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"Zentrum Liberale Moderne": Obskure Finanzpraxis und fragwürdige Kontakte – Grüne unter Verdacht

Beck, Fücks, vermögend und gut gelaunt. Bild: libmod.de

Fragwürdige Finanzaktionen und politische Verstrickungen: Vetternwirtschaft bei Lobbyorganisation? Ein Whistleblower könnte die Verantwortlichen nun in Bedrängnis bringen.

Die grüne nahe Lobbyorganisation Zentrum Liberale Moderne (ZLM, Eigenschreibweise: LibMod) sieht sich erneut schweren Vorwürfen ausgesetzt. Der Journalist Friedrich Küppersbusch und sein Team des Youtube-Kanals Küppersbusch TV weisen auf Basis eigener Recherchen sowie Aussagen eines Whistleblowers auf fragwürdige Finanzaktionen [1] der grünennahen Organisation hin.

Der Journalist hatte die engen politischen und finanziellen Verbindungen zwischen dem ZLM und Ministerien schon früher thematisiert.

Sein jüngster Beitrag beleuchtet die finanziellen Verflechtungen des ZLM und kritisiert, dass die Organisation weiterhin trotz Geldüberschusses zu einem erheblichen Maße aus staatlichen Quellen finanziert wird – wohl auch über Kontakte zu Grünen-Kabinettsmitgliedern.

Dabei gebe es ernsthafte Fragen zur Transparenz und Unabhängigkeit der Organisation. Zu den Vorsitzenden Ralf Fücks und Marieluise Beck, die eine gemeinsame grüne Vergangenheit und ihre steuerliche Veranlagung als Ehepartner verbindet, sagt Küppersbusch:

Unsere gereiften Startupper gewannen schnell an Einfluss – und Geld. Schon zwei Jahre nach Gründung erhielt LibMod 300.000 Euro Förderung aus dem Bundespresseamt. Institutionell – also ohne ein bestimmtes Projekt. Das verblüfft – bei einer gemeinnützigen GmbH, die bereits in den ersten Geschäftsjahren stramme Bilanzgewinne ausweist. Finden die Haushälter des deutschen Bundestages auch – und erhöhen den institutionellen Zuschuss für LibMod ab 2021 auf eine halbe Million Euro pro Jahr. Aus Steuern. Solcherart gerüstet, übernimmt die kleine Meinungsmanufaktur auch gern Staatsaufträge.

Offensichtlich seien die Verflechtungen der Gründer, Marie-Louise Beck und Ralf Fücks – beides ehemalige Grünen-Politiker –, mit dem Wirtschaftsministerium unter Leitung des Grünen Robert Habeck. Der Verdacht der Vetternwirtschaft und möglicher Bevorzugung durch staatliche Stellen steht im Raum.

Und das "ohne Graichen", so Küppersbusch – in Anspielung auf den ehemaligen Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft. Patrick Graichen war im April dieses Jahres wegen Vorteilsgabe des Amtes gefeuert worden.

"Spätestens die Vetternwirtschaftsaffäre im genauso grünen Wirtschaftsministerium weckt den Argwohn der politischen Gegner. Denn – der Einfluss unserer beiden Gründer in vorderster Missionarsstellung – wächst", so Küppersbusch.

Im Bundestagswahlkampf 2021 hatte der grüne Kandidat Habeck mit einem Tabubruch aus der Ukraine von sich reden gemacht: Er trat in Widerspruch zu der damaligen Position seiner Partei für Waffenlieferungen an Kiew ein – so wie zuvor schon ganz vehement das Politehepaar Beck-Fücks.

Der Beitrag beschreibt auch die Beteiligung des ZLM an verschiedenen Projekten in der Ukraine, inklusive nicht öffentlicher Treffen mit Abgeordneten dieses Landes. Finanziert werden diese Aktivitäten auch durch das Auswärtige Amt unter Leitung von Parteifreundin Annalena Baerbock. Das wirft die Frage auf: Was ist daran gemeinnützig, was bezahlte Dienstleistung eines Politunternehmens?

Whistleblower aus den Reihen des Zentrums Liberale Moderne

Besonders brisant sind vor diesem Hintergrund die Enthüllungen eines ehemaligen Mitarbeiters der grünennahen gemeinnützigen GmbH. Der Mann hatte sich an die Redaktion von Küppersbusch TV gewandt.

Der Mann sei von Anfang an beim ZLM dabei gewesen und als gut vernetzter Experte für diplomatische Missionen, insbesondere in Osteuropa, an Bord geholt worden. Beck und Fücks hätten ihn als Gründungsmitglied für die Organisation gewonnen, da er die Hoffnung teilte, zur "Erneuerung der liberalen Demokratie" beizutragen und eine "Debattenplattform für Freigeister" zu schaffen. So schreibt er in einem Brief an die Gesellschafter.

Der anfängliche Enthusiasmus verflüchtigte sich rasch. Ein Grund dafür: Im zweiten Jahr nach der Gründung hatte der Mann ein eigenes Projekt zu "Wechselwirkungen zwischen antiliberalen und antisemitischen Akteuren" entwickelt – und sei von dem Führungspaar brüsk abgewiesen worden.

"Liberale Moderne": Wie ein autoritäres Familienunternehmen

Geführt werde die angeblich gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, so wird aus seinen Schilderungen deutlich, wie ein autoritäres Familienunternehmen.

Inzwischen ist der Mann aus der Organisation ausgetreten. Das liegt nicht nur an einem Protestbrief an die Gesellschafter, sondern auch an juristisch fragwürdigen Konstruktionen zur Finanzierung.

Der Whistleblower legte die Vereinsstruktur des ZLM offen, das nicht nur als gemeinnützige GmbH agiert, sondern auch eine Parallelfirma in Form einer Unternehmergesellschaft (UG) unterhält.

Diese Struktur werfe die Frage auf, meint Küppersbusch, ob die Gemeinnützigkeit des Vereins durch die finanzielle Unterstützung durch die UG beeinträchtigt wird. Denn die UG dient offenbar einzig dem Zweck, Spenden für das ZLM zu sammeln, ohne dass das transparent gemacht wird

Zuschüsse über verdeckte Unternehmergesellschaft

Zuschüsse der UG an die GmbH seien in den Bilanzen regelmäßig eingeplant gewesen und aufgetaucht, so der Mitbegründer des ZLM. Als er Auskunft über die Spender bei "LibMod" erbat, habe er eine abweisende Antwort erhalten: "Das Geschäft der UG gehe ein Mitglied der GmbH – nichts an."

Ähnlich schmallippig hatte sich Fücks auch in einem Interview mit dem Youtuber Thilo Jung [2] gegeben. Auf die Frage – und mehrfache Nachfragen – nach seinem Gehalt verweigerte er eine Antwort. Dies wurde später im Netz kritisch kommentiert.

Ministerien und Justizstellen sehen, bislang offenbar keinen Anlass, den fragwürdigen Geschäften von Beck und Fücks Einhalt zu gebieten. Dafür ist Küppersbusch selbst nach einer früheren Recherche zu der Lobbyorganisation ins Visier von Internet-Trollen geraten.

Eine Woche nach unserer Veröffentlichung war mein Wikipedia-Eintrag von anonymer Hand geändert worden. Dort war ich nun ein Gesinnungsgenosse des Putinknechts Gerhard Schröder und politisch zweifelhaft. Na endlich! Umsichtige Administratoren löschten das Pfund Hack, doch den Ton fand ich wieder im Artikel des LibMod-Mitarbeiters im Branchenmagazin Journalist. Die Kritik an der Staatsfinanzierung von LibMod brachte mir eine ehrenvolle Erwähnung zwischen RT Deutsch und allerhand üblen Gestalten.

Der von Küppersbusch erwähnte Mitarbeiter des Zentrums Liberale Moderne ist der ehemalige Tagesspiegel-Redakteur, Matthias Meisner. Er war maßgeblich verantwortlich für ein Projekt mit dem Namen Gegneranalyse, das sich selbst zur Aufgabe gemacht hatte, Medien, die von den Machern als "alternativ" angesehen werden, zu beobachten. Die Beurteilungen fielen durchweg negativ aus.

Autoren des umstrittenen Projektes "Gegneranalyse". Bild: LibMod/Screenshot

Auch Telepolis hatte damals das fragwürdige und in seiner Arbeit fehlerbehaftete Projekt kritisiert und dafür Fachautoren schreiben lassen. Sie kritisierten mehrere Irrtümer in den bezahlten Studien des "Gegneranalyse"-Projektes und bewerteten die bis damals erschienenen Papiere zu "Alternativmedien" als erkennbare politische Auftragsarbeiten.

Auch Telepolis aufs Korn genommen

Nach den Artikeln unserer Redaktion, für die wir auch den ehemaligen Tagesspiegel-Redakteur und das Zentrum Liberale Moderne befragten, wurde auch Telepolis aufs Korn genommen. Meisner schrieb im Journalist, in einem Leserkommentar im Telepolis-Forum seien "Morddrohungen gegen den Trierer Professor Linden" ausgesprochen worden – den Autor einer der umstrittenen Auftragsarbeiten des Zentrums Liberale Moderne.

Meisner bewirbt Meisner bewirbt Linden bewirbt Meisner, der Linden bewirbt.

Was der ehemalige Redakteur allerdings nicht hinreichend erwähnte: Die Forenmoderation der Heise Medien hatte den Kommentar unmittelbar nach seinem Hinweis gelöscht, während Meisner die justiziable Aussage weiterverbreitete, zunächst über soziale Medien, dann im Branchenmagazin.

Das lässt erahnen: Es ist ein politischer Kampf, der hinter den Kulissen von einer Seite geführt wird. Meisner hat inzwischen den Absprung beim Zentrum Liberale Moderne geschafft. Viele andere Politlobbyisten sind noch in Position.

Wikipedia-Artikel von Küppersbusch manipuliert

Elf Tage nach der ersten Sendung von Küppersbusch TV zum Zentrum Liberale Moderne führte ein anonymer Nutzer einen Absatz zur Küppersbuschs angeblicher Russlandnähe in dessen Wikipedia-Artikel ein.

Der anonym auftretender Internet-Troll nahm dazu Küppersbuschs Unterschrift unter einem Aufruf zur Beendigung des Ukraine-Krieges zum Anlass. Es gab eine kurze Diskussion, dann wurde dieser Absatz gelöscht.

Es war nicht der erste Diffamierungsversuch. Schon im April 2021 hatte ein Internettroll versucht, in Küppersbuschs Wikipedia-Artikel die Aussage einzuschmuggeln, der Journalist verbreite "fragwürdige Verschwörungstheorien". Es war sein bisher einziger Beitrag für die Online-Enzyklopädie. Auch dieser Versuch war schnell abgewehrt worden.

Wie problematisch ist Staatsgeld für Medienkritik?

Nun wird es natürlich spannend sein, wie die Debatte um die Lobbyorganisation der beiden ehemaligen Grünen-Politiker, des ehemaligen Tagesspiegel-Redakteurs als (inzwischen auch Ex-)Auftragsnehmer des Zentrums Liberale Moderne weitergeht.

Als "nicht unproblematisch" hatte der Medienjournalist René Martens gegenüber Meisner und dem "Journalist" die staatliche Finanzierung von Aufsätzen über Medien bezeichnet, die die Autoren in Übereinstimmung mit der Position ihrer Auftraggeber als "alternativ", also anrüchig einordnen. Dann aber die Exkulpation Martens':

Jene, die mit dem Verweis auf staatliche Gelder die Arbeit von Leuten, die über Verschwörungsideologien informieren, zu diskreditieren versuchen und ihnen vielleicht sogar implizit eine Obrigkeitshörigkeit unterstellen, sind ja in der Regel Personen, die autoritärere Verhältnisse herbeizuschreiben versuchen. Insofern hat diese Art von Kritik etwas von einem Treppenwitz.

Dieses Werturteil kommt freilich ohne Fakten über das Zentrum Liberale Moderne und seine fragwürdigen Finanzgeschäfte daher und watscht zugleich reichlich pauschal Kritiker staatlich finanzierter Lobbyarbeit ab: alles Demokratiefeinde!

Dabei könnte man es, so wie der Autor dieser Zeilen, genau andersherum sehen und die staatlich finanzierte Lobbyarbeit sowie Einflussnahme auf den Meinungsbildungsprozess als eine der wachsenden Gefahren für die Demokratie sehen.

Der andere Treppenwitz des Zentrums Liberale Moderne

Es gibt in der ganzen Geschichte einen anderen Treppenwitz. Es war Matthias Meisner, der noch vom Zentrum Liberale Moderne und also mit Steuergeldern bezahlt wurde, als das von ihm mitbetriebe Projekt Auftragsarbeiten über die Internetseite Nachdenkseiten bestellte.

Meisner, der die umstrittene Arbeit von Linden mehrfach in Artikel und Social-Media-Beiträgen bewarb, für ihre Bestellung sie aber nicht verantwortlich sein will, war damals zeitweise als Mitarbeiter des vierköpfigen Teams aufgeführt worden.

Der oben erwähnte Markus Linden kam darin wenig erstaunlich zu einem Ergebnis, das mit der Haltung der Lobbyorganisation und Meisners übereinstimmte. Das ist im Rahmen der freien politischen Meinungsbildung ja auch legitim. Als wissenschaftliche Bewertung aus diesem und anderen Gründen ist es aber nicht ernstzunehmen.

Meisner wendet sich an Finanzbehörden – und hat Erfolg. Bild: X/Screenshot

Einiger Zeit später schwärzte Meisner die Nachdenkseiten auf dem damals noch als Twitter bekannten Kurznachrichtendienst X beim Finanzamt Landau an und bewarb dort zugleich die Auftragsarbeit Lindens.

Die Landauer Beamten, ganz deutsche Beamte, verstanden den Wink mit den Tweets und erkannten dem Trägerverein der Nachdenkseiten die Gemeinnützigkeit ab. Warum, das haben Sie bis heute nicht öffentlich erklärt und berufen sich auf das Steuergeheimnis.

Gericht: Politische Beeinflussung "nicht förderbar"

Und nun zu dem finanzauskunftsunfreudigen Ralf Fücks. Nachdem jetzt bekannt geworden ist, dass er eine gewinnorientierte Struktur für seinen angeblich gemeinnützigen Verein mit inzwischen schon fast Millionenzuwendungen von Parteifreunden mit Zugriff auf Staatsgelder geschaffen hat, könnte es eng werden für den neugrünen Aufrüstungsprediger. Zumal der inzwischen ausgetretene Mitbegründer des "LibMod" mangelnden Pluralismus nachweisen könnte.

Doch politische Bildung, so stellte der Bundesfinanzhof 2019 klar, "vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen".

Die Sache könnte demnächst also eine ganz eigene, unerwartete Wendung nehmen.


Redaktionelle Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der ehemalige Tagesspiegel-Redakteur Matthias Meisner habe während seiner Tätigkeit für das Zentrum Liberale Moderne "Auftragsarbeiten über die Internetseite Nachdenkseiten bestellt", darunter den im Text erwähnten Aufsatz des Politologen Markus Linden. Herr Meisner wies uns darauf hin, dass entsprechende Arbeiten "nicht von mir in Auftrag gegeben worden" seien. Wir haben den entsprechenden Passus korrigiert.

Leicht geändert und ergänzt wurde auch der Absatz zu Tweets Meisners an das Finanzamt Landau und zu dem Aufsatz Lindens.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9584231

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.youtube.com/watch?v=4AjKPoM7GiQ
[2] https://www.youtube.com/watch?v=CcWPrphl29Q