Zukunft der Deutschen Bahn: Welche Folgen ihre Zerschlagung haben könnte

Seite 3: Vorbild Autobahn-GmbH

Apropos: Als Vorbild dient der Union erklärtermaßen die "Autobahn GmbH des Bundes", die seit Jahresanfang 2021 die bis dahin in Länderzuständigkeit befindliche Verwaltung der Bundesfernstraßen innehat. Planung, Bau und Erhalt obliegen damit einer zentralen Bundesbehörde, die bisher vor allem damit auffällt, Unsummen für Doppelstrukturen zu verpulvern, Rechnungen nicht zu begleichen, die Beschäftigten auszulaugen und mit dem Straßenbau gerade nicht voranzukommen.

Überdies beklagen Gegner des Konstrukts, nur deshalb installiert worden zu sein, um die Privatisierung des Straßenbaus – insbesondere in Gestalt überteuerter öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) – zu forcieren.

Die Idee dazu stammte von der sogenannten Fratzscher-Kommission, einem von Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bestellten Zirkel aus marktliberalen Ökonomen und Vertretern der Finanzbranche unter Vorsitz des Chefs des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Der Auftrag lautete seinerzeit, hochprofitable Anlagemöglichkeiten für von Niedrigzinsen gebeutelte Banken und Versicherungen "zur Stärkung von Investitionen in Deutschland" ausfindig zu machen.

Zustimmung durch GDL und Pro Bahn

Könnte das die Blaupause für die "InfraGO" sein? Die Lokführergewerkschaft GDL und der "Fahrgastverband Pro Bahn" hegen offenbar keinen Verdacht. Beide Verbände halten den Vorstoß der Union für begrüßenswert. Der Ansatz, mit einem Schnitt die Infrastruktur herauszutrennen und dafür Sorge zu tragen, dass diese stärker vom Bund geführt und kontrolliert werde, "ist richtig", befand GDL-Chef Claus Weselsky im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

Allerdings warnte er vor übertriebenen Hoffnungen. "Wir dürfen nicht ins Träumen geraten. Eine Verbesserung der Verhältnisse wird erst mit Milliardeninvestitionen aus Steuergeldern spürbar."

Detlef Neuß, Bundesvorsitzender von "Pro Bahn" sagte der Welt: "Dabei kommt es uns weniger darauf an, den Konzern DB AG zu zerschlagen, sondern darauf, sowohl das Netz als auch Station und Service in eine Gesellschaftsform zu überführen, die nicht gewinn-, sondern gemeinwohlorientiert arbeitet."

Eine Abfuhr gab es dagegen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Von "altem Wein in neuen Schläuchen", sprach am Sonntag Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell. Seit Jahren werde zu wenig in die Schiene investiert, dem lasse sich auch nicht mit der Zerschlagung der chronisch unterfinanzierten Bahn beikommen. Jahrelange Strukturdebatten drohten die bestehenden Probleme eher noch zu verschärfen, als sie im Sinne der Kunden zu lösen. "Es muss endlich massiv in die Schiene investiert werden, nur so gelingt der Umstieg auf die Schiene, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür sollte die Politik jetzt sorgen."

Wissing fährt auf Brummis ab

Ob Verkehrsminister Wissing dafür der richtige Mann ist? In der Vorwoche wurden Inhalte eines Berichts an den Verkehrsausschuss im Bundestag von vor Ostern publik, in dem sein Ministerium für eine Trennung von Klima- und Verlagerungszielen eintritt. Der bis dato unstrittige Ansatz, die gesteckten Klimaziele insbesondere durch eine großangelegte Übertragung des Personen- und Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu realisieren, hat für Wissing keine Gültigkeit mehr. Stattdessen müssten noch mehr Autobahnen gebaut und die Entwicklung von E-Lkw beschleunigt werden.

Eine komplett gemeinwohlorientierte Deutsche Bahn, wie sie sich "Bahn für Alle" wünscht, käme da natürlich ungelegen. Und so überrascht es auch nicht, dass Wissings Staatssekretär Michael Theurer (FDP) der Union die Hand reicht. Er verstehe den Vorschlag "als Gesprächsangebot, auch im Hinblick auf eine möglicherweise notwendige Zustimmung des Bundesrats". Ähnlich äußerte sich der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar: "Schön, dass die Union den massiven Handlungsbedarf bei der Bahninfrastruktur nach über einem Jahrzehnt CSU-Verkehrsminister endlich erkennt", sagte er.

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