Zum Schmarotzen muss man die Konkurrenz nicht ausschalten
Stärlinge profitieren nicht nur von der Größe, wenn sie ihre Jungen von anderen Vögeln aufziehen lassen
In der Alten Welt ist der Kuckuck das Beispiel für den Brutschmarotzer: Der Heranwachsende sorgt für Platz, indem er die andere Brut aus dem Nest schmeißt. Die Stärlinge, insbesondere die in der Neuen Welt beheimateten Kuhstärlinge, schlagen einen anderen Weg ein. Sie werden zusammen mit den Wirtsnachkommen aufgezogen.
Häufig fehlt bei den Stärlingen eine feste Paarbindung. Die Weibchen der Glanzkuhstärlinge oder Seidenkuhvögel legen gar mehrere Eier in die Nester der verschiedenen Wirtsvögel. Während die Glanzkuhstärlinge noch anfangen, Nester zu bauen, bringen andere ihr Werk nie zur Vollendung und lassen die Eier im Zweifel irgendwo auf den Boden fallen.
Ganz anders verhält sich der Kuhvogel (Kuhstärling, Molothrus ater). Er geht ebenfalls keine feste Bindung ein, und das Weibchen verteilt seine Eier, nämlich bis zu 40 im Jahr, auf verschiedene Nester. Dabei ist sie nicht wählerisch, denn bis zu 100 Wirtsvogelarten sind im Laufe der Verbreitung gezählt worden. Die wichtigste Erfahrung: neben dem Kuhstärling (Brown-headed Cowbird) ziehen die Wirtsvögel noch ihre eigenen Jungen auf.
Für Rebecca Kilner und ihre Mitarbeiter ergibt sich daraus die Frage: Welche Kriterien bestimmen den Erfolg für den Brutschmarotzer? Ihre Antwort hat sie in Science vorgestellt. Die Forscher untersuchen 10 Nester, in denen nur der Kuhstärling aufgezogen wird, und weitere 10 Nester, die noch zwei und mehr Eier des Phoeben (Sayornis phoebe) enthalten.
In den Nestern, in der zusätzlich die eigene Brut des Phoeben aufgezogen wird, nimmt das Gewicht des Kuhstärlings im Mittel um 14 Prozent zu und damit mehr als in dem Nest, in dem er als einziger ernährt wird. Ferner stellt sich heraus, dass in diesen Nestern die Versorgung ungleich aufwendiger ist als in der Aufzucht von nur einem Kuhstärling. Am 4. und 8.Tag beobachten die Wissenschaftler nämlich 36 Fütterungen pro Stunde bei der kombinierten Brut im Gegensatz zu 14 Fütterungen pro Stunde bei der Aufzucht des Brutschmarotzers. Obgleich der junge Kuhstärling 55 Prozent der Futtermenge verschlingt, belastet er die anderen Vögel (Phoeben) nicht.
Nicht jeder macht es dem Kuckuck nach
Von den etwa 100 Vogelarten, die sich fremde Nester ausgucken, um ihre Brut aufziehen zu lassen, ähneln etwa 50 Arten dem Kuckuck und vernichten die Brut der Aufzieheltern. Demgegenüber hat sich eine gleich große Zahl von Brutschmarotzern auf eine Weise angepasst, die dem Nachwuchs der Leiheltern die Chance zum Überleben gibt. Dazu dient, dass der größere das Nest bereits verlassen kann, weil es ihm die Möglichkeit gibt, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen. Ferner erreicht der "Fremde" mit seinem großen Mund, dass die von den Leiheltern beigebrachten Futtermengen erheblich zunimmt und nicht nur seine, sondern auch die Versorgung seiner Mitgenossen sicherstellt. Diese Art der Aufzucht ist sicher "humaner" als die beherrschende Art des Kuckucks.
Der erhöhte Nahrungsbedarf erfordert bei den Leiheltern eine ungleich größere Anstrengung bei der Futterbeschaffung. Zusätzlich scheint der Kuhvogel das Mehr an Nahrung nicht nur zu verbrauchen, sondern auf die weiteren Jungvögeln zu übertragen.
Die Wissenschaftler sehen darin ein wichtiges Entscheidungsgefüge. Für die Eltern geht es um die Entwicklung der Nachkommen. Sie ist einerseits abhängig von der Zahl der Nachkommen und zum anderen der Fähigkeit, die Versorgung sicherzustellen. Für die Heranwachsenden ist entscheidend, dass die Versorgung ausreicht und nicht zwischen zu vielen Jungvögeln aufgeteilt werden muss. Im Falle des Kuckucks "gewinnt" der Eigennutz des Kuckucks. Beim Kuhstärling überwiegt die "Vernunft", weil in der Kombination, nämlich Kuhstärling und Phoeben, der eigentliche Gewinn liegt.
Die Frage ist, ob solche Ergebnisse zufällig ablaufen? Beim Kuhstärling wird beobachtet, dass die Weibchen entweder von einer hohen Position den Weidengrund betrachten oder im Wald die Nester von Vögeln ausmachen, indem sie diese vorsichtig und leise beobachten. Danach kann es allerdings sein, dass sie ein oder mehrere Eier entfernen oder gar essen. Womit die Mutter und nicht etwa der Heranwachsende die Zahl der begleitenden Eier bestimmt.