Zukunft der Städte: Megaprojekte in Indonesien und Ägypten
- Zukunft der Städte: Megaprojekte in Indonesien und Ägypten
- Ägyptischer Futurismus: Elitäres Zentrum in der Wüste
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Zwei Planstädte vom Reißbrett: Die Megalopolis Jakarta gilt als überfüllt und schmutzig und vom Klimawandel gefährdet, sie soll bis 2045 ersetzt werden. Die "Neue Administrative Hauptstadt" in Ägypten soll 6,5 Millionen Menschen eine neue Heimat bieten.
"Ibu Kota Negara Nusantara" heißt die neue Hauptstadt Indonesiens offiziell, deren Errichtung an der Ostküste Kalimantans (dem indonesischen Teil von Borneo) gerade startet. "Nusantara" ist einerseits ein geopolitischer Begriff: Ursprünglich stand er für die das Königreich Majapahit, des letzten hinduistischen Großreichs in der Region, das zur Zeit seiner größten Ausdehnung im 14. Jahrhundert dem Staatsgebiet des modernen Indonesien bereits verblüffend ähnelte. Andererseits ist Nusantara ein kultureller Begriff, mit dem die malaiische Kultursphäre bezeichnet wird.
Damit ist der programmatische Charakter der Stadtgründung umrissen: Nusantara soll die offiziell multiethnische und multireligiöse Tradition des modernen Indonesiens (Pancasila) symbolträchtig fortsetzen.
Dafür steht auch der von dem in Bandung lebenden Künstler und Architekten Nyoman Nuarta entworfene Präsidentenpalast. Dessen Form ist an die des Garuda entlehnt, den mythischen Riesenvogel und Wappentier Indonesiens. Zudem wird die neue Hauptstadt weit näher am geographischen Zentrum der Inselgruppe liegen als heute die Hauptstadt Jakarta.
Doch es gibt auch dringende praktische Gründe für den Umzug in die grüne Hügellandschaft Kalimantans: Im Großraum Jakarta leben jetzt über 30 Millionen Menschen; die Megalopolis gilt als überfüllt, schmutzig und ist den steigenden Ansprüchen an die Infrastruktur nicht mehr wirklich gewachsen.
Zudem leidet der Großraum im Zuge der Klimaüberhitzung immer häufiger unter schweren Überschwemmungen. Dass die Landfläche, auf der Jakarta steht, jedes Jahr um 7 bis 14 Zentimeter absinkt, verschärft die Lage zusätzlich. Projekte wie große Flutkanäle oder gar die Eindeichung der gesamten Bucht helfen da nur bedingt weiter.
Also wird auf Kalimantan gebaut. Die erste Projektphase soll bereits 2024 beendet werden. Dann sollen eine halbe Million Menschen die neue Stadt bevölkern. Wenn die Stadt vom Reißbrett 2045, wie geplant, fertiggestellt sein wird, soll sie 1,9 Millionen Einwohner:innen Platz bieten. Die gesamte Planungsfläche beträgt über 2.500 Quadratkilometer. Zum Vergleich: Das Land Berlin umfasst etwas mehr als 890 km2.
Der Bau von Nusantara soll laut der nationalen Planungsbehörde bereits in der ersten Phase umgerechnet mindestens 35 Milliarden Euro kosten – dementsprechend schwierig gestaltet sich die Finanzierung. Nachdem die japanische SoftBank Gruppe sich zurückgezogen hat, scheinen die Vereinigten Arabischen Emirate in die Bresche springen zu wollen.
Abu Dhabi hat 20 Mrd. US-Dollar für den Bau eingestellt. Mitte des Jahres kontaktierten die indonesischen Verantwortlichen außerdem den britischen Ex-Premierminister Tony Blair in der Hoffnung, dass er weitere Investoren gewinnen kann. Auch an die ehemalige Kolonialmacht, die Niederlande, hat man sich gewandt. Urban+, eines der beteiligten Planungsbüros, bietet einige verlockende Grafiken.
Beim Bau sollen westliche Firmen ebenfalls helfen. So hat etwa Siemens angekündigt, Infrastrukturkomponenten zu liefern. Um diesen Abschluss einzufädeln, war der indonesische Minister für Energie und mineralische Ressourcen extra in München.
Die Idee einer neuen indonesischen Hauptstadt ist alt. Schon Soekarno, der erste Präsident nach der Unabhängigkeit, hatte mit der Idee geliebäugelt. Das jetzige Vorhaben hat der amtierenden Präsident Jokowi Widodo vorgeschlagen, nachdem er 2019 für eine zweite (und letzte) Amtszeit wiedergewählt worden war. Im Februar 2022 wurde der Bau der Planstadt schließlich offiziell gestartet.
Selbstverständlich wird auch Kritik laut: So sei die Planung "oberflächlich" und Kosten-Nutzen-Analysen stünden nicht zur Verfügung. In Brasilia etwa könne studiert werden, wie mangelhafte Planung, städtische Segregation perpetuiere und regional Ungleichgewichte.
Die Planungsfläche überlappe zudem mit den Besitzungen von über 160 Unternehmen – vor allem Steinkohlegruben und Holzplantagen für die Zellstoff- und Papierherstellung. Auch die Interessen der Anwohner:innen würden nicht berücksichtigt.