und den Algorithmen von Social Media" – ein Medium, das in der deutschen Medienöffentlichkeit sowie vonseiten der Europäischen Union (speziell in Bezug auf Elon Musks "X") immer wieder für seine unzureichende Moderation kritisiert und gegenüber den deutschen Leitmedien als unseriös dargestellt wurde.

In dieselbe Kerbe schlägt auch die Autorin und DDR-Kritikerin Anne Rabe ("Die Möglichkeit von Glück", 2023) mit ihrer Aussage, dass das Bündnis Wähler bediene, "die dem System kritisch gegenüberstehen" und aus diesem Grund den konventionellen Medien misstrauten.

Bild-Journalist und Ukraine-Berichterstatter Paul Ronzheimer wirft Wagenknecht in der ZDF-Doku vor, russische Narrative zu bedienen. Durch ihre Aussprache gegen Waffenlieferungen und die finanzielle Unterstützung des Landes habe das BSW die Ukraine der Gefahr ausgesetzt, einem russischen Imperialismus zum Opfer zu fallen.

Unterwanderung durch die AfD und dubiose Spenden

In Folge 2 der Doku-Serie nährt besonders das Bewerbungsgespräch zwischen der BSW-Ko-Landesvorsitzenden in Sachsen, Sabine Zimmermann, und dem Mitglieds-Anwärter "Hans Kappelt", der sich später als der verkleidete AfD-Abgeordnete Olaf Kappelt entpuppt, das narrative Konstrukt einer Unterwanderung durch die AfD.

Ein Vorwurf, der zuletzt auch durch eine Recherche von Correctiv unmissverständlich in den Raum gestellt wurde.

Ein weiteres Thema der Dokumentation sind Mutmaßungen über fragwürdige Parteispenden aus russischer Quelle, die in Folge 2 ("Aufbruch") angesprochen werden. Die Beweislage dazu mutet aber nicht nur gegenüber Ralph Suikat, zuständig für die Finanzen beim BSW, als dürftig an, sondern auch bei dem deutschen Ehepaar Salingré-Stanger, das das BSW mit mehr als fünf Millionen Euro Zuwendung bedacht hat, der größten Einzelspende in der deutschen Parteiengeschichte seit 20 Jahren.

Obwohl ein Artikel von ntv den Gründer der Veranstaltungstechnik-Firma MA Lighting Technology GmbH, Thomas Stanger, zuletzt als "Russlandversteher" brandmarkte, musste auch Autor Wolfram Weimer bekennen, dass "das viele Geld also nicht aus Moskau (stammt), sondern von den Glitzerbühnen der globalen Showgrößen" wie unter anderem Taylor Swift. Das hält Weimer aber nicht von dem negativen Fazit ab: "Alles schillernd."

Kontrafaktischer "Linksautoritarismus"

In Folge 3 der Doku ("Wachstumsschmerzen") stellt Melanie Amann gemeinsam mit Steffen Mau (Soziologe an der Humboldt-Uni, Mitglied des Sachverständigenrats für Integration und Migration und Fellow der Stiftung Mercator) das BSW als Partei dar, die zum Teil kontrafaktisch – also: desinformierend – argumentiert und einen "linksautoritaristischen" (Mau) Kurs verfolgt.

Die BSW-Landesvorsitzende in Thüringen, Katja Wolf, stellen die Kommentatoren der ZDF-Doku als eine Art politisches Feigenblatt dar, das von der Partei instrumentalisiert wurde, um sich durch Wolfs Vergangenheit als Oberbürgermeisterin von Eisenach einen seriösen Anstrich zu verleihen.

Der BSW-Ko-Landesvorsitzende Jörg Scheibe wird im Interview mit dem ZDF auf seine Position zur Reaktivierung russischer Gaslieferungen mit einer Suggestivfrage konfrontiert, nachdem er den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilt hat: "Muss nicht die Folge des Angriffskrieges sein, so jemandem (wie Putin, d. Red.) nie wieder etwas abzunehmen?". Scheibe meint: nein, weil Deutschland sich damit "ins eigene Fleisch" schneide.

Spiegel-Autorin Amann ordnet Scheibes Aussagen im Anschluss daran ein und bekräftigt, dass es Russland gewesen sei, welches die Lieferungen eingestellt habe. Unerwähnt bleibt der von russischer Seite vorgebrachte Vorwurf, wonach die Verzögerungen infolge einer Turbinen-Reparatur auf kanadischem Boden den Lieferungsstopp zumindest für Nord Stream 1 ausgelöst haben sollen.

Ein weiteres Thema ist die in den deutschen Medien (so etwa bei Markus Lanz) kritisierte, restriktive Strategie der Mitgliederrekrutierung im BSW, die laut Parteigründerin Wagenknecht dazu dienen soll, sich gegen Extremisten und andere nicht als integer angesehene Personen abzuschotten. Die Dramaturgin Anne Rabe bezeichnet dieses Konzept als eines das "dem gewöhnlicher demokratischer Parteien widerspricht".

Ein besonders auffälliges Beispiel des narrativen Tonus der Doku ist die Vorstellung des parteilosen Politikers und BSW-Anwärters Timo Backofen, der zunächst als möglicher Zeuge für die mangelnde Trennschärfe zur AfD herangezogen wird. Konkret geht es um Backofens Tätigkeit für den (parteilosen) Oberbürgermeister von Pirna, Tim Locher, der 2023 von der AfD als Kandidat nominiert wurde.

Obwohl eine Mitgliedschaft Backofens beim BSW abgelehnt wurde und er nach eigener Aussage auf Anforderung der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten zum OB abgeordnet wurde, haftet der Episode ein fader Beigeschmack an. Ein Beigeschmack, der sicher dazu geeignet ist, die ein oder andere Wählerin zu verunsichern.

Sollte diese Verunsicherung das Ziel der ZDF-Dokumentation gewesen sein, dürfte sie ihren Zweck zumindest in Teilen erfüllen.