"Zumutung der reichen Länder"
Der "dänische Entwurf" sorgt auf dem Klimagipfel in Kopenhagen für einen Eklat
Der Vorschlag der Industrieländer, bekannt als "dänischer Entwurf", empört: Die Entwicklungsländer der Gruppe 77 und China sowie NGOs und Klimaaktivisten sind erbost über den Vorschlag. Sie werfen den Verfassern vor, das Klima für ökonomische Interessen bewusst aufs Spiel zu setzen.
Am Dienstagabend protestierten Vertreter afrikanischer Staaten in den Gängen des Bella-Center lauthals für mehr Klimagerechtigkeit: "Zwei Grad sind Selbstmord" und "Wir wollen ein gerechtes Abkommen." Sie sind empört über den so genannten "dänischen Entwurf", der mittlerweile in Verhandlungskreisen kursiert. Dieser stammt aus der Feder von Industrieländern wie Großbritannien, Dänemark und den USA. Darin werden den Entwicklungsländern abermals keine konkreten Angebote für einen Technologietransfer und einen finanziellen Ausgleich für Anpassungsmaßnahmen gemacht. Zudem wird am Zwei-Grad-Ziel festgehalten, das vor allem die afrikanischen Staaten nicht für ausreichend halten.
Der Sprecher der Gruppe 77 wendet sich noch am selben Abend an die Presse: Er ist empört. Lumumba Stanislaus Di-Aping vertritt 77 Entwicklungsländer aus Asien, Afrika und Lateinamerika. "Die Führer der großen Industrienationen riskieren aufgrund ökonomische Interessen das Scheitern von Kopenhagen", erklärt Di-Aping sehr ruhig, aber bestimmt. Die Gruppe hatte den ganzen Tag über ihr weiteres Vorgehen beraten und ihr Ergebnis ist eindeutig: Den kursierenden, so genannten "dänischen" Rohentwurf wird keines dieser Länder, inklusive China, auch nur diskutieren. Sie lehnen das Dokument als Zumutung der reichen Länder schlicht ab.
Neues Rahmenabkommen auf COP XX?
Der Text enthalte zudem die Botschaft, dass es ein verbindliches neuen Rahmenabkommen erst nach dem COP 15 geben soll. Tatsächlich steht unter Paragraph 31, dass dieses nicht später als auf dem "COP XX" beschlossen werden soll. Das sei ein Skandal, meint der G77- Sprecher. Was man brauche sei nicht ein neues Rahmenabkommen, sondern schlicht verbindliche Zusagen der Industrieländer. "Es ist sehr einfach: Die reichen Länder müssen ihre Emissionen reduzieren und zwar radikal."
Der Text sieht sogar eine langfristige Reduktion von Treibhausgasen von 80 Prozent bis 2050 für Industrieländer vor - global sogar nur 50 Prozent. Allerdings sind keine kurzfristigen Ziele genannt. Aber auch 80 Prozent reichen nicht aus, meint Di-Aping. Es müssten mindestens 100 Prozent sein - es gehe um eine Nullemissionsökomomie. Auch was die versprochenen Finanzhilfen und den Technologietransfer angehe, werde man nicht nachgeben. "Für 10 Milliarden Dollar kann man sich nichts kaufen", erklärt der Diplomat. Er verweist damit auf die Summe, die die Industrieländer jährlich in einem Anpassungsfonds bereit stellen wollen - dies war in den letzten Tagen bekannt geworden. Selbst die Weltbank rechnet aber mit einem Bedarf von mindestens 100 Milliarden pro Jahr. "Wir werden keinem Entwurf zustimmen, der unseren Bevölkerungen Leid bescheren wird." Angeblich ist in dem Entwurf zudem noch eine Soforthilfe von insgesamt 30 Milliarden Dollar enthalten, die in den nächsten zwei Jahren gezahlt werden sollen.
Auch ohne Technologietransfer gehe gar nichts: "Wenn die reichen Länder uns keine technische Unterstützung geben wollen, verlangen sie de facto, dass wir aufhören zu wachsen", so Di-Aping. Das würden Entwicklungsländer, die so sehr auf wirtschaftlichen Fortschritt angewiesen seien, nicht hinnehmen.
Di-Aping betonte aber auch, dass die G77 bis zum letzten Tag weiter verhandeln werden: "Wir können uns ein Scheitern in Kopenhagen einfach nicht leisten." Allerdings werde man solche Abkommen wie das dänische auf keinen Fall unterschreiben.
China will weiter wachsen
Auch die chinesische Delegation hatte sich schon am Nachmittag über den "dänischen Entwurf" mokiert. Sie wies Forderungen der EU und von den USA zurück, sich ambitioniertere Klimaziele zu setzen. Die Hauptverantwortung für den Klimawandel liege bei den Industrieländern. Deren Bemühungen seien aber nicht zufriedenstellend, so der stellvertretende Leiter der chinesischen Delegation, Su Wei. So seien die Ziele der USA viel zu niedrig. Die Chinesen bestehen auf ihr "Recht auf Wachstum", deshalb müssten sie bis 2030 auch noch mehr CO2 ausstoßen. China hatte aber schon im Vorfeld der Verhandlungen angekündigt, auch reduzieren zu wollen - allerdings nur relativ zum erwarteten Bruttoninlandsprodukt.
Auch Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam und das Climate Justice Action Netzwerk kritisierten den Vorstoß der Industrieländer aufs Schärfste. Mit diesem Entwurf wollten die Staaten des Nordens ihre ökonomische Position verteidigen, indem sie auf "CO2-Rassismus" setzten, so der Vorwurf des Climate Justice Action Netzwerk.