Zukunft des Journalismus: Gemeinnützig, oder nicht?
Causa Volksverpetzer rückt steuerliche Begünstigung von Journalismus in Fokus. Doch kann journalistische Arbeit gemeinnützig vermarktet werden? Ein Einwurf.
Nachdem der "Anti-Fake-News-Blog" Volksverpetzer öffentlich gemacht hat, dass ihm das Finanzamt die Gemeinnützigkeit entzogen habe, ist die Diskussion um steuerlich begünstigten Journalismus wieder auf der Tagesordnung.
Körperschaften wie Vereine oder gemeinnützige GmbHs, deren Tätigkeit nach § 52 Abgabenordnung "darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern" sind von der Körperschaftssteuer (15 Prozent des zu versteuernden Einkommens der juristischen Person) befreit.
Zudem können Spender ihre Geld- und Sachleistungen und sogar ihre ehrenamtliche Arbeit (soweit sie formal Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung hätten und auf diese verzichten) als Sonderausgaben von ihrem eigenen zu versteuernden Einkommen absetzen, müssen also auf diesen Betrag keine Einkommensteuer zahlen.
"Forum gemeinnütziger Journalismus" will die Gemeinnützigkeit
Journalismus ist bisher laut Abgabenordnung kein steuerlich zu begünstigendes Betätigungsfeld. Gleichwohl auch publizistisch tätige Organisationen realisieren ihre Gemeinnützigkeit daher über anerkennungsfähige Zwecke wie Bildung, Verbraucherschutz oder die Förderung der Wissenschaft.
Das "Forum gemeinnütziger Journalismus", zu dem u. a. Correctiv, Netzpolitik.org und der Deutsche Journalistenverband gehören, setzt sich für eine Erweiterung der Abgabenordnung ein. Das bisherige Problem beschreibt das Forum so:
Wer gegenwärtig ein gemeinnütziges Medienunternehmen gründen möchte, steht vor einem Experiment mit ungewissem Ausgang. Denn ob die zuständigen Finanzämter das journalistische Vorhaben als gemeinnützig anerkennen, liegt im Ermessen der Beamt*innen. Oft fehlt es in den Ämtern an Erfahrungswissen und Vorbildern. Für die Gründer*innen bedeutet dies eine enorme Rechtsunsicherheit, die als Hemmschuh im Gründungsprozess wirken kann. Und gerade bei regional- und lokaljournalistischen Initiativen lässt sich oft kein passender gemeinnütziger Zweck in der Abgabenordnung heranziehen. Immer wieder geben Gründer*innen auf. Aber selbst wenn die Gründung erfolgreich war, schwebt die mögliche Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei der jetzigen Rechtslage jederzeit als Damoklesschwert über den Projekten.
Forum gemeinnütziger Journalismus e.V.
Die finanzrechtliche Anerkennung von gemeinnützigem Journalismus wäre nach Ansicht dieses Forums keine Wettbewerbsverzerrung. Gegenüber privatwirtschaftlichen Medien wie Lokalzeitungen würde gemeinnütziger Journalismus stets nur "Nischenangebote" machen. Gemeint sind wohl solche, für die sich kein Geschäftsmodell in der freien Wirtschaft finden lässt.
Nur "Nischenangebote" gemeinnützig?
Gemeinnütziger Journalismus solle daher eine weitere Säule im Mediensystem werden als "Ergänzung zum privatwirtschaftlichen Journalismus und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk".
Es steht außer Frage, dass sich die Medienlandschaft weiter in einem Umbruch befindet und über lange Zeit lukrative Geschäftsfelder große Probleme haben. So geht die Zeitungsauflage kontinuierlich zurück, seit dem Jahr 2000 hat sie sich fast halbiert.
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Aber ob ein flächendeckender Erhalt etwa des Lokaljournalismus über steuerrechtlich geförderte Nischenprojekte möglich ist? Jedenfalls gibt es zahlreiche Alternativvorschläge, insbesondere zur direkten Subvention von Medienunternehmen oder der Distribution ihrer Produkte z.B. bei der Zeitungszustellung.
Dient der niedergelassene Hausarzt nicht auch dem Gemeinwohl?
Was die Forderung nach gemeinnützigem Journalismus angeht könnte es sich lohnen, einmal kritisch auf das steuerliche Fördermodell grundsätzlich zu schauen.
Auf den ersten Blick scheint das Ansinnen der Abgabenordnung geradezu logisch: Wer sich um das gesellschaftliche Wohl kümmert, sei es durch die eigene Vereinsarbeit oder durch Spenden für diese, soll dafür nicht noch Steuern zahlen müssen.
Doch die Gegenfrage muss lauten: Wer kümmert sich mit seiner gewerblichen Tätigkeit eigentlich nicht ums Gemeinwohl? Dient der niedergelassene Hausarzt nicht dem Gemeinwohl? Sorgen der kleine Handwerksbäcker und die große Brotfabrik nicht für eine essentielle Lebensgrundlage? So wie die Straßenbaufirma, der Pflasterhersteller oder die private Müllabfuhr?
Das Gewinnstreben entscheidet
Der entscheidende Unterschied zwischen kommerziellen und gemeinnützigen Unternehmen wird in ihrem Gewinnstreben gesehen. Wer gemeinnützig ist, muss seinen Gewinn dem satzungsgemäßen, gemeinwohlorientierten Zweck zuführen; wer privat wirtschaftet, darf den Gewinn (nach Steuer) für sich behalten. Gemeinnützige können aber im Rahmen ihrer Satzungsziele auch zunächst ihre Tätigkeiten ausweiten.
Für die Mitarbeit in beiden Unternehmensformen gelten zunächst dieselben Bedingungen: Angestellte bekommen ein Gehalt, sie arbeiten zumindest auch, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch gemeinnützige Vereine dürfen ihre Mitarbeiter branchenüblich bezahlen, Geschäftsführer und sogar hauptamtliche Vorstände haben.
Deshalb ist die begriffliche Unterscheidung in kommerzielle und nicht-kommerzielle Unternehmungen irreführend. Die Mitarbeiter etwa der 74 öffentlich-rechtlichen und der 295 privaten Radiosender in Deutschland dürften überwiegend dieselben kommerziellen Interessen verfolgen.
Erst bei der Verwendung des Gewinns unterscheiden sich sogenannte kommerzielle und gemeinnützige Unternehmungen.
Konkrete Abgrenzung diffizil
Doch längst nicht jede Firma ist in der Situation, ihren Eigentümern Gewinne auszuzahlen. Trotzdem kann ich meinem von Pleite bedrohten Installateur keine steuerbegünstigte Spende zukommen lassen oder seine Rechnung von meinem Einkommen abziehen - obwohl vielleicht ohne seinen (derzeit nicht hinreichend lukrativen) Betrieb das Gemeinwohl eher geschmälert als gemehrt würde.
Für die steuerliche Behandlung gemeinnütziger Organisationen ist noch zu beachten, dass sie eine "subventionsähnliche" Sonderstellung bedeutet. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung führte die "Steuerbegünstigung von Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher und gemeinnütziger Zwecke sowie von Zuwendungen an politische Parteien" im Jahr 2023 zu staatlichen Mindereinnahmen von rund zwei Milliarden Euro.
Mit anderen Worten: Jede als steuerbegünstigt angesehene Gemeinnützigkeit wird von allen Steuerzahlern gefördert - und das ist u.a. dank der Mehrwertsteuer jeder in diesem Land, vom Touristen bis zum Kind mit seinem Taschengeld.
Journalismus nicht das Einzige, das eine Gesellschaft braucht
So naheliegend es ist, Engagement fürs Gemeinwohl fördern oder zumindest nicht erschweren zu wollen, so diffizil wird es jedoch bei der konkreten Abgrenzung. Das Forum gemeinnütziger Journalismus schlägt für seinen Bereich vor:
Es wäre wünschenswert, wenn sich in diesem neuen Sektor eine Selbstorganisation entwickeln würde, die vergleichbar mit dem Deutschen Presserat Kriterien aufstellt, anhand derer die Standards im gemeinnützigen Journalismus festgelegt werden.
Doch wie sollte dies frei von Eigeninteressen der vom Gemeinnützigkeitsstatus Profitierenden geschehen? Was ist, wenn ein Anti-Fake-Aufklärer wie der Volksverpetzer selbst desinformiert? Wie viele Patzer darf man sich erlauben? Und ab wann kommen etablierte Medien, die alle Qualitätsstandards erfüllen, in den Genuss der Steuervergünstigung?
Wie sieht es mit all den anderen Bereichen aus? So wichtig er ist: Journalismus ist wahrlich nicht das Einzige, das eine Gesellschaft braucht.
Was sind Aufgaben, die nur die Gesellschaft als Ganzes erfüllen kann und muss?
Vielleicht sollte daher eher mal wieder ganz grundsätzlich über das Steuersystem nachgedacht werden. Was sind die Aufgaben, die nur die Gesellschaft als Ganzes erfüllen kann und erfüllen muss, was ist einem jedem selbst anheimgestellt? Wer soll in welchem Umfang für die Gemeinschaftsaufgaben zahlen (oder anderes leisten)?
Es geht wie immer um die Frage: Wer will was von wem, wofür, warum?