Zwischen Dämon und Grobian
"Bound by Flame" von Focus Home Interactive für PS3, PS4, Xbox 360 und PC
Focus Home Interactive bringt mit Bound by Flame ein ambitioniertes Action-Rollenspiel für Konsolen und PC, das spannende Kämpfe und eine interessante Story verspricht. Für PS4-Besitzer ist es das erste große Rollenspiel auf Sonys jüngster Konsole.
Der Kampf Gut gegen Böse scheint bereits verloren. Der Söldner Vulcan, in dessen Haut der Spieler schlüpft, stellt sich der Schlacht gegen die Mächte des Eis und unzähligen Untoten. In einem Kampf gegen einen riesigen Gegner zeigt ihm der Dämon des Feuers einen Ausweg: Mit den Dämonenkräften wächst er über sich hinaus und schlägt den übermächtigen Feind. Aber was ist der Preis? Soll Vulcan die Kräfte nutzen oder sich dem inneren Dämon widersetzen.
Die düstere Rahmenhandlung ähnelt anderen westlichen Action-Rollenspiele wie Bethesdas Skyrim (vgl. Sturzflug in die Fantasiewelt), The Witcher von CD Projekt Red und Biowares Dragon Age (vgl. Drachen-Parallelwelt). Die Story ist eigentlich interessant gestaltet und überlässt dem Spieler Entscheidungen, die den Ausgang bestimmen.
Leider schwächelt die Erzählung in den Details. "Bound by Flame" erzählt eine interessante Geschichte mit schlechten Mitteln. Die Dialoge sind unausgegoren bis peinlich. Sprachlich bewegt sich das Game selten über dem Niveau pubertierender Jungs. Vor allem der Protagonist pöbelt immer wieder seine Gesprächspartner an.
Spielerisch sind die ersten Kämpfe eine gute Einführung in die Mechanik. Nach und nach darf der Gamer die unterschiedlichen Basiswaffen testen. Er kann jederzeit zwischen schnellen Angriffen mit zwei Dolchen und dem langsameren Kampf mit dem Langschwert wechseln, das sich zum Blocken gegnerischer Attacken eignet. Nach dem ersten Kontakt mit dem Dämon darf Vulcan zudem Feuerzauber einsetzen.
Der unaufmerksame Spieler merkt schnell, dass er jeden Gegner ernst nehmen muss. Ein klappriges Skelett raubt mit jedem Treffer einen guten Teil der Lebensenergie. Wer sich unvorbereitet auf mehrere Feinde stürzt, erlebt bald das erste Game Over. "Bound by Flame" ist allerdings bei weitem nicht so gnadenlos wie Namcos Dark Souls 2, in dem das Ableben zum Konzept gehört und den Spieler noch zusätzlich durch das Verringern der maximalen Lebensenergie beim Wiederbeleben bestraft.
Die ersten Kämpfe sind fordernd, aber fair. So besiegt Vulcan beispielsweise eine Dreiergruppe, indem er zunächst den schwachen, aber im Hintergrund gefährlichen Fernkämpfer mit drei Dolchhieben ausschaltet, sich danach einem starken Geist widmet, bevor er sich den langsamen, gut gepanzerten Schwertkämpfer, vornimmt.
Leider gerät die Balance der Herausforderung auf Dauer in Schieflage. Nahezu alle Gegner haben leicht erkennbare Attacken, die Vulcan entweder mit seinem Schwert pariert oder denen er ausweicht, um dann einen Konter zu starten. Einzelne Angreifer stellen damit bald kein Problem dar. Sobald aber mehrere Gegner auf engem Raum zusammen kommen, wird das Geschehen zu chaotisch. Erschwerend kommt hinzu, dass es lediglich ein Ausweichmanöver nach hinten gibt, seitliche Rollen oder Sprünge haben die Entwickler nicht vorgesehen.
Kurz nach dem Prolog darf sich der Spieler einen Mitstreiter auswählen und erkundet zunächst wahlweise mit einem Bogenschützen oder einer Magierin die Umgebung. Die Gefährten agieren selbsttätig aufgrund von Basisvorgaben wie "bevorzuge Fernangriffe" oder "konzentriere dich auf Heilzauber".
Der größte Nutzen der Mitstreiter liegt jedoch darin, dass sie bei größeren Gegnergruppen ein paar Feinde beschäftigen, bevor sie selbst zu Boden gehen. Die Magierin konzentriert sich beispielsweise bei entsprechender Einstellung tatsächlich auf Fernangriffe, ignoriert dabei aber die Gegner, die ihr von den Seiten die Lebensenergie rauben, bis sie zu Boden geht. Diese Zeit kann und sollte der Spieler nutzen, die Angreifer seinerseits von hinten auszuschalten. Sobald keine Gegner mehr in Reichweite sind, steht die Magierin von selbst wieder auf. Ein Wiederbelebungszauber oder Trank ist dafür nicht nötig.
Zur Not darf der Spieler auch pfuschen, indem er sich aus dem Kampfgebiet zurückzieht. Der gestorbene Gefährte erscheint nach kurzer Zeit wieder neben ihm, besiegte Gegner bleiben verschwunden. Auf Dauer machen die anfänglich packenden Kämpfe daher keinen Spaß, weil unorthodoxes Vorgehen erfolgreicher ist als Strategie und Geschicklichkeit.
Die Charakterentwicklung hat das Entwicklerstudio Spiders recht gut umgesetzt. Der Spieler darf Vulcan der bevorzugten Spielweise anpassen. Es gibt je einen Fertigkeitenbaum für die drei Grundangriffe Großschwert, Dolche und Feuermagie. Zusätzliche Bonusfähigkeiten muss der Spieler zunächst freischalten: Beispielsweise darf er die Wirksamkeit von Fallen erst dann verstärken, wenn er eine bestimmte Anzahl von ihnen in Kämpfen gelegt hat.
Ebenfalls gelungen ist das genretypische Sammeln und Herstellen von Gegenständen: Besiegte Monster hinterlassen Rohstoffe, weitere findet Vulcan beim Erkunden der Umgebung. Daraus stellt er nützliche Hilfsmittel wie Armbrustbolzen, Heiltränke und Fallen her. Auch kann er seine Waffen und Rüstungen auf diese Weise verbessern.
Das Schlüsselelement, das "Bound by Flame" einzigartig machen soll, ist das Einschlagen des menschlichen oder des dämonischen Pfades. Die Entscheidungen zugunsten des Dämons wirken sich auf Vulcans Eigenschaften aus: Seine Magie wird mächtiger, aber das Feuerwesen ist anfälliger für eisige Angriffe. Dass sich das Aussehen ändert, hat auch praktische Folgen: Die wachsenden Hörner bedeuten, dass der Protagonist fortan auf Helme verzichten muss.
Leider trifft der Spieler die Entscheidung über den Tugendpfad bewusst in wenigen Dialogen. Spannender wäre es, wenn beispielsweise mächtige Feuerzauber den Helden aus misslichen Situationen entkommen ließen, ihm aber gleichzeitig die Menschlichkeit raubten und ins Dämonische trieben. Die Verwandlung ist für den Ausgang der Story wichtig, hat aber spielerisch fast weniger Auswirkung als die Verwandlung zum Vampir oder Werwolf in den "Elder Scrolls"-Games - und das ist dort jeweils nur ein Nebenschauplatz.
Auch bei anderen Entscheidungen sind dem Spieler die Hände gebunden: Unterschiedliche Antworten in den Dialogen können gelegentlich Freundschaften oder Romanzen verstärken oder blockieren, aber stets recht oberflächlich und ohne den Gamer wirklich vor große moralische Entscheidungen zu stellen. Die flach ausgearbeiteten Figuren sind ohnehin nicht liebens- oder hassenswert. Zudem sorgen die pubertären Texte dafür, dass der Spieler sich immer wieder für seinen Charakter fremdschämt, wenn dieser einer anderen Figur eine unflätige Bemerkung ins Gesicht wirft. Die moralische Hürde sich für den Pfad des Dämons zu entscheiden, liegt niedrig, wenn der "gute" Pfad der des Grobians ist.
Mit einer Spielzeit von vielleicht 15 bis 20 Stunden ist "Bound by Flame" für ein Rollenspiel recht kurz, was aber durchaus verschmerzbar ist - zumal die Story weitgehend zügig voran geht und die Entwickler auf unnötiges Füllmaterial verzichten.
Visuell enttäuscht die getestete PS4-Version, die deutlich unter den Möglichkeiten der Konsole bleibt und zusätzlich immer wieder ruckelt. Der Soundtrack ist dagegen sehr gut gelungen.
Unter dem Strich ist "Bound by Flame" ein Opfer seiner eigenen Ambitionen. Die Entwickler haben versucht ein packendes Rollenspiel mit anspruchsvollen Kämpfen und einer dramatischen Geschichte zu kombinieren, das zudem noch dem Spieler die moralische Entscheidung über Gut oder Böse lässt. Leider schwächelt die die Umsetzung an zu vielen Ecken. Die Geschichte verliert durch die schlechte bis peinliche Sprache der Texte an Schwung. Die Kämpfe haben eine unausgewogene Balance, die Mitstreiter sind Beiwerk ohne nennenswerten Nutzen.
Die spielerische Charakterentwicklung ist gelungen, aber die inhaltliche überhaupt nicht. Weder Vulcan noch seine Gefährten haben eine interessante Persönlichkeit. Seinen spannendsten Aspekt verkauft "Bound by Flame" unter Wert: Die moralische Entscheidung zwischen Mensch und Dämon hätten die Entwickler besser ins Spielgeschehen einbinden müssen.
Trotz aller Kritikpunkte macht "Bound of Flame" eine Weile Spaß. Wer die Wartezeit auf "Dragon Age: Inquisition" und "The Witcher 3: Wild Hunt" überbrücken will, darf ihm eine Chance geben. Auf der PS4 ist es derzeit das einzige westliche Action-Rollenspiel, fühlt sich allerdings auch auf Next-Gen eher nach PS3 an.
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