Zehn zweifelhafte Faktenchecks – und wie die Politik die Wissenschaft diskreditierte

Seite 2: 4. Lockdowns waren nicht notwendig, um die Inzidenz zu senken

Faktencheck zu RKI-Daten: "Muss Zahlen richtig lesen": Experten weisen Kritik zurück, Shutdown sei sinnlos gewesen, Focus, 7. Mai 2020

Auf Anfrage von Focus Online erklärt das RKI darüber hinaus, man führe die schon vor dem 23. März auf unter 1 gesunkene Reproduktionszahl darauf zurück, "dass bereits vorher das öffentliche Leben zurückgefahren worden ist", zum Beispiel durch Absage von Großveranstaltungen. Das Kontaktverbot helfe nun, den Wert auf unter 1 zu halten bzw. zu stabilisieren. […] Bei einer vorschnellen Rücknahme aller oder eines großen Teils kontaktbeschränkender Maßnahmen bestehe die grundsätzliche Gefahr einer zweiten Welle, bestätigt auch RKI-Vizepräsident Lars Schaade.

Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik, Sachverständigenausschuss, 30. Juni 2022:

Es zeigt sich, dass die Wendepunkte ("peaks") oft nicht mit der Einführung bestimmter Maßnahmen(pakete) zusammen fallen und teilweise bereits vor den Maßnahmen erfolgten […] Insgesamt ist ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Inzidenz und der Maßnahmenstärke nicht erkennbar.

Anmerkung: Auch hier mag das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, auffallend ist dennoch die Unbeirrbarkeit, mit der das RKI damals an seinem Befund festhielt, obwohl die Sachverständigenkommission entsprechende Daten später vermisste.

5. Vektor- und mRNA-Injektionen schützen besser als die durchgemachte Infektion

Molekularbiologe erklärt, warum Geimpfte besser geschützt sind als Genesene, Volksverpetzer, 11. Januar 2021:

Martin Moder, österreichischer Autor und "Science Buster" [...] fasst […] zusammen, warum eine erfolgreich überstandene Infektion schlechter schützt als die Impfung und warum auch Genesene sich die Impfung holen sollten. Der Aufklärer hat in der Vergangenheit bereits diverse Mythen und Fakten rund um Corona und Impfungen erläutert.

Genesene besser geschützt als Geimpfte? Massive Kritik an neuer Studie aus Israel, Focus/InFranken, 4. September 2021:

Forschende aus Israel haben in einer neuen Studie herausgefunden, dass Genesene besser als Geimpfte vor der Virusvariante geschützt sind. Den Ergebnissen zu Folge wären Menschen, die sich bereits infiziert haben, besser geschützt, als diejenigen, die eine doppelte Impfung erhalten haben.

Monitoring des Covid-19-Impfgeschehens in Deutschland, RKI, 3. November 2022:

Ein kürzlich als Preprint veröffentlichter systematischer Review der WHO […] bewertet die internationale Studienlage zum Schutz einer vorangegangenen Sars-CoV-2-Infektion sowie einer hybriden Immunität (Impfung + Infektion) vor Infektionen und schweren Verläufen mit der bzw. durch die Omikronvariante. […] Die Ergebnisse des Reviews […] zeigen zum einen, dass sowohl die hybride Immunität als auch eine alleinige vorangegangene Infektion einen etwas höheren Schutz gegen eine Omikroninfektion vermitteln als eine vollständige Grundimmunisierung bzw. Auffrischimpfung alleine.

(Mehr dazu auf Telepolis: "Covid-19: "Hybride Immunität" schützt besser")

Anmerkung: Auch hier mag der Zeitbezug als Argument angeführt werden. Bezogen sich die ersten Beurteilungen noch auf die sogenannte Delta-Variante, war zum Zeitpunkt der genannten RKI-Studie bereits Omikron die vorherrschende Virusvariante. Umso weniger scheinen hier aber generalisierende Aussagen für Beurteilungen eines temporären Geschehens geeignet. Die israelische Studie mit 32.000 Teilnehmern wurde im Übrigen nach Focus/InFranken-Informationen deshalb "massiv" kritisiert, weil ihr Ergebnis das gesundheitliche Risiko der Infektion herunterspiele. Außerdem seien lediglich Probanden untersucht worden, die das Biontech/Pfizer-Präparat erhielten und asymptomatische Personen nicht.

6. Covid-Impfungen sind keine Impfungen, sondern Gen- bzw. Zelltherapien

Jahresbericht der BioNTech SE 2019, S.14

Obwohl wir davon ausgehen, BLAs [biologics license application, Zulassung] für unsere mRNA-basierten Produktkandidaten einzureichen, wurden mRNA-Therapien in den Vereinigten Staaten und in der Europäischen Union als Gentherapie-Arzneimittel eingestuft, andere Gerichtsbarkeiten könnten unsere mRNA-basierten Produktkandidaten als neue Arzneimittel, nicht als Biologika oder Gentherapie-Arzneimittel betrachten und andere Zulassungsanträge verlangen.

Approved mRNA Vaccine for Covid-19 is a Milestone for Gene and Cell Therapy, American Society of Gene and Cell Therapy, 11. Dezember 2020:

Die heutige FDA-Zulassung des Covid-19-Impfstoffs BNT162b2 von Pfizer und BioNTech ist ein großer Tag für die USA und ein bedeutender Meilenstein für den Bereich der Gen- und Zelltherapie: Es ist der erste mRNA-Impfstoff oder das erste Medikament, das von der FDA zugelassen wurde, und stellt den Höhepunkt jahrzehntelanger Forschung dar, die nun die Sicherheit und Wirksamkeit der Gentherapie auf der Weltbühne demonstriert.

Rede von Bayer-Vorstandsmitglied Stefan Oelrich auf dem World Health Summit 2021, 24. Oktober 2021:

Letztendlich sind die mRNA-Impfstoffe ein Beispiel für diese Zell- und Gentherapie. Ich sage immer gerne wenn wir vor zwei Jahren eine öffentliche Umfrage gemacht hätten, ob die Leute bereit wären, sich eine Gen- oder Zelltherapie in ihren Körper zu injizieren zu lassen, hätten wir wahrscheinlich eine Ablehnungsquote von 95 Prozent gehabt. Ich denke, diese Pandemie hat auch vielen Menschen die Augen für Innovationen auf eine Weise geöffnet, die vorher vielleicht nicht möglich war.

Blogbeitrag rechnet mit falschen Zahlen: Kein Beleg für Unwirksamkeit der Corona-Impfungen, dpa, 12. April 2022:

Eine Impfung mit der mRNA-Technologie, auf der die Corona-Impfungen von Moderna und Biontech/Pfizer beruhen, verändert das menschliche Erbgut nicht. […] Die Informationen der RNA werden nicht in die menschliche DNA eingebaut. Es handelt sich bei der Impfung also nicht um eine "Gentherapie".

Erläuterung: Wie das Portal multipolar-magazin.de ausführlich dargelegt hat, liegt diese Abweichung der beiden Beurteilungen auch in der medizinischen Definition eines Impfstoffs begründet. So wies der Pharmakologe Peter Doshi, den multipolar ebenfalls zitiert, darauf hin, dass besagte Definition geändert wurde, um die mRNA-Injektionen in die Definition einzuschließen. Die Eigenschaft, das Erbgut zu verändern, war demzufolge zunächst kein Kriterium zur Bestimmung einer Gen- oder Zelltherapie.