Zur Sicherheit der fünf zugelassenen Covid-19-Impfstoffe

Seite 4: Observed-versus-Expected (OvE)-Analysen ausgewählter unerwünschter Reaktionen

Das PEI analysiert die eingegangenen Verdachtsmeldungen im Hinblick auf neue Risikosignale. Neben der Einzelfallbewertung führt das PEI regelmäßig Observed-versus-Expected- (OvE)- Analysen durch (siehe S. 29 – 30 des Sicherheitsberichts). Ein Standardisiertes Morbiditätsverhältnis (Standardized Morbidity Ratio, SMR) mit einem unteren 95 Prozent-Konfidenzintervall von gleich bzw. größer als 1 weist auf ein Risikosignal hin, das allerdings durch zusätzliche Untersuchungen weiter analysiert werden muss. Es ergibt sich kein wesentlicher Unterschied zum vorhergehenden Sicherheitsbericht.7

Für Apoplex (Schlaganfall), Myokardinfarkt und Lungenembolie ergab sich für keinen der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe in der OvE-Analyse ein Risikosignal.

Die Zahl der Meldungen einer Sinus-/Hirnvenenthrombose war nach Vaxzevria in der OvE-Analyse signifikant höher als der Erwartungswert in den definierten Zeitintervallen, nicht aber für die anderen vier Impfstoffe.

Nach Vaxzevria und Jcovden weist die Analyse auf ein Risikosignal einer Immunthrombozytopenie (ITP)/Thrombozytopenie (erniedrigte Zahl der Blutplättchen mit der Gefahr der Blutung bei Unterschreiten sehr niedriger Werte) bei Erwachsenen hin. Immunthrombozytopenie ist eine in der Fachinformation beider Impfstoffe aufgeführte Nebenwirkung.

Für Comirnaty ist das SMR für eine Immunthrombozytopenie im Zeitfenster bis 14 Tage nach Impfung bei Erwachsenen signifikant erhöht, nicht jedoch im Abstand von 30 oder 42 Tagen nach Impfung. Wichtig ist hier anzumerken, dass in nicht interventionellen Studien in Schottland und Israel, deren Aussagekraft robuster als die OvE-Analyse ist, kein erhöhtes Risiko einer ITP bzw. Thrombozytopenie nach Comirnaty festgestellt wurde. Insofern ist derzeit nicht von einem validen Signal einer Thrombozytopenie/ ITP nach Comirnaty auszugehen.

Zusätzliche Auswertungen

Im Vergleich zum letzten Sicherheitsbericht8 wurden mit Daten bis zum 30.06.2022 weitere OvE-Analysen durchgeführt (siehe S. 20 ff.).

Das betrifft zunächst Verdachtsmeldungen verschiedenster Zyklusstörungen bei Frauen im gebärfähigen Alter nach Covid-19-Impfungen. Bei den Verdachtsfallmeldungen für diese Gesundheitsstörungen wurde kein Risikosignal festgestellt.

Weiterhin erhielt das PEI in den letzten Monaten zunehmend Verdachtsfallmeldungen über Gesundheitsstörungen in unterschiedlichem Abstand zur Covid-19-Impfung, die als Long-Covid-ähnliches, chronisches Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome /Myalgische Enzephalomyelitis, CFS/ME), posturalesTachykardiesyndrom (POTS) oder "Post-Vac" bezeichnet wurden.

"Post-Vac" stellt dabei keine definierte Bezeichnung einer Erkrankung dar. Der Begriff meint offenbar verschiedene Beschwerden, wie sie auch mit Long Covid in Verbindung gebracht werden. Häufig fehlen allerdings wichtige klinische Informationen, sodass die diagnostische Sicherheit oft nicht beurteilt werden kann.

Eine Recherche in der Nebenwirkungsbank des PEI lieferte kumulativ 472 Ereignisse mit diesen Diagnosen im Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19. Die Mehrzahl der Meldungen bezog sich auf Comirnaty, den in Deutschland am häufigsten verwendeten Impfstoff (Tab. 7, S. 24). Mehrheitlich erhielt das Paul-Ehrlich-Institut Meldungen von den betroffenen Patienten.

Derzeit kann angesichts der Spontanberichte auch im internationalen Kontext kein Signal für anhaltende, mit Müdigkeit einhergehende Beschwerden nach Covid-19-Impfung detektiert werden. Gleichwohl will das Paul-Ehrlich-Institut entsprechende Meldungen intensiv überwachen und versuchen, im Rahmen von weiteren Studien das Thema zu erforschen.

Krampfanfälle im Zusammenhang mit Impfungen gehören zu den Ereignissen von besonderem medizinischem Interesse (AESI), die für die Berichterstattung und Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen grundsätzlich als schwerwiegende Ereignisse nach Impfung eingestuft werden.

Dem PEI wurden nach Impfung mit einem Covid-19-Impfstoff bis zum 30.06.2022 insgesamt 1.169 Verdachtsfallmeldungen eines Krampfanfalls berichtet. Bei 146 dieser Fälle war eine andere vorliegende Erkrankung wahrscheinlich Auslöser des Anfalls, u. a. eine Sinus-/Hirnvenenthrombose, ein Hirninfarkt oder eine Enzephalitis.

Die Analyse ergab hier ebenfalls kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Krampfanfällen im Zusammenhang mit Impfungen gegen Covid-19. Untersuchungen an Patienten mit bekannter Epilepsie wiesen auf eine niedrige Anfallsrate und eine gute Verträglichkeit der Impfstoffe hin.