Zurück ins Büro: Der Homeoffice-Boom ist vorbei
Die Corona-Pandemie führte zu einer Homeoffice-Revolution. Doch immer mehr Firmen holen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro. Was die Beschäftigten jetzt wissen sollten.
Die Meldungen häufen sich: Unternehmen rufen Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurück. „Die VW-Spitze holt ihre Führungskräfte zurück ins Büro. Statt nur an einem Tag pro Woche sollen Mitarbeiter im Management wieder viermal pro Woche an ihren Arbeitsplatz kommen“, berichtet die FAZ.
Der Versandriese Otto plant ab Januar 2025 eine Testphase mit einer Präsenzpflicht von 50 Prozent. Auch im Bankensektor gibt es Veränderungen. „Die Deutsche Bank hat sich mit ihrem Gesamtbetriebsrat auf neue Regeln für das Homeoffice geeinigt, erfuhr das Handelsblatt aus Finanzkreisen. Sie sollen ab 2025 gelten und schränken die Möglichkeiten, außerhalb des Büros zu arbeiten, deutlich ein“, berichtet das Handelsblatt.
Aus welchen Gründen schränken Unternehmen das Arbeiten von zu Hause aus ein? „Krisen erfordern Agilität und Innovation“, argumentiert Sebastian Holtkemper, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters itesys.
Agile Steuerung erfordert Präsenz
Durch neue Technologien sind viele Arbeitsprozesse heute nicht mehr durch eine zentral durchdachte Steuerung regelbar. An die Stelle bisher klarer Anweisungen für einzelne Arbeitsabläufe oder Genehmigungsverfahren beim direkten Vorgesetzten tritt ein neues Führungskonzept: Agiles Arbeiten erfordert eine kontinuierliche Abstimmung mit regelmäßigen Stand-up-Meetings, auch kurzfristig.
Dies ist nach Einschätzung vieler Personaler effizienter in Präsenz möglich. „Otto ist kein Remote-Only-Unternehmen. Sozialer Kitt und eine emotionale Identifikation mit dem Unternehmen wurden und werden durch Zusammenarbeit in Präsenz maßgeblich positiv beeinflusst“, erklärt eine Unternehmenssprecherin von Otto.
Das Prinzip der „agilen Steuerung“ ist in vielen Unternehmen bestimmend. „Scrum“ ist ein Beispiel für agiles Arbeiten. Ein wichtiger Aspekt ist die gemeinsame Planung der Arbeitsaufgaben im Team. Die Gruppen, die Scrum-Teams, sollten in der Regel nicht mehr als zehn Personen umfassen, damit die Kommunikation einfach und direkt bleibt. Es gibt keinen vorgegebenen Weg, keine Beschreibung einzelner Projektschritte im Vorfeld. Vielmehr soll sich das Team selbst organisieren.
Für den ersten „Zwischenschritt“, den „Sprint“, stehen 30 Tage zur Verfügung. Der Scrum Master ist der Scrum Manager. Er coacht das Team in den wesentlichen Scrum-Methoden und versucht, die Organisationskultur des Unternehmens mit der Arbeit des Scrum-Teams in Einklang zu bringen. Er gibt aber keine Arbeitsanweisungen an die einzelnen Teammitglieder. Er bewertet sie nicht und hat auch keine disziplinarischen Möglichkeiten.
Oliver Stettes vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sagt, es gehe bei der Arbeit nicht nur um die individuelle Leistung. Typischerweise werde in Unternehmen mit anderen zusammengearbeitet. Und Kooperation entstehe erst durch die Begegnung mit Menschen.
Risiken des Homeoffice: Arbeiten ohne Grenzen
Aus Sicht der Beschäftigten birgt das Arbeiten von zu Hause jedoch auch Risiken. Mobiles Arbeiten verstärkt die Tendenz der Unternehmen, Arbeitszeiten in die Freizeit auszudehnen. Nach einem Bericht der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) ist der Anteil psychisch bedingter Krankschreibungen hoch.
Die Krankheitstage aufgrund psychischer Störungen sind in den vergangenen zehn Jahren um mehr als das Zweieinhalbfache gestiegen. Nach Rücken- und Atemwegserkrankungen sind psychische Erkrankungen die dritthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit.
Mobiles Arbeiten macht Beschäftigte müder. Zu diesem Ergebnis kommt eine Langzeitstudie der Schweizer Universität St. Gallen und der Barmer Krankenkasse, die die Auswirkungen von hybrider Arbeit untersucht hat. Unter hybrider Arbeit versteht man den Wechsel zwischen Präsenzarbeit und Heimarbeit.
„Hybrides Arbeiten hat Vor- und Nachteile“, erklärt Barmer-Chef Christoph Straub. „Es steigert die Flexibilität, lässt aber auch Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und kann zu Stress und Erschöpfung führen.“ Wichtig im Homeoffice ist laut Studie ein aktives Grenzmanagement, um sich vor Leistungseinbußen durch Konflikte zwischen Familie und Beruf zu schützen.
Allerdings beklagen Beschäftigte häufig, auch in der Freizeit für berufliche Belange erreichbar sein zu müssen. Die ständige Erreichbarkeit ist häufig mit einem Gefühl der Unkontrollierbarkeit verbunden. Viele Betroffene haben die Erwartung, jederzeit kontaktiert zu werden. Damit geht eine hohe psychische Belastung einher, Entspannung in der Freizeit wird immer schwieriger.
Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Firma abends anruft – allein das Bewusstsein, dass es passieren könnte, versetzt die Beschäftigten in einen unruhigen Zustand. Viele unterschätzen die Auswirkungen – die Risiken der Telearbeit werden leicht übersehen.