Ziel in Sicht, aber noch nicht erreicht
Frauenbild und Frauenpräsenz in den Medien
Frauen spielen viele Rollen, große und kleine, gute und schlechte. Aber welche spielen sie in den Medien? Bekanntlich kommt den Medien, insbesondere den Massenmedien, heute eine größere Bedeutung denn je zu. Sie sind sowohl Teil als auch Spiegelbild der Gesellschaft, sind Ausdruck gesellschaftlichen Wandels und Antwort auf neu entstandene Kommunikationsbedürfnisse, und beide Funktionen beeinflussen sich gegenseitig. Das heißt auch, nahezu nichts, was Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse nehmen will, geht ohne die Medien. Zu den Ausschlag gebenden Kriterien zählt dabei der Faktor "öffentliche Aufmerksamkeit", denn er hat, so wird ihm nachgesagt, in unserer so genannten Wissensgesellschaft etwa die Stellung eingenommen, die in der Industriegesellschaft die Rohstoffe inne hatten. Über einen ideellen, politischen und erst recht über einen kommerziellen Erfolg bestimmt also ganz entscheidend die öffentliche Wahrnehmung.
Allein schon aufgrund dieser Tatsache kann es Frauen also kaum gleichgültig sein, wie sie in den Medien präsent sind. Und das im doppelten Sinn: zum einen hinsichtlich der passiven Präsenz, also wo, wann und wie häufig sie in den Medien erwähnt, gezeigt oder dargestellt werden, zum anderen hinsichtlich der aktiven Präsenz, also bei den Positionen, die sie im Medienbetrieb einnehmen. Bei der passiven Präsenz geht es um zwei Aspekte: 1. die Erwähnung in der aktuellen Berichterstattung, vor allem in Nachrichten, Reportagen und Dokumentationen und 2. das Frauenbild, das in fiktiven Sendeformaten (Film, Fernsehspiel, Serien, Werbung usw.) vermittelt wird.
Frauen in Nachrichten und Berichten - Das "Global Media Monitoring Project"
Für den Bereich der realen Berichterstattung gibt es seit 1995 international recht verlässliche Zahlen. Dies ist dem "Global Media Monitoring Project" (GMMP zu verdanken, einer weltweiten Untersuchung über die Frauenpräsenz in den Nachrichten von Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen. Die erste Untersuchung dieser Art, an der sich 52 Länder beteiligten, wurde 1995 von der kanadischen Organisation "Media Watch" aus Toronto durchgeführt. Im Jahr 2000 organisierte die Londoner "World Association for Christian Communication" (WACC in Zusammenarbeit mit der kanadischen Erin Research das Projekt, bei dem nun bereits 70 Länder mitmachten. Insgesamt wurden damals 50.853 Daten gesammelt. Die weltweite Datenerhebung des aktuellen GMMP 2005 hat Anfang dieses Jahres begonnen und soll im fünfjährigen Rhythmus fortgeführt werden.
In Deutschland wird die Aktion vom Journalistinnenbund unter der Ägide von Geschäftsführerin Marlies Hesse durchgeführt und koordiniert, wissenschaftlich begleitet von Jutta Röser, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Lüneburg. Der Stichtag der deutschen Untersuchung ist der 16. Februar 2005. Erste Erkenntnisse über den Trendverlauf sind Anfang März, die exakten Ergebnisse für Deutschland im April zu erwarten. Der weltweite GMMP-Bericht dürfte aber nicht vor Herbst vorliegen.
Was wird untersucht? An einem Stichtag jeweils im Februar wurden bzw. werden Zeitungen, Radio- und Fernsehnachrichten im Hinblick auf die Nennung und Darstellung von Frauen und Männern beobachtet und damit auf die quantitative und qualitative Frauenpräsenz in der Berichterstattung überprüft. In Deutschland, das mit den im Jahr 2000 insgesamt 3.146 gesammelten Daten den größten Beitrag lieferte, wurden 12 Zeitungen und mehr als vier Stunden Hörfunk und Fernsehnachrichten von ARD, ZDF und kommerziellen Sendern ausgewertet. Dieses Auswertungsschema gilt weiterhin.
Die Auswertung der letzten weltweiten Erhebung (2000) zeigte, dass
- Frauen nur zu 9 Prozent im Zentrum einer Nachricht standen, etwa als Politikerin oder Expertin, in Deutschland sogar nur zu 6 Prozent.
- Frauen nur zu 19 Prozent Nachrichtengegenstand waren gegenüber 81 Prozent bei den Männern, in Deutschland betrug das Verhältnis sogar nur 12 Prozent zu 88 Prozent
- bei Frauen mit 21 Prozent der Familienstatus wesentlich häufiger genannt wurde als bei Männern mit 5 Prozent.
- Frauen weltweit mit 21 Prozent am häufigsten in der Opferrolle präsentiert wurden, in Deutschland dagegen nur in 11Prozent.
Ein typisches Beispiel für diese Opferrollenzuweisung war der Bericht über eine Erdbebenkatastrophe. Während in dem Beitrag Frauen lediglich trauernd und von Männern gestützt zu sehen waren, wurden Männer als Retter und Experten gefilmt. Diese Rollenzuweisung ist weltweit tief verankert, jedoch eben keineswegs durchgängig gerechtfertigt. Auch dann nicht, wenn, wie in dem erwähnten Bericht, es sich um ein Erdbeben in einem vorderasiatischen Land handelte.
Ein Jahr nach dem GMMP 2000, also im Februar 2001, organisierte der Journalistinnenbund für Deutschland eine Folgeerhebung bei den Nachrichten von Printmedien, um zu prüfen, ob sich auf diesem Gebiet etwas verändert habe. Zur freudigen Überraschung der Beobachterinnen hatte die Erwähnung von Frauen in den Nachrichten tatsächlich eine Steigerung von 12 auf 18 Prozent erfahren. Allerdings war das wohl ausschließlich der Ernennung von zwei neuen Ministerinnen der Bundesregierung in diesem Zeitraum geschuldet. Danach blieb bis einschließlich 2004 bei den jährlich wiederholten Kontrollerhebungen des Journalistinnenbundes alles beim Alten. Der Frauenanteil lag weiterhin bei knapp unter 20 Prozent. Immerhin zeigt das deutlich, dass die Präsenz und Sichtbarkeit von Frauen in der Politik und anderen öffentlichen Bereichen unmittelbar mit der Sichtbarkeit in den Medien korreliert. Es darf also über die diesjährigen Zahlen noch spekuliert werden.
Das Frauenbild in Talkshows und fiktiven Sendeformaten
Bei diesen Sendeformaten gibt es bislang keine dem GMMP vergleichbaren umfassenden Untersuchungen bzw. Datenerhebungen und damit keine wirklich harten Zahlen. Doch auch wenn die vorhandenen themenrelevanten Studien und Berichte nicht landesweit repräsentativ sind, so vermitteln sie dennoch signifikante Trends bzw. Schlaglichter. Eine Studie der Universität Mainz beispielsweise, die Anfang 2004 abgeschlossen wurde, zeigte, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem in den Medien, vor allem dem im Fernsehen vorrangig präsentierten Frauenbild, nämlich dem superschlanken, jungen und schönen Frauentypus, und der Verbreitung von Essstörungen wie Bulimie und Magersucht besteht.
Danach wirken sich die im Fernsehen, vor allem die in Serien vermittelten Schönheitsideale verheerend auf viele Mädchen und junge Frauen aus. Sie werden von schweren Zweifeln am eigenen Aussehen und Selbstwert geplagt und erhöhen ihre Ansprüche an das eigene Äußere in einer krank machenden Spirale.
Ähnliche Beobachtungen schilderte Karl-Heinz Ruckgaber, der die psychosomatische Jugendstation an der Filderklinik in Filderstadt-Bonlanden leitet und ständig mit gestörten Jugendlichen und jungen Erwachsenen konfrontiert ist. "Für die jungen Leute gibt es mittlerweile einen unglaublich hohen sozialen Druck - die richtige Kleidung, das richtige Aussehen, die richtige Clique, das garantiert Liebe und Zuwendung - das propagieren die Medien." Besonders das Thema Beziehungen, so Ruckgaber sei jungen Leuten wichtig. Und genau hier vermitteln Fernsehserien und Daily Soaps ein Schönheitsideal, das viele junge Mädchen krank macht.
Medienforscher Jo Groebel, ehemals Leiter des Europäischen Medieninstitutes in Düsseldorf, sieht in der Auswahl "falscher Vorbilder" allerdings nicht in erster Linie ein Versagen der Medien, sondern mehr das der Gesellschaft, die täglich demonstriere, dass es nur ein einziges Kriterium des persönlichen Wertes gebe: die ökonomische Potenz. Und die werde auch mit gutem Aussehen verknüpft. Dieser Trend werde sich noch forcieren, glaubt Groebel, "denn der Markt nimmt und potenziert das, was sich als erfolgreich erwiesen hat." So erfolgreich, dass 63 Prozent der 13- bis 14-jährigen Mädchen laut einer anderen Umfrage nichts sehnlicher wünschen, als besser auszusehen.
Der Frauenanteil in den Medienberufen
Bezüglich der Berufstätigkeit von Frauen in den Medien liegen, wie für den gesamten Journalismusbereich, ebenfalls nur begrenzt gesicherte Daten vor. Es lassen sich vor allem deshalb keine exakten Angaben machen, weil die Berufsbezeichnung Journalist und Journalistin sowie das gesamte Berufsfeld nicht fest umrissen sind. Besonders die Freiberufler bewegen sich oft in Randgebieten und auf unterschiedlichen Berufsfeldern gleichzeitig. Hier bestehen große Lücken in der Kommunikationsforschung. Doch geht man allgemein davon aus, dass es derzeit rund 61.000 Medienschaffende in Deutschland gibt, von denen etwa 40 Prozent Frauen sind. Das entspricht ungefähr dem internationalen Durchschnitt.
Die Verteilung in den verschiedenen Mediensektoren und in den unterschiedlichen Altersklassen differiert allerdings erkennbar. Am stärksten vertreten sind Frauen mittlerweile im Fernsehen, gefolgt vom Hörfunk, in den Rundfunkanstalten liegt der Frauenanteil bei den Volontariaten bei etwa 65 Prozent. Die Printmedien folgen in dieser Beziehung erst an dritter Stelle. Allerdings hat sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren einiges getan.
Die veränderte Berufssituation zeigt sich sowohl beim generellen Frauenanteil in den Medienberufen als auch bei den Positionen, die Frauen einnehmen. In den 1960er und 1970er Jahren waren Frauen im Journalismus noch deutlich in der Minderheit, in leitenden Positionen waren sie so gut wie gar nicht zu finden. Ein legendäres Zitat der ehemaligen Brigitte-Autorin Hannelore Krollpfeiler macht immer wieder die Runde. Auf ihre Ende der 1960er Jahre mehrfach öffentlich geäußerte Frage, warum die Chefredaktionen von Frauenzeitschriften von Männern besetzt sind, erhielt sie Antworten wie diese: "Der Chef von "Unser Tier" (Tierzeitschrift) ist auch kein Dackel. Warum sollte also ein Frauenmagazin von einer Frau geleitet werden?" Das sieht inzwischen etwas anders aus. Zwar hat es noch immer kein Dackel zum Chefredakteur gebracht, eine Reihe von Frauen haben die Chefpositionen jedoch erobert.
In der Altersgruppe zwischen 20 und 34 Jahren dominieren die Frauen mittlerweile. Etwa ausgeglichen ist das Geschlechterverhältnis in der Gruppe der 35- bis 40jährigen. Ab der Altersgruppe 50 Jahre und älter sind eindeutig mehr Männer in den Redaktionen anzutreffen.
Hinsichtlich der Führungspositionen ist zwar auch ein Wandel eingetreten, dennoch sinkt hier, wie in anderen Branchen auch, der Frauenanteil gegenüber den unteren Dienstgraden rapide ab. Auch wenn Frauen zunehmend in leitende Funktionen, besonders beim Hörfunk, aufrücken, so dominieren in den Spitzenpositionen aber immer noch die Männer. Als Dagmar Reim am 24. März 2003 zur ersten und bisher einzigen Intendantin einer ARD-Anstalt (Radio Berlin-Brandenburg) gewählt wurde, kam das immer noch einer kleinen Sensation gleich.
Es wurden Fortschritte erzielt
Dies hat auch oder sogar vor allem etwas mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun. "Das Problem", so die Moderatorin Gabi Bauer im Jahr 2000, "sind die Machtstrukturen, die nach männlichen Vorstellungen strukturiert sind: Hierarchien, Arbeitszeiten, Arbeitsrhythmen." Und die Journalistin Beatrix Geisel äußerte schon 1989: "Es geht nicht darum, Frauen in führende Positionen zu hieven, es geht nicht nur darum, das von den Medien vermittelte Frauenbild zu verändern, sondern es geht darum, die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen so zu verändern, dass dieser Beruf nicht nur für Männer mit Familie und Kindern zu vereinbaren ist." Eine allgemein gültige Aussage, die nicht nur für den Medienbetrieb relevant ist.
Das Problem ist also grundsätzlich erkannt, und innerhalb der letzten 30 Jahre sind zweifelsohne Fortschritte erzielt worden. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe viel versprechender Ansätze, die ein weitere Entwicklung voranbringen wollen und können. Dazu zählen Aktionen wie beispielsweise der vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit in Kooperation mit mehreren Organisationen verliehene FrauenMedienPreis oder der jährlich ausgelobte Medienpreis der Zeitschrift Emma. Damit werden Medien-Produktionen ausgezeichnet, die ein differenziertes Frauenbild zeigen und deren Ziel es ist, eine realitätsnahe und komplexe Lebenswelt heutiger Frauen sichtbar zu machen.
Das bereits Erreichte spricht dafür, dass sich die Situation der Medien-Frauen langsam einer wirklichen Gleichstellung nähert. Davon sind auch die von Susan Kades anlässlich ihrer Magisterarbeit befragten Männer überzeugt. Susan Kades hat ihre Untersuchung in dem Buch Frauen dürfen alles fragen - Rundfunk-Journalistinnen in Wirtschaft und Politik (2004, Helmer-Verlag, München) veröffentlicht. Ob allerdings der Preis für die sich abzeichnende Entwicklung, dass nämlich gut ausgebildete Frauen zukünftig immer mehr auf Kinder zugunsten ihrer Karriere verzichten werden, tatsächlich sinnvoll, angemessen und vor allem unvermeidlich ist, bleibt abzuwarten.