Zynismus und Science Fiction

Vom Elend liberaler Klimapolitik

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Die Covid-19-Pandemie hat die Klimapolitik jäh aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. Doch das Thema ist weiterhin brisant, wie aktuell das Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung zeigt. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Debatte um die Klimapolitik mit der Zeit wieder an Fahrt aufnehmen wird. In dieser Debatte hat die FDP zuletzt eine schlechte Figur abgegeben. Hierfür gibt es Gründe, die tiefer liegen, als Klientelpolitik. Diese sind auch im Wirtschaftsliberalismus Hayekscher Prägung zu finden, der eine wichtige ideelle Grundlage der FDP bildet.

So versucht sich die Partei auch in der Klimapolitik als eine Kraft der Vernunft zu präsentierten. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung will ihr das bisher nicht gelingen. An die ungeschickte Kommunikation einiger Mitglieder der Parteispitze einschließlich des Parteivorsitzenden Christian "Profi" Lindner im vergangenen Jahr, sei an dieser Stelle nur erinnert. Als Beispiele für kritische Beiträge zur Klimapolitik der FDP kann verwiesen werden auf: "Die Liberalen verstehen die Welt nicht mehr" von Petra Pinzler bei zeit.de und den Kommentar anlässlich des Dreikönigstreffens 2020 von Alfred Schmit in der Tagesschau.

In der Partei weiß man um die eigenen Schwächen im Hinblick auf die Umwelt- und Klimapolitik nicht erst seit den Fehlern in der Diskussion um und mit Fridays for Future. So stellt Horst Meierhofer, ehemals Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Gewässerschutz, Umweltplanung und Entsorgungswirtschaft, bereits im Jahr 2009 fest:

Die FDP ist gemeinhin nicht die Partei, die in der Öffentlichkeit als Anwalt der Umwelt wahrgenommen wird. Unter der starken Betonung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Kompetenz der Partei haben andere Politikfelder gelitten. Dies gilt in besonderem Maße für die Umweltpolitik.

Horst Meierhofer

In einem aktuellen Debattenbeitrag fordern Nicolas Lembeck und Helmer Krane, die FDP soll eine Klimapartei werden. In diesem Zusammenhang beurteilen sie die aktuelle Lage der Partei auf dem Feld der Klimapolitik mit deutlichen Worten:

Zurzeit aber befindet sich die FDP selbstverschuldet in der Defensive (...) Zu oft überdeckt das Abarbeiten an Fehlern anderer oder - schlimmer noch - an der Person Greta Thunbergs die eigene Ideen- und Sprachlosigkeit. Besser wäre es, wenn wir in den Klimadiskurs eingriffen, eigene Lösungsansätze schärften und durch einen ernsthaften Ton deutlich machten, dass die FDP für den Fortbestand eines bewohnbaren Planeten Verantwortung übernimmt.

Nicolas Lembeck und Helmer Krane

In dieser Defensive befand sich die FDP in Fragen der Umweltpolitik nicht immer. In der Entwicklung ihrer Parteiprogrammatik waren die Liberalen einstmals die Öko-Pioniere der BRD. Als erste Partei hat die FDP in die Freiburger Thesen 1971 die Umweltpolitik in ihrem Grundsatzprogramm aufgenommen. In der Folge etabliert Hans-Dietrich Genscher als Bundesinnenminister der sozial-liberalen Koalition die Umweltpolitik als eigenständigen Politikbereich in seinem Ministerium. Seitdem hat sich die FDP in diesem Politikfeld jedoch nicht mehr hervorgetan. So gab es auf Bundesebene noch nie einen Umweltminister der Liberalen. Auch die Umweltminister in den Landesregierungen, die die FDP bisher gestellt hat, lassen sich an einer Hand abzählen.

Ein Grund dafür liegt in der zunehmenden Dominanz der Wirtschaftsliberalen in der FDP, die sich spätestens 1982 mit dem Bruch der sozial-liberalen Koalition manifestiert. Die Wirtschaftsliberalen sehen in Friedrich A. v. Hayek - "Stilikone des Neoliberalismus" (Friedrun Quaas) - einen wichtigen Vordenker. So bezeichnet Christian Lindner Hayeks Schriften als eine wichtige Inspiration. Unter den Mitgliedern der Hayek-Gesellschaft, einer Vereinigung zur Förderung von Ideen im Sinne von Hayek, waren bis zum Eklat im Jahr 2015 neben Wirtschaftswissenschaftlern und Publizisten auch einige prominente FDP Politiker (z.B. Christian Lindner und Daniel Bahr) zu finden.

Seitdem, so sagen ehemalige Mitglieder, hat sich die Hayek-Gesellschaft zum "Mistbeet der AfD" entwickelt. Mit Gerhard Papke (ehem. Fraktionsvorsitzender der Düsseldorfer FDP-Landtagsfraktion) und Frank Schaeffler (MdB) sind auch heute noch zwei FDP-Mitglieder in den Gremien dieser Gesellschaft vertreten.

Hayeks Plädoyer gegen nachhaltiges Wirtschaften

Zum Naturschutz hat Hayek nicht viel geschrieben und zum Klimaschutz, soweit ich weiß, gar nichts. In seiner Schrift "Die Verfassung der Freiheit" von 1960 (die Herausgabe der deutschen Fassung im Jahr 1971 wurde durch die Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt) finden sich im 23. Kapitel "Landwirtschaft und Naturschätze" einige Anmerkungen dazu, welche Bedeutung die Bewahrung natürlicher Ressourcen und der Naturschutz im Rahmen seiner Theorie einer freien Gesellschaft haben. Hayeks Vorstellung einer solchen Gesellschaft sind in einem Verständnis von Freiheit begründet, nach dem Freiheit einzig in der Abwesenheit von Zwang besteht. Die größte Gefahr für die Freiheit sieht Hayek in den Versuchen zentraler Planung durch den Staat.

Den Naturschutz kennt Hayek dabei einzig als Landschaftspflege zum Zweck der "Bewahrung von Naturschönheit" und der Bereitstellung von "Gelegenheiten zur Erholung". Staatstätigkeit zu diesen Zwecken sieht er als vertretbar an, wobei er aber freiwillige Organisationen bevorzugt. Hayek erkennt, dass hierbei mangels Rentabilität auf unternehmerisches Engagement genauso wenig gebaut werden kann, wie beim Erhalt historischer Stätten oder Örtlichkeiten von wissenschaftlichem Interesse. Denn hierfür kann einem Einzelnen, der die Vorteile genießt, in der Regel kein Preis angerechnet werden. Zudem geht es bei den Naturschutzgebieten oft um sehr große Bodenflächen, was mit einem entsprechend großem Kapitaleinsatz verbunden ist.

Friedrich August von Hayek. Bild: LSE Library / Public Domain

Ausführlicher behandelt Hayek Fragen, die im Zusammenhang mit der Nutzung von Naturschätzen stehen. Dabei geht es ihm jedoch nicht um Umwelt- oder Naturschutz. Vielmehr versucht er nachzuweisen, dass sich der Staat nicht um den Erhalt von natürlichen Ressourcen bemühen soll. Es ist ihm ein ausgesprochenes Ärgernis, dass die "konservationistische" Haltung breite Zustimmung genießt. Denn diese zeigt sich aufgeschlossen gegenüber staatlichen Regelungen und zentraler Lenkung, um Verschwendung und Raubbau zu verhindern.

Dabei leugnet Hayek nicht, dass es Verschwendung von Naturschätzen durch private Unternehmungen gibt und gab. Er weist aber darauf hin, dass der schwerwiegendste Fall von Verschwendung, die Abholzung der Wälder (vermutlich in den USA), der Tatsache zuzuschreiben sei, dass diese nicht Privateigentum waren, sondern als staatliches Land der privaten Nutzung überlassen wurden. Dabei seien Bedingungen geschaffen worden, die den Nutznießern keinen Anreiz zur Erhaltung gegeben hätten. Die Intensität der Nutzung natürlicher Ressourcen hängt für Hayek nicht an der Art des Eigentums dieser Ressourcen. Zudem sieht er auch im restlosen Ausschöpfen von Naturschätzen kein grundsätzliches Problem. Er betreibt einigen argumentativen Aufwand, um zu zeigen, dass der "Konservationismus" hierbei irrt. Hayek will darlegen, warum die Mäßigung bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen keinen zusätzlichen Nutzen bringt.

In diesem Zusammenhang stellt er fest, dass jeder Verbrauch unersetzlicher Vorkommen auf einem Akt des Vertrauens beruht. Ein Vertrauen darin, "dass zu der Zeit, da das Vorkommen erschöpft ist, etwas Neues entdeckt worden sein wird, das entweder denselben Bedarf befriedigen oder uns zumindest für das entschädigen wird, was wir nicht mehr haben". Dieses Vertrauen sieht er als gerechtfertigt an, denn es kann, so seine Überzeugung, immer damit gerechnet werden, dass das Wissen wächst und neue Lösungen erdacht werden. Das Wachstum des Wissens bezeichnet er als wahrscheinlicher, wenn die vorhandenen Ressourcen voll und ganz eingesetzt werden.

Weiter versucht Hayek nachzuweisen, dass die Gemeinschaft kein höheres Interesse an der zurückhaltenden Ausbeutung der Naturschätze als Maßnahme zur Vorsorge für die Zukunft hat als jeder Einzelne. Dies ist für ihn von zentraler Bedeutung, denn er argumentiert gegen jede Form von zentraler Planung. Er stellt fest, dass auch einer Regierung das Wissen fehlt, welches für eine planvolle und nachhaltige Nutzung von Ressourcen notwendig wäre. Darin unterscheiden sich Regierungen nicht von einzelnen Unternehmern, so Hayek. In diesem Zusammenhang bringt er auch ein in logischer Hinsicht windschiefes Argument an, das jede Verpflichtung zur Zurückhaltung bei der Nutzung von Ressourcen illegitim erscheinen lassen soll:

In einer freien Gesellschaft ist es ebenso wenig berechtigt, dem Einzelnen das Recht der Entscheidung über die Zukunft zu nehmen, wie wir einen Anspruch haben, daß frühere Generationen für uns mehr Vorsorge hätten treffen sollen.

Hayek

Auch im Hinblick auf die sich regenerierenden Naturvorkommen versucht Hayek zu zeigen, dass das Streben nach dem Erhalt von gleichbleibenden Erträgen aus diesen Vorkommen - also ihre nachhaltige Nutzung - nicht in allen Fällen erstrebenswert ist. Dies bezeichnet er als einen Trugschluss. Dieser soll sich im konservationistischen Argument zeigen, nach dem "die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens unter allen Umständen erhalten und der sogenannte "Raubbau" (soilmining) unter allen Umständen vermieden werden soll."

Die Intensität der Nutzung von Böden ist für ihn eine rein unternehmerische Frage. Wenn unter bestimmten Rahmenbedingungen eine Fläche nur so gewinnbringend genutzt werden kann, dass sie nach einer gewissen Zeit erschöpft ist, dann ist gegen diese Nutzung nichts einzuwenden. Denn, so Hayek:

Tatsächlich kann "Raubbau" unter gewissen Umständen ebensosehr im langfristigen Interesse einer Gemeinschaft sein wie der Abbau eines Bestandsvorkommens.

Hayek

Bei der Begründung verbleibt Hayek bei rein ökonomischen Argumenten. Er stellt fest, dass jede Konservierung von natürlichen Vorkommen eine Investition ist. Als solche ist sie nach denselben Kriterien zu beurteilen, wie jede andere Investition. Steigert man nun die Investition in die Erhaltung eines bestimmten Naturvorkommens so weit, dass der Ertrag geringer wird, als das aufgewendete Kapital in anderer Verwendung einbrächte, dann geschieht dies zum Schaden der Gemeinschaft. Denn dann würde das zukünftige Einkommen unter den Betrag sinken, der sonst erreicht werden könnte. Dann wäre im Namen einer besseren Vorsorge für die Zukunft tatsächlich eine geringere Vorsorge für die Nachwelt getroffen. Hayeks rudimentäre Betrachtungen zu diesem Themenbereich zeichnen sich durch das konsequente Ignorieren der physischen Rahmenbedingungen des menschlichen Lebens und Wirtschaftens aus. Das Konzept der Ökologie scheint Hayek unbekannt zu sein. Dies ist insofern bemerkenswert, dass die Entwicklung einer Theorie kultureller Evolution einen wesentlichen Teil von Hayeks Denken darstellt und er diese in Auseinandersetzung mit der Evolutionslehre entwickelt hat. In der Biologie sind Evolution und Ökologie eng verknüpft. Allerdings führte die Ökologie als Wissenschaft bis in die 1960er Jahre ein Nischendasein und war nur einem Fachpublikum geläufig.

Hayeks rein ökonomische Sicht auf die Nutzung natürlicher Ressourcen ist aber bei Berücksichtigung der ökologischen Rahmenbedingungen menschlichen Wirtschaftens nicht aufrecht zu halten. Der Glaube daran, dass ein erschöpftes Vorkommen immer kompensiert werden kann, fällt angesichts der Erfahrung unwiderruflicher Zerstörung von Ökosystemen in sich zusammen. So können z.B. die Systemleistungen der tropischen Regenwälder (CO2-Bindung, Sauerstofferzeugung, Klimaregulierung, etc.) nicht durch Erfindungsgeist und freies Unternehmertum ersetzt werden.

Unbedacht bleiben in dieser Perspektive auch die Nebenwirkungen des menschlichen Wirtschaftens für Natur und Umwelt. Abfall, Abgase und Abwässer kommen in Hayeks Argumentation nicht vor. Es liegt dabei auf der Hand, dass Probleme, die durch diese Nebenprodukte verursacht werden, in der Regel nicht durch unternehmerische Initiative beseitigt oder vermindert werden können. Nur in wenigen Fällen sind die Nutzung oder auch nur die Verminderung von Abfällen, Abgasen oder Abwässer wirtschaftlich rentabel. Deshalb ist der Emissionsschutz ein Feld staatlicher Regulierung.

Die Ignoranz gegenüber den unerwünschten Nebenprodukten betrifft auch den Umgang mit dem menschengemachten Klimawandel. Aus nachvollziehbaren Gründen hat Hayek diese Möglichkeit im Jahr 1960 noch nicht bedacht. Aber seine Maximen zum Umgang mit natürlichen Ressourcen sind unvereinbar mit jeder Form von Klimapolitik. Die Klimaerwärmung ist vor allem eine Folge der Verfeuerung fossiler Energieträger zur Energiegewinnung. Die damit verbundenen Emissionen reichern sich in der Atmosphäre an und bewirken so einen Verstärkung des Treibhauseffekts.

Das Problem ist hier also nicht die Erschöpfung eines Vorkommens, sondern die Anreicherung der Umwelt mit Abgasen als Nebenprodukt der Nutzung von natürlichen Ressourcen. Dabei deutet alles darauf hin, dass diese Emissionen bereits schwerwiegende klimatische, ökologische und ökonomische Konsequenzen haben, bevor die Lagerstätten für Erdöl, Kohle oder Erdgas zur Neige gehen. Deshalb können die Mechanismen die Hayek beschreibt hierbei gar nicht greifen. Denn die Preissteigerungen bleiben aus, da noch keine Verknappung des Angebots entsteht. Damit gibt es auch keinen Anreiz zur Suche nach oder Entwicklung von Alternativen durch Forschergeist und ihre Nutzung durch Unternehmertum.

Verantwortungsbewusst oder zynisch? Die schwankende Klimapolitik der FDP

Die umwelt- und klimapolitischen Positionen der heutigen FDP gehen über Hayek hinaus. Insbesondere mit dem Beschluss zur liberalen Klimapolitik beim 79. Bundesparteitag hat die Partei die grundsätzliche Bedeutung und Dringlichkeit der Klimakrise anerkannt. Dies zeigt sich auch schon länger darin, dass sich die FDP für den Handel mit Zertifikaten für Emissionsrechte als Mittel für die Absenkung von Treibhausgasemissionen einsetzt. In der Diskussion um das Klimapaket der Bunderegierung drängte sie auch auf die Festlegung eines absoluten CO2-Limits. Somit will sie Marktmechanismen für möglichst effiziente Reduzierungen der Emissionen nutzen. Dabei erkennt sie an, dass ohne staatliche Regulierung die notwendigen Schritte allein aufgrund unternehmerischer Entscheidungen nicht erfolgen werden.

Aber es findet sich auch einige Parallelen zu Hayeks Vorstellungen in den Programmen, parlamentarischen Initiativen und vor allem in öffentlichen Äußerungen von Freien Demokraten. So wendet sich die FDP-Bundestagsfraktion in einem Antrag gegen die Pläne der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Dabei wird nicht nur der Einwand erhoben, dass hierbei v.a. für Entschädigungen der Betreiber, für die soziale Absicherung der Belegschaften der Kraftwerke und für Investitionen in den Kohlerevieren hohe Kosten für die öffentliche Hand entstehen. Darüber hinaus bezeichnet die Fraktion das Vorhaben als "planwirtschaftlichen Irrweg". Sie lehnt die gesetzliche Fixierung der Stilllegung von Kraftwerken als Zwang ab. Außerdem werden Befürchtungen geäußert, dass das Aus der Kohleverstromung die Versorgungssicherheit gefährden könnte.

Die FDP will die Verminderung der Treibhausgasemissionen alleine mit dem Instrument des Emissionshandels erreichen. So will sie den Kraftwerksbetreibern weiterhin die unternehmerische Freiheit einräumen, z.B. durch den Zukauf von Emissionszertifikaten die Kraftwerke so lange weiterlaufen lassen, wie dies trotz Emissionszertifikaten wirtschaftlich möglich ist.

Dabei wird übersehen, dass die Fortsetzung der Kohleverstromung den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hemmt und somit auch neue unternehmerische Betätigung verhindert. Wenn dem Vorschlag der FDP gefolgt würde, hätte dies noch gravierendere Folgen. Dann würde es keinen Anreiz zur Entwicklung einer Infrastruktur geben, welche Versorgungssicherheit bei annähernd 100% Strom aus Erneuerbaren gewährleisten kann. Eine zeitlich unbegrenzte Erlaubnis zur Kohlverstromung ist deshalb ein Hindernis für Innovationen.

So erscheint die FDP nicht als Verbündeter der jungen Generation bei ihrem Einsatz für die Eindämmung der Klimakrise; und auch nicht als Fürsprecherin der Interessen innovativer Branchen, die die Chancen der Dekarbonisierung der Energieversorgung nutzen wollen. Vielmehr handeln die Freien Demokraten so, als setzen sie sich für die Eigentümer der Fossil-Fuel-Industrie ein, die gern mehr Zeit hätten, um absehbare Abschreibungen abzufedern. Solche Fürsprache ist den Konzernen emissionsintensiver Branchen sicherlich willkommen. Denn nach neueren Schätzungen müssten weltweit rund 900 Milliarden Dollar gestrandetes Kapital alleine bei den großen Kohle-, Gas- und Ölkonzerne abgeschrieben werden, wenn die Staaten wirksame Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels des Pariser Klimaabkommens ergreifen würden.

Die FDP verweist in ihren Beiträgen immer wieder auf Lösung von Umwelt und Klimaproblemen durch neue bzw. zukünftige Technologien wie CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) oder CO2-Abscheidung und Verwendung (CCU). Vor allem CCU soll eine CO2-Kreislaufwirtschaft möglich machen. Diese Technologien sind längst nicht marktreif, so dass sie genau wie die Idee einer CO2-Kreislaufwirtschaft gegenwärtig Science Fiction sind. Das Argumentationsmuster findet sich auch bei Hayek. Dieser versucht in Anbetracht des Raubbaus an natürlichen Ressourcen die Sorge zu zerstreuen, dass es in Zukunft zu Wohlstandsverlusten kommt, da die benötigten Ressourcen dann fehlen könnten.

Die FDP will die Hoffnung darauf nähren, dass es gelingen kann, die Treibhausgasemissionen soweit zu senken, wie es zur Stabilisierung des Klimas notwendig ist, dabei aber den Wohlstand garantiert zu erhalten. Dann könnte der konsumorientiertet Way of Life weiter gelebt werden. Politisch ist das nachvollziehbar, da die Anhänger der FDP oftmals wohlhabend sind und entsprechend meist einen ressourcenintensiven Lebensstil pflegen. Ob dieser Glaube eine Grundlage für verantwortungsvolle Entscheidungen sein kann, steht auf einem anderen Blatt.

Klar ist aber, dass neue Technologien, die zur Senkung der Treibhausgaskonzentration oder gar der Verringerung der Sonneneinstrahlung durch Geoengineering beitragen könnten - so sie denn zur Marktreife entwickelt werden - voraussichtlich mangels Rentabilität nicht alleine durch freies Unternehmertum zum Einsatz kommen werden. Hierfür wären dann neue Formen von staatlichen Regulierungen zur Finanzierung dieser Vorhaben notwendig.

Nicht eindeutig ist die Position der FDP im Hinblick auf das grundsätzliche Verhältnis von Ökologie und Ökonomie. Zwar erkennt sie eine Verantwortung für die Chancen und Handlungsmöglichkeiten künftiger Generationen an. So im oben genannten Parteitagsbeschluss:

Freiheit als oberstes Ziel der Liberalen erschöpft sich nicht im Hier und Heute, sondern verlangt weltweit und für alle künftigen Generationen Einsatz. Nachhaltige Entwicklung im liberalen Sinne heißt daher: … natürlich auch möglichst geringe Altlasten in ökologischer Hinsicht zu hinterlassen. Denn diese schränken die Handlungsmöglichkeiten und damit die Chancen künftiger Generationen ein.

FDP

Die Partei will eine Klimapolitik, "die Klimaschutz durch das Vertrauen auf technologischen Fortschritt mit einer modernen Industriegesellschaft und steigendem Wohlstand in Einklang bringt". Dabei bleibt unklar, ob sie die Ökologie der Ökonomie neben- oder unterordnet. Klar ist aber, dass die Wirtschaft dem Klima- und Umweltschutz nicht untergeordnet wird. So verortete Horst Meierhofer im oben genannten Beitrag seine Partei in dieser Frage, in "Äquidistanz der Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik". Schon die Freiburger Thesen haben das Prinzip begründet, dass die FDP Umweltfragen und andere Politikfelder gleichermaßen bearbeitet. Dabei legt Meierhofer ein besonderes Augenmerk auf die Wirtschaft. Er stellt fest: "Von einer funktionierenden wettbewerbsfähigen Wirtschaft profitieren wir ebenso wie von einer intakten Umwelt."

In ihrem Grundsatzprogramm, den Karlsruher Freiheitsthesen von 2017, behauptet die Partei von sich: "Wir sind in der Lage, Wege aufzuzeigen, wie wir den Schutz unseres Klimas und gleichzeitig Wachstum und Wohlstand in Einklang bringen." In einem Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche knüpft Christian Lindner an diese Argumentation an. Er schreibt:

Für uns steht außer Frage: Wirtschaftliche Entwicklung und freiheitliche Lebensweise lassen sich mit Klimaschutz verbinden, sie müssen es sogar. Wir gewinnen nichts, wenn wir dem Kampf gegen den Klimawandel unseren Wohlstand opfern.

Christian Lindner

Dies kann so verstanden werden, dass im Zweifelsfall dem Wohlstand der Vorrang gebührt. Dann gäbe es bis heute keine klare Grenze zwischen der Klimapolitik der FDP und Hayeks Anti-Konservationismus. So entsteht der Eindruck, dass die Freien Demokraten im Hinblick auf die Klima- und Umweltpolitik gleichermaßen Phantasten und Zyniker sind. Es ist ein Elend.

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