Hensoldt & Co: Rüstungsaktien boomen, doch der Fachkräftemangel bremst

Bernd Müller
 Infanteriefahrzeuge der Bundeswehr Puma S1 der Hersteller Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) auf der Eurosatory Arms Fair vor einem Hensoldt-Stand.

(Bild: Spech / Shutterstock.com)

Die Aktienkurse von Rüstungsunternehmen wie Hensoldt schießen in die Höhe. Doch um die steigende Nachfrage zu bedienen, fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden.

Die Börsen sind im Rüstungsfieber: Die Aktienkurse von Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt und Renk kennen seit Monaten nur eine Richtung – steil nach oben. Allein die Renk-Aktie legte seit Jahresbeginn um fast 328 Prozent zu.

Auch Hensoldt ist heiß begehrt: Die US-Bank JPMorgan hob das Kursziel laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) für den Rüstungselektronik-Spezialisten jetzt von 50 auf 110 Euro an und attestiert dem Unternehmen "außerordentlich starke Aussichten" für die nächsten fünf Jahre.

Fachkräftemangel bremst Wachstum

Doch während die Auftragsbücher überquellen, kämpfen Hensoldt und viele andere Rüstungsunternehmen in Europa mit einem gravierenden Problem: dem Mangel an Fachkräften. Ingenieure, Datenwissenschaftler, Schweißer und Mechaniker sind Mangelware. Ohne sie können die Unternehmen die boomende Nachfrage nach Waffen und Munition nicht bedienen.

"Wenn sie auf dem Arbeitsmarkt verfügbar wären, würden wir die meisten sofort einstellen. Wir haben die Aufträge dafür", sagt Pavel Cechal, Vizechef im operativen Geschäft bei der tschechischen PBS Group, gegenüber Reuters. Das Unternehmen hat die Löhne bereits um acht Prozent erhöht und plant für 2025 eine weitere Erhöhung um zehn Prozent, um Talente anzulocken. Doch das allein reicht nicht.

Europa verpasst Rüstungsboom

Dabei sind die Aussichten für die Branche glänzend: Die EU-Staaten wollen ihre Verteidigungsausgaben in den nächsten zehn Jahren um 800 Milliarden Euro aufstocken. Das verspricht Hunderttausende neue Jobs. Doch bisher flossen 78 Prozent der EU-Militärausgaben ins Ausland, hauptsächlich in die USA. Der fragmentierte europäische Rüstungssektor konnte davon kaum profitieren.

Das soll sich nun ändern. Doch der Fachkräftemangel erweist sich als Wachstumsbremse. Gesucht werden vor allem KI-Experten für autonome Waffensysteme und Spezialisten für Kleinserien-Fertigung. "Wir werden einen CAESAR nicht auf die gleiche Weise herstellen wie einen Peugeot 308", erklärt Gabriel Massoni, Sprecher des deutsch-französischen Panzerbauers KNDS, laut Reuters. "Wir müssen ganz besondere Fähigkeiten beherrschen. Und diese sind auf dem Arbeitsmarkt rar."

Europas größter Munitionshersteller Rheinmetall will seine Belegschaft bis 2028 um bis zu 9.000 Mitarbeiter aufstocken. Vor allem Produktentwickler, Ingenieure, Schweißer und Elektroniker werden gebraucht. Auch der U-Boot-Bauer Thyssenkrupp Marine Systems sucht bis zu 1.500 Mitarbeiter, stößt aber auf einen Mangel an MINT-Fachkräften.

Mit kreativen Ideen gegen den Fachkräftemangel

Die Rüstungsunternehmen lassen sich einiges einfallen, um Bewerber zu ködern: Sie erhöhen Löhne und Sozialleistungen, werben Mitarbeiter aus anderen Branchen ab und suchen den Nachwuchs an Schulen und Universitäten.

Aber besonders ehemalige Beschäftigte von Automobilkonzernen sind gefragt, weil sie mit Just-in-Time-Produktion umgehen können. "Wir hoffen, dass wir so Fachwissen gewinnen können, das uns auf unserem Weg zur Serienfertigung und zur Produktionssteigerung unterstützt", sagt Oliver Doerre, Chef von Hensoldt.

Wie Hensoldt profitieren auch andere europäische Rüstungsschmieden vom Niedergang der europäischen Automobilindustrie. Der tschechische Munitionshersteller STV Group konnte so auch bereits Mitarbeiter rekrutieren. "Angesichts der sich verschlechternden Lage in der Automobilindustrie sind wir jetzt zum ersten Mal seit langer Zeit in der Situation, dass wir ein wenig unter den Bewerbern auswählen können", sagt STV-Chef David Hac.

Doch die Abwerbung allein wird nicht reichen. Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf drei Prozent des BIP, wie es die Nato momentan noch anstrebt, würde laut einer Studie bis zu 760.000 zusätzliche Fachkräfte in Europa erfordern, heißt es bei Reuters. Ein Personalmangel scheint deshalb für die nächsten Jahre auch vorprogrammiert zu sein.