Zeitlupe

Optoelektronik: Forscher verlangsamen Lichtimpuls auf Knopfdruck

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Eine rein optische Signalverarbeitung ist eine Vision der Optoelektronik. Inzwischen ist es möglich, einen Lichtpuls eine Sekunde lang in einem Festköper zu speichern oder auf die Geschwindigkeit eines Flugzeugs abzubremsen. Das ging bislang nur in recht engen Frequenzintervallen. Forscher haben nunmehr einen Kristall hergestellt, in dem sie die Ausbreitungsgeschwindigkeit infraroten Lichts breitbandig auf ein Dreihundertstel der Vakuumlichtgeschwindigkeit senken und dessen Geschwindigkeit regeln.

Amerikanische Wissenschaftler haben aus Silizium einen photonischen Kristall hergestellt, durch den sich ein infrarotes Lichtsignal mit einem Dreihundertstel der Vakuumlichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Mittels winziger Heizelemente einer Leistung von zwei Milliwatt regelten sie die Ausbreitungsgeschwindigkeit in extrem kurzen Zeitspannen von grob 100 ns; nach eigenen Angaben sind das die kürzesten je gemessenen Zeitspannen für thermootische Modulatoren.

Die photonischen Kristalle aus Silizium bilden ein Gitter mit einer Periodizität von 437 nm, der Radius der Löcher beträgt ein Viertel dieses Werts. Die Dicke beträgt 223 nm. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit lässt sich interferometrisch messen. Die Aufnahme stammt von einem Rasterelektronenmikroskop, die nachträgliche Einfärbung soll auf unterschiedliche Dotierungsgrade hinweisen. (Bild: Sharee J. McNab, IBM T.J. Watson Research Center, Yorktown Heights, Bundesstaat New York, USA)

Sie berichten ihre Ergebnisse in der Ausgabe vom 3. November 2005 der Zeitschrift Nature in Band 438 auf Seite 65. Potentielle technische Anwendungen sind Informations- und Nachrichtentechnik: das Zwischenspeichern von Bits und rein optisches Schalten.

Ein photonischer Kristall weist eine periodische Struktur auf, so dass er Lichtwellen bestimmter Frequenzen weginterferiert, wobei diese unterdrückten Frequenzen von der Periodenlänge des Kristalls abhängen. Somit ist ein photonischer Kristall für einige Frequenzbereiche lichtundurchlässig. In den Frequenzbereichen starker Absorption variiert der Brechungsindex drastisch. Seit über einem Jahrzehnt ist bekannt, wie sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in Materie auf niedrige Werte senken lässt.

Das gemessene Verhältnis (Kreise) aus der Vakuumlichtgeschwindigkeit und der Gruppengeschwindigkeit - das ist im wesentlichen die Signalgeschwindigkeit – steigt im einem 20-nm-Intervall um das Absorptionsmaximum einer Lichtwellenlänge von 1620 nm stark an. Zahlenwerte von Lichtwellenlängen beziehen sich grundsätzlich auf das Vakuum. Die gestrichelte Kurve ist eine theoretische. Die y-Achse ist logarithmisch skaliert. (Bild: Sharee J. McNab, IBM T.J. Watson Research Center, Yorktown Heights, Bundesstaat New York, USA)

Trivialerweise ist das Abbremsen mit einem beliebigen Dielektrikum möglich, die Phasengeschwindigkeit ist dann das Verhältnis aus Vakuumlichtgeschwindigkeit und Brechungsindex. Letzterer variiert mit der Frequenz des Lichts und ist im Wesentlichen die Quadratwurzel aus der relativen Dielektrizitätszahl. Entsprechend ist die Gruppengeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit, mit der sich der Schwerpunkt eines Wellenzugs ausbreitet, das Verhältnis aus Vakuumlichtgeschwindigkeit und Gruppengeschwindigkeitsindex.

Um diese Geschwindigkeit geht es in diesem Artikel. Streng genommen ist die Signalausbreitungsgeschwindigkeit die Frontgeschwindigkeit eines Wellenzugs, nicht seine Gruppengeschwindigkeit. Weiterhin ist das Abbremsen in stark dispergierenden Medien – in der Gasphase und im Festköper – nahe Absorptionsresonanzen möglich, Dispersion bedeutet hier Frequenzabhängigkeit des Brechungsindex.

Mittels winzigem Heizelement lässt sich innerhalb einer Zeitspanne von größenordnungsmäßig 100 ns das Verhältnis aus Vakuumlichtgeschwindigkeit und Gruppengeschwindigkeit- und einstellen. Die Heizleistung beträgt 0 (schwarz), 1,5 (magenta) und 2,0 mW (rot). Die Heizung erwärmt ein winziges Volumen von rund 400 Kubikmikrometern - daher die kurze Zeitspanne fürs Aufwärmen. (Bild: Sharee J. McNab, IBM T.J. Watson Research Center, Yorktown Heights, Bundesstaat New York, USA)

Bisherige Verfahren funktionierten jedoch nur in engen Frequenzbereichen der Absorptionsresonanzen, was einer technischen Anwendung im Wege stehen könnte, da Lichtfrequenz, Datenrate und Speicherkapazität begrenzt sind. Zudem erschweren hier externe Laser, Ultrahochvakuumbedingungen und tiefe Temperaturen das Miniaturisieren.

Eine Übersicht zum Thema steht in der Rubrik Forschung aktuell der aktuellen Ausgabe der c't, Nr. 23 (2005) auf Seite 44.