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  • zx6

mehr als 1000 Beiträge seit 24.07.2001

Hmm...

Hallo,

> > Das fängt bei der genauen Organisation und Planung von
> > Massentransporten unter unmenschlichen Bedingungen an, geht über die
> > grausamsten Foltermethoden weiter und hört bei der Planungen der
> > Tötung und der Entsorgung der Leichen noch lange nicht auf.

> Das Ziel war aber nicht die Vernichtung einer bestimmten Gruppe bzw.
> "Rasse" von Menschen, oder doch?

Doch.

Beispielsweise sollten alle vietnamesisch-stämmigen Einwohner
vernichtet werden. Ganz wortwörtlich. Dadurch wurde der Landstrich im
Norden des Tonle Sap quasi entvölkert, weil die
vietnamesisch-geprägte Subkultur der dort auf schwimmenden Dörfern
lebenden Menschen vernichtet wurde. (Vietnamesen standen unter
Generalverdacht, mit irgendwelchen geheimnisvollen
Kommunikationsgeräten mit Vietnam in Dauerkontakt zu stehen und von
dort ferngesteuert zu sein.)

Alle Intellektuellen sollten vernichtet werden. Ganz wortwörtlich.
Das ging soweit runter, daß Leute sich nicht getraut haben, ihre
Brille aufzusetzen oder zuzugeben, daß sie lesen und schreiben
können.

Ansonsten auch noch alle potenziellen Verräter, Kollaborateure und
deren Familien bis ins zweite Glied. Säuglinge inklusive. Und
"Verräter" wurde man schon, wenn man unabsichtlich seine Suppe
umschüttete, weil man dadurch ja dem Staat seine Arbeitskraft entzog.

Die Auswahl der zu vernichtenden Gruppierungen waren sicherlich
andere, aber ich halte das für nebensächlich. Vorwände kann man immer
finden.

> Man könnte sich einfach darauf einigen, daß bestimmte Aspekte
> einzigartig machen. Was am NS-Regime sicherlich einzigartig war, war
> die industriell organisierte Vernichtungsmaschine, die es meines
> Wissens nach so weder unter Stalin, Mao, in Ruanda oder dem
> Osmanischen Reich gegeben hat.

Hmm... jein. Die Wahl der Mittel ist sicherlich einzigartig gewesen.
Was allerdings nicht beweist, daß das Pol-Pot-Regime moralisch
höherstehend war als das Nazi-Regime es war. Es war schlicht ärmer
und konnte sich ausgefeiltere industrielle Massenmordwerkzeuge nicht
leisten.

Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat auch dieses Regime alles in seinen
technischen Möglichkeiten stehende an Werkzeugen benutzt.
Beispielsweise waren Lastwagen äußerst knapp, zum Massentransport von
zu vernichtenden Menschen waren sie aber immer zur Hand. Dasselbe
gilt für Gewehrkugeln oder Macheten.

> Vertreibungen und Arbeitslager sind eine Sache, Vernichtungslager
> sind aber noch eine ganze Dimension schlimmer.

Ich rede auch nicht von Vertreibungen und Arbeitslagern. Ich beziehe
mich hinsichtlich des "demokratischen Kampuchea" durchaus ganz
explizit auf Vernichtungslager, in denen über eine ausgefeilte
Bürokratie das Töten organisiert, durchgeführt und mitprotokolliert
wurde.

Einzig der "Wirkungsgrad" in diesen Lagern lag unter denen der
Nazi-KZs, was aber - ich erwähnte es schon weiter oben - weniger an
mangelndem Willen sondern eher an mangelnden Hilfsmitteln lag. Es gab
durchaus so Sachen wie 10 nebeneinandergereihte Warteschlangen mit je
100 m Länge, die vorne vor einem Massengrab endeten, an dem je zwei
Wärter mit Machete standen, dem vordersten Menschen den Kopf
abschlugen und dem Nachrückenden befahlen, als seine letzte Tat den
Leichnam des soeben Getöteten in die Grube zu schieben. Hat für mich
auch den Beigeschmack einer gewissen Industrialisierung. Die Henker
arbeiteten in gut organisiertem Schichtbetrieb (3 Schichten), es gab
für sie ob der schweren körperlichen Arbeit zus. Essensrationen usw.

Einen kleinen Überblick über eines der ineinander greifenden Folter-
und Vernichtungslager gibt der Wikipedia-Artikel über "Tuol Sleng".

Wer tiefer einsteigen möchte, dem sei beispielsweise das Buch "The
Lost Executioner" von Nic Dunlop empfohlen.

zx6

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