Zehn zweifelhafte Faktenchecks – und wie die Politik die Wissenschaft diskreditierte
Seite 3: 7. Es gibt keine schweren Nebenwirkungen der Impfung
- Zehn zweifelhafte Faktenchecks – und wie die Politik die Wissenschaft diskreditierte
- 4. Lockdowns waren nicht notwendig, um die Inzidenz zu senken
- 7. Es gibt keine schweren Nebenwirkungen der Impfung
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Ist die Corona-Impfung unsicher? 21 Behauptungen zum Coronavirus im Faktencheck, Watson, 30. Dezember 2020:
Behauptung: "Die Nebenwirkungen der Corona-Impfung sind gefährlich." […] Bei bis zu 10 Prozent der Studien-Probanden wurden Nebenwirkungen wie leichtes Fieber und Gelenkschmerzen festgestellt. Diese klangen aber nach spätestens zwei Tagen ab und sind damit sehr viel angenehmer als eine Covid-19-Erkrankung. Schwere oder gar lebensbedrohliche Nebenwirkungen wurden in keiner Studie festgestellt. […] Fazit: Falsch.
Impfschäden fast verdreifacht: Warum Ärzte dennoch Corona-Impfungen empfehlen, Kreiszeitung, 11. November 2022:
Nebenwirkungen [...]sind zunächst nichts Ungewöhnliches. Attestieren jedoch Ärztinnen und Ärzte einen unmittelbaren Zusammenhang mit einer Corona-Impfung und lassen sich diese Reaktionen noch sechs Monate später nachweisen, spricht man von einem Impfschaden. […] Mittlerweile gilt die Zahl als bestätigt: 160 Schäden gab es in Deutschland bis Oktober 2022.
Anmerkung: Von nicht vorhandenen Studien auf "falsch" zu schließen, beschreibt die grundlegende Problematik eines (nachlässig ausgeführten) Faktenchecks.
8. Die Covid-Injektionen stören die Menstruation
Corona und Menstruation: Impfnebenwirkung auf Periode nicht erkennbar, MDR, 28. Juli 2021:
Auf Basis der bisher in Deutschland erhobenen Daten zur Corona-Impfung kann das für Arzneimittelsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut bislang kein Signal auf eine weitere, durch die Impfung ausgelöste Nebenwirkung erkennen. […] Einen [sic] Zusammenhang zwischen einer Corona-Impfung und einer Veränderung der Monatsblutung von Frauen sei aber bislang nicht erkennbar. "Ich wüsste auch nicht, über welchen Mechanismus es dazu kommen sollte", so [PEI-Präsident Klaus] Chichutek.
Stimmt: Covid-19-Impfung kann Menstruation beeinflussen, MDR, 17. Juli 2022:
Wie vorangegangene Studien kommt auch eine neue Untersuchung zu dem Ergebnis, dass eine Corona-Impfung vorübergehend Zyklusstörungen verursachen kann. Forschende analysierten Daten von rund 39.000 Erwachsenen. Unter denjenigen Frauen, die zuvor einen regelmäßigen Menstruationszyklus erlebt hatten, berichteten 42 Prozent über stärkere oder zeitlich verzögerte Monatsblutungen nach der Covid-19-Impfung.
Anmerkung: Bemerkenswert ist nicht nur, dass hier der (gegenteilige) Faktencheck aus derselben Redaktion, MDR Wissen, stammt. Der erste Artikel bezog sich auf mehrere Meldungen, wonach Frauen über entsprechende Beschwerden klagten. Da das PEI allerdings kein Sicherheitssignal bestätigte, wurde die mittlerweile anerkannte Nebenwirkung deshalb für "nicht erkennbar" erklärt.
9. Muttermilch kann mRNA-Partikel enthalten
Die Vaers-Datenbank des CDC beweist nicht den Impftod eines Babys nach dem Stillen, AFP, 7. Mai 2021:
Expertinnen und Experten sind sich einig, dass mRNA aus Impfungen nicht in die Muttermilch und somit auch nicht ins Baby gelangen kann […] Das Spike[-Protein, P.F.] kann nicht in die Muttermilch gelangen, weil es sich nicht frei im Körper bewegt, sondern fest auf den Muskelzellen sitzt und dort eine Immunantwort des Körpers erzeugt.
Aussage von Virologin Melanie Brinkmann, Markus Lanz, 10. November 2021:
Da ist immer das falsche Denken, […] dass man die Angst hat, der Impfstoff kann irgendwie zu diesem Kind gelangen über Muttermilch, Tränenflüssigkeit, was weiß ich wie. Das ist biologisch gar nicht möglich-
Spuren von mRNA-Impfstoffen in Muttermilch nachgewiesen, Stillen möglich, Ärzteblatt, 4. Oktober 2022:
Mediziner haben kurz nach der Impfung mit den mRNA-Vakzinen bei Stillenden Spuren [extrazelluläre Vesikel, P.F.] der Impfstoffe in einigen Muttermilchproben nachgewiesen. […] Möglicherweise gelangten Nanopartikel, die die mRNA enthalten, über die Blutbahn oder das Lymphsystem zu den Brustdrüsen, spekulieren die Forscher. Ob die mRNA noch aktiv war, also theoretisch zur Bildung von Proteinen führen könnte, prüfte die Arbeitsgruppe nicht.
Anmerkung: Hier wird (erneut) deutlich, was Faktenchecks leisten und was nicht: In einem spezifischen Kontext (etwa vor dem Hintergrund einer möglichen "Impfung durch die Muttermilch" o.Ä.) wird eine generalisierende Aussage getroffen, die einzelne Aspekte verwirft, welche sich im Lichte einer nüchternen Betrachtung später durchaus als bedeutsam erweisen.
10. Die mRNA der Covid-Impfungen kann in den Zellkern integrieren
Das unterschätzte Mutationspotential der Retrogene: mRNA-Moleküle von Retrogenen werden wieder in DNA umgewandelt und ins Erbgut eingebaut, Max-Planck-Gesellschaft, 2. Februar 2021:
Man weiß aber schon seit langem, dass mRNA auch wieder in DNA umgeschrieben und zurück ins Genom integrieren kann. Man spricht in solchen Fällen von Retrogenen. […] In der Masse dieser natürlichen Vorgänge fällt der mögliche zusätzliche Effekt durch eine mRNA Impfung kaum ins Gewicht […] Es ist nicht zu erwarten, dass injizierte mRNA in die Keimzellen übernommen wird, d.h. eine mögliche Vererbung kann man praktisch ausschließen. Wenn man also diesen Hintergrund in Betracht zieht, kann man mit sehr großer Sicherheit sagen, dass die potentielle Gefahr, die von zurückgeschriebener RNA (Retrogenen) im Zusammenhang mit der Impfung ausgeht, deutlich geringer ist als die Gefahr, die von einer Infektion mit dem Coronavirus ausgehen kann, bzw. die von den natürlichen Zellprozessen ausgeht.
Warum es keine Langzeit-Nebenwirkungen gibt, ZDF, 20. Oktober 2021:
Greift mRNA ins Erbgut des Menschen ein? […] "Das ist wirklich völliger Quatsch", sagt die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung im Interview mit ZDFheute. "Die mRNA kann sich nicht in unsere DNA, in unser Genom, integrieren." Denn die Erbinformationen des Menschen befinden sich in Form von DNA im Zellkern, dorthin gelangt die mRNA gar nicht – und sie hat außerdem eine andere chemische Struktur als die DNA. Darauf macht auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf seiner Website aufmerksam.
Anmerkung: Auch hier wurden in der Absicht, Zweifel an der Covid-Impfung auszuräumen, Behauptungen aufgestellt, die sich in ihrer generalistischen Form als nicht haltbar erweisen. So kann der Eindruck enstehen, die Beseitigung von Zweifeln weckt (zumindest unter Faktencheckern) mehr Interesse als Falschbehauptungen an sich. Das führt nicht nur den vorgeblichen gesellschaftlichen Auftrag des Faktenchecks ad absurdum, sondern bringt auch die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft und die Risikokommunikation der Politik in Verruf.
Vertrauensverlust billigend in Kauf genommen
Der gesellschaftliche Schaden, den die beschriebene politische Indienstnahme der Wissenschaft hervorruft, scheint die politisch Verantwortlichen wenig zu kümmern. Es mag daran liegen, dass manche in ihrem Metier schon bis zu 40 Prozent Desillusion gewohnt sind.
Den Schneid, für eine Institution oder gar ein höheres Ideal auf Macht zu verzichten, besitzt so gut wie keiner von ihnen. Dann eher noch die Chuzpe, trotz dramatischer Verfehlungen gegenseitiges Verzeihen einzufordern oder für sich selbst Haftungsfreiheit zu reklamieren. Rechte für die einen, Pflichten für die anderen.
Konsequenterweise befassen sich die Faktenchecker bis auf wenige Ausnahmen daher auch nicht mit Politikern wie Karl Lauterbach, der Falschbehauptungen wie die von einer "nebenwirkungsfreien Impfung" verbreitete. Dagegen entsteht eher der Eindruck, sie stärkten ihm den Rücken.