Zentrum liberale Moderne: Ein neuer Fall von Klientelwirtschaft unter Grünen?
Grünes Familienministerium gewährte bei Förderung offenbar Sonderkonditionen für grünen Thinktank. Zweck: umstrittenes Projekt "Gegneranalyse". Das sind die Hintergründe.
Die Bundesregierung gibt viel Geld aus, um die Demokratie in Deutschland vor vermeintlichen und tatsächlichen Feinden zu schützen. Sie fördert dabei auch das umstrittene Projekt "Gegneranalyse" der Lobbyorganisation Zentrum Liberale Moderne (LibMod).
Seit Monaten ist dieses Projekt Gegenstand der Kritik. In diesem Zusammenhang wurde LibMod in Die Welt Aktivismus vorgeworfen, um mit staatlichen Geldern politische Gegner zu bekämpfen. Auch Telepolis hatte sich seit 2022 mehrmals mit Projekt und Lobbyorganisation befasst, zumal eine "Fallstudie" Zweifel an der wissenschaftlichen Arbeit aufkommen ließ.
Finanziert wird das Projekt "Gegneranalyse" seitens des Familienministeriums großzügig. Dieser Vorgang wirft Fragen auf, wie die Recherchen der Nachdenkseiten zeigen. Interne Dokumente zeigten demnach, dass das Projekt über das Bundesprogramms "Demokratie leben" finanziert wird, "obwohl grundlegende Anforderungen an die Projektfinanzierung nicht erfüllt waren". Für die Lobbyorganisation sei sogar extra eine Ausnahmeregelung erlassen worden, heißt es bei den Nachdenkseiten.
Inzwischen sind fünf "Fallstudien" veröffentlicht worden. Sie sollen "ein Licht auf die Schattenwelt der Internetplattformen" werfen, die sich angeblich "als Alternative zu den verachteten ‚Systemmedien‘ verstehen würden", erklärte LibMod-Chef Ralf Fücks im Dezember gegenüber Die Welt.
Ein Problem sieht Fücks darin, dass die sogenannten Alternativmedien ein wachsendes Gewicht in der politischen Meinungsbildung hätten. Für Millionen Menschen seien sie inzwischen sogar "die primäre oder sogar einzige Informationsquelle", und sie würden Misstrauen in die liberale Demokratie schüren.
In den ersten zwölf Monaten der Projektlaufzeit beschränkte sich die "Gegneranalyse" auf die Nachdenkseiten. Kurz vor Ende der Laufzeit folgten noch die Fallstudien zu Compact und Auf1. Zwei weitere Fallstudien erschienen erst vier Monate nach dem offiziellen Projektende, und sie behandelten Apolut und RT DE.
Die Kritik der ersten Fallstudie auf Telepolis fiel äußerst negativ aus. Studienautor Markus Linden hatte behauptet, die journalistischen Grundansprüche bei den Nachdenkseiten würden verfehlt. Aber weder belegte noch begründete er seine Behauptung.
Die Frage, ob sich die Qualität der späteren Studien verbessert hat, muss mangels ausführlicher Analyse an dieser Stelle offenbleiben. Dennoch lässt sich leicht feststellen, dass auch hier nicht immer sauber argumentiert wird.
Im April 2023 erschien etwa die Fallstudie zu Apolut. Verfasst wurde sie von Christina Helberg, die sich auf ihrer Internetseite als "freie Journalistin, Faktencheckerin und Trainerin für Recherche und Verifikation" ausweist.
Helberg schreibt in der Studie über den Autor Hermann Ploppa: "Er ist Autor unter anderem bei Rubikon, den Nachdenkseiten und Telepolis". Richtig ist allerdings: Ploppas letzter Text auf Telepolis erschien am 14. März 2020.
Eine solche Argumentation ist auch LibMod-Chef Ralf Fücks nicht fremd. Im Dezember 2022 behauptete er in Die Welt, der ehemalige taz-Journalist Mathias Bröckers schreibe inzwischen für Telepolis. Bröckers letzter Artikel erschien am 18. Januar 2021.
Helberg und Fücks geben etwas als aktuell aus, was Jahre zurückliegt – und das wirft ein negatives Licht auf Arbeitsweise des Zentrums Liberale Moderne.
Dem Familienministerium, das von der Grünen-Politikerin Lisa Paus geführt wird, ist die Arbeit des grünen Thinktanks offenbar aber so wertvoll, dass es bei der Förderung recht locker ist. Die Nachdenkseiten erheben deshalb nun den Vorwurf des Klientelismus.
Aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben" wurde das Projekt "Gegneranalyse" demnach fast vollumfänglich gefördert. Und dabei wurde offenbar von den eigenen Fördergrundsätzen abgewichen. Bei den Nachdenkseiten heißt es dazu:
Wirft man aber einen Blick auf den offiziellen und für verbindlich erklärten Finanzierungsplan für das Projekt "Gegneranalyse", dann fällt auf, dass die sechsstellige Zuwendung des Familienministeriums erfolgte, obwohl weder die geforderte "Teilfinanzierung" noch der ebenso "grundsätzlich" vorgeschriebene "Einsatz von Eigen- bzw. Drittmitteln in Höhe von mindestens 10 Prozent" vorlag.
Der beschlossene Finanzierungsplan und der im Bundesanzeiger veröffentliche LibMod-Jahresabschluss scheinen die Aussage zu stützen.
Auf Anfrage der Nachdenkseiten erklärte das Familienministerium dazu, dass LibMod keine Kofinanzierung erschließen konnte. Deshalb habe man eine Ausnahme gemacht. Und seitens der Lobbyorganisation sei lediglich erklärt worden: "Es waren keine Eigenmittel verfügbar". Weiter heißt es zu:
Halten wir fest: "Gegneranalyse" erfüllte weder buchhalterische noch inhaltliche Mindestanforderungen der Projektförderung bei "Demokratie leben!"– erhielt aber trotzdem den Zuschlag, dies zudem fast in Höhe der maximal zu vergebenden Fördersumme des Bundesprogramms.
Auch wenn sich der Vorwurf des Klientelismus damit nicht belegen lassen sollte, so wirft die Förderpraxis des Familienministeriums in diesem Fall zahlreiche Fragen auf.
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