mRNA-Impfung: Unerwartete Nebenwirkungen begeistern Forscher

Christoph Jehle
Mann in Halo mit Schutzsteifen gegen Keime und Spritze mit Aufdruck

Eine Corona-mRNA-Impfung könnte mehr bewirken als den Schutz vor dem Virus. Laut einer Studie zeigen sich überraschende positive Begleiterscheinungen

Mit Beginn der Corona-Pandemie wurde weltweit und mit hohem Nachdruck und viel Geld an der Entwicklung von Impfstoffen gearbeitet, die erfolgversprechend und möglichst schnell verfügbar waren. Besonders die mRNA-Impfstoffe die auf jahrelange Vorarbeiten zurückgreifen konnten und dann von von Herstellern wie Moderna oder Biontech realisiert wurden, erwiesen sich dabei als besonders effektiv.

Der von der Pandemie ausgelöste politische Druck sorgte dann dafür, dass diese Impfstoffe zum ersten Mal großflächig auf ihre Wirksamkeit überprüft werden konnten.

Überraschungseffekt nach der Pandemie

Dass der menschliche Körper nicht nach den starren Regeln des Maschinenbaus funktioniert, zeigt sich jetzt nach dem Sieg über die Pandemie. Die mRNA-Impfungen schützen offensichtlich nicht nur gegen Covid-19, sondern sie haben auch einen langfristigen Einfluss auf die menschliche Gesundheit.

In einer Studie untersuchten Forscher der Universität Köln, wie das menschliche Immunsystem durch den Impfstoff umprogrammiert wurde. Die Studie wurde kürzlich im Fachmagazin Molecular Systems Biology veröffentlicht und inzwischen auch umfangreich Peer reviewed.

Durch den mRNA-Impfstoff gegen Corona wird Immunsystem grundsätzlich optimiert

Für die in der Studie beschriebene Analyse wurden geimpften Probanden über einen längeren Zeitraum insgesamt sechs Blutproben genommen. Dabei wurde überprüft, wie schnell weiße Blutkörperchen in sogenannte Makrophage umgewandelt wurden. Die Makrophagen sind dafür zuständig, verschiedene Krankheitserreger zu erkennen und zu bekämpfen.

Dabei konnte festgestellt werden, dass die Covid-19-Impfstoffe auf mRNA-Basis das menschliche Immunsystem langfristig ankurbeln. Demnach soll der Körper nach einer derartigen Impfung deutlich besser und schneller auf Infektionen reagieren können. Die Überraschung war die Tatsache, dass dies auch solche Infektionen betrifft, die nicht auf Corona-Viren basieren.

Um diesen Vorgang zu verstehen, muss man wissen, dass das menschliche Immunsystem grundsätzlich zwei Wege hat, um auf Erkrankungen zu reagieren, die durch Viren ausgelöst werden. Zum einen gibt es eine angeborene Abwehr, die einen unspezifischen Schutz vor Krankheitserregern bietet, das heißt, sie wirkt gegen alle Krankheitserreger gleich. Sie muss schnell reagieren können und wirkt zum Beispiel gegen Fremdkörper, die in den Körper eindringen.

Zudem gibt es die adaptive Abwehr, die auch als hinzugewonnene oder erworbene Abwehr bezeichnet wird. Sie verändert sich in unregelmäßigen Abständen und passt sich so an neue Krankheitserreger an. Das zeigt sich in der Praxis als sinnvoll, da sich Krankheitserreger wie etwa bei der Grippe ständig wandeln und dementsprechend anders angegangen werden müssen.

Beide Formen der Abwehr arbeiten gewissermaßen Hand in Hand, um den Körper bestmöglich zu schützen. Den Autoren der Studie zufolge konnten die erstmals in der Humanmedizin eingesetzten mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 nicht nur die Immunantwort des adaptiven Immunsystems verbessern, sondern auch die Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems langfristig modifizieren.

Weiterbildung des Immunsystems

Das Immunsystem geht nach einer mRNA-Impfung gewissermaßen wieder zur Schule. Einige Proteine in der DNA wurden mit der Impfung verändert und steigerten so die Aktivität der Gene, die sind für die Bekämpfung von Krankheiten förderlich sind und sorgte so dafür dass das Immunsystem schneller auf drohende Infektionen reagieren konnte.

Die Daten zeigten, dass die gegen Corona eingesetzten mRNA-Impfstoffe eine epigenetische Schulung des angeborenen Immunsystems fördern, was eine verstärkte Immunantwort zu Folge hat. Wiederum überraschend war dabei die Tatsache, dass diese Veränderungen auch sechs Monate nach der Impfung noch nachweisbar waren. Das Immunsystem speicherte somit die Änderung als Reaktion auf die Impfung ab und gab sie auch an neue Zellen weiter.

Da es sich dabei um eine Aktivierung des angeborenen Immunsystems handelt, das wie geschildert, relativ breit und unspezifisch auf verschiedene Erreger abzielt, könnte dies bedeuten, dass die mRNA-Impfungen zumindest für eine gewisse Zeit auch vor anderen Viren und Bakterien schützen. Wie lange dieser Schutz anhält, wird erst die weitere Beobachtung zeigen.

Eine Einschränkung konnte man inzwischen schon feststellen. Eine Impfung allein reicht nicht aus, um den Effekt für das Immunsystem zu erzielen. Erst eine zweite Impfung oder eine einzelne Auffrischungsimpfung stabilisierte die epigenetische Modifikation nachhaltig. Das unterstreicht die Notwendigkeit mehrerer Impfungen für die langfristige Aufrechterhaltung der Immunantwort.

Positive Impfnebenwirkungen sind nicht wirklich neu

Laut einer britischen Studie könnte eine Impfung gegen Gürtelrose das Demenz-Risiko deutlich senken. Die im Fachjournal Nature veröffentliche Studie untersuchte, inwiefern die Gürtelrose-Impfung gegen das sogenannte Varizella-Zoster-Virus vor Demenz schützt. Dafür wurden zwei Personengruppen aus Wales über sieben Jahre beobachtet. Eine Gruppe wurde gegen Gürtelrose geimpft, die andere nicht.

Als Ergebnis zeigte sich, dass diejenigen, die geimpft waren, ein um bis zu 20 Prozent geringeres Risiko hatten, im weiteren Verlauf ihres Lebens an Demenz zu erkranken. Einschränkend musste man jedoch feststellen, dass der Effekt sich fast nur bei Frauen zeigte, bei Männern konnte kein entscheidender Effekt festgestellt werden.

Eine weiter Einschränkung gilt für Deutschland, die hierzulande wird der Lebendimpfstoff Zostavax nicht mehr eingesetzt, sondern der Herpes-Zoster-Totimpfstoff mit dem Handelsnamen Shingrix. Eine amerikanische Studie, deutet jedoch darauf hin, dass der in Deutschland empfohlene Proteinimpfstoff noch besser vor der Demenz schützt.