Zur "nachhaltigen Tabakkonsumeinschränkung" nicht geeignet
Der E-Zigaretten-Verband beklagt niedrige Nikotin-Obergrenzen in der neuen EU-Tabakprodukt-Richtlinie
Tabakrauchen ist eher ungesund. Darauf wies am Mittwoch der relativ frühe Tod des ehemaligen SPD-Fraktionschefs Peter Struck hin, der trotz zweier Herzinfarkte und eines Schlaganfalls nicht von seiner Pfeife und seinen Zigaretten Abschied nehmen wollte. Mit solchen in zahlreichen medizinischen Studien belegten Folgen rechtfertigt die EU-Kommission ihre gestern offiziell vorgestellte neue Tabakprodukt-Richtlinie.
Die sieht unter anderem vor, dass auf drei Vierteln der Vorderseite und auf der Hälfte der Rückseite von Zigarettenschachteln pschyrembelwürdige Ekelfotos abgedruckt werden müssen, die potenzielle Raucher durch Konfrontation mit den gesundheitlichen Folgen abschrecken und bereits an Tabak gewöhnte zur Aufgabe ihrer Gewohnheit bewegen soll. Darüber hinaus soll der Verkauf von Zigaretten mit Geschmackszusätzen wie Menthol zukünftig nicht mehr erlaubt sein.
Beim Deutschen Zigarettenverband (DZV) kritisiert man an der Richtlinie nicht nur die "Verringerung der Auswahl für den Verbraucher", sondern vor allem die Möglichkeiten, die sich die Kommission in ihr für "weitere Verschärfungen ohne demokratische Kontrolle" gibt, bei denen die Parlamente in Straßburg und in den Mitgliedsstaaten außen vor bleiben sollen.
Auch beim Verband des E-Zigaretten-Handels (VdeH) und bei der E-Cigarette Associations Alliance (ECAA) ist man nicht zufrieden: Für die beiden Lobbyorganisationen bemängelte der Doppelvorsitzende Dac Sprengel gestern "dringender Änderungsbedarf", die bei 4 mg Nikotin pro Milliliter angesetzte Nikotin-Obergrenze für E-Zigaretten führe dazu, dass viele Raucher lieber beim deutlich gesundheitsgefährdenderen Tabak bleiben. Sprengel will deshalb auf eine Erhöhung dieses Grenzwerts hinwirken.
Einen Fortschritt sieht er darin, dass Generalverbotsversuchen deutscher Behörden und Politiker mit der europaweit konkret festgelegten Nikotin-Höchstgrenze und der Verpflichtung zu Warnhinweisen (die die meisten deutschen Anbieter ohnehin bereits angebracht hätten) eine Grundlage entzogen werde.
Vor einem Jahr hatte Barbara Steffens, die nordrhein-westfälische Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, öffentlich verlautbart, dass keine der derzeit erhältlichen nikotinhaltigen Befüllkartuschen für E-Zigaretten behördlich zugelassen seien. Solch eine Zulassung wäre der Ansicht der Grünen-Politikerin nach aber notwendig, weil E-Zigaretten-Liquids (anders als Tabakprodukte) unter das Arzneimittelschutzgesetz fallen würden. Dies wiederum sei deshalb der Fall, weil sie Raucher nicht nur als gesündere Alternative, sondern auch zur Entwöhnung von Tabak nutzen würden.
Die Städte Mülheim, Essen und Oberhausen schlossen sich dieser Meinung an. Mülheim forderte Händler in seinem Stadtgebiet auf, den Verkauf umgehend einzustellen, weil man "gemeldete Verstöße […] überprüfen" und anschließend nicht nur "ordnungsrechtliche Maßnahmen einleiten", sondern auch die Staatsanwaltschaft informieren werde. Ohne Zulassung sei der Verkauf von Liquids nämlich eine Straftat, die bis zu einem Jahr Gefängnis nach sich ziehen könne.
Allerdings kamen das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht Münster in den Monaten darauf zu dem Ergebnis, dass die vom Ministerium geäußerte Rechtsmeinung nicht zutrifft, weil E-Zigaretten keine Arznei-, sondern bloße Genussmittel sind.
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