Sanherib123 schrieb am 10.05.2024 07:10:
für das zaristische russländische Reich kann man das so stehen lassen, da wurde unter Katharina der Großen tatsächlich Russen im heutigen Donbas gezielt angesiedelt, denn das bedeutet der Begriff der Russifizierung primär. Ansonsten sollte mir der Herr Professor erklären, warum die der Ukrainishen SSR die ukrainische Sprache eine der beiden offiziellen Amtssprachen war? Warum wurden dann Filme in der Sowjetunion gedreht deren Storyline ukrainische Themen behandelte? Jeder wusste das, die Märchengestalt der Hexe Baba Jaga und des Riesen Ruslan ihren Ursprung in der heutigen Ukarine hatten. Der ukrainische Dichter Gogol wurde in der gesamten Sowjetunion gelesen, er schrieb jedoch größtenteils auf russisch. Der Kasatschok wurde von ukrainischen Wehrbauern, den Kosaken am Dneper, ins Leben gerufen, gilt aber in Deutschland als russisches Brauchtum. Und so weiter und sofort.
Es gab eben nicht die eine konsistente Politik über den ganzen Zeitraum der Sowjetunion. In den 1920ern und zu Beginn der 1930er-Jahre wurde die ukrainische Sprache und Kultur gefördert, das änderte sich aber in den 1930ern wieder.
Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. C.H.Beck, 2024, ISBN 978-3-406-81183-8, S. 205–206, https://books.google.de/books?id=_pPuEAAAQBAJ&pg=PT91:
"Die Kette von Gewaltmaßnahmen, die die dreißiger Jahre kennzeichneten, wirkte sich auch auf die Kulturpolitik aus. Der allmähliche Wandel von der Ukrainisierung zur Russifizierung vollzog sich allerdings nur schrittweise und teilweise erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine erste Etappe brachte das Jahr 1933. Im Anschluss an die «Säuberungen» veränderte sich die offizielle Sprachregelung: Erstmals bezeichnete man den ukrainischen Nationalismus gegenüber dem russischen Großmachtchauvinismus als Hauptgefahr. Bildungswesen und Kultur wurden nun in der gesamten Sowjetunion gleichgeschaltet und als Instrumente des sozialistischen Aufbaus eingesetzt. 1934 wandte sich die Partei vom leninistischen Internationalismus ab und erhob den Sowjetpatriotismus zusammen mit dem Stalinkult.
(...)
Das Fazit der dreißiger Jahre war für die Ukrainer schrecklich. Erst waren die Bauern terrorisiert und in der Dekulakisierung und Hungersnot dezimiert worden, während ihre traditionelle wirtschaftliche und soziale Ordnung zerschlagen und durch das von Parteileuten kontrollierte Kolchossystem ersetzt wurde. Dann war praktisch die gesamte in den Jahren 1917 bis 1920 und während der Ukrainisierung neu geschaffene ukrainische politische, wirtschaftliche und kulturelle Elite umgebracht oder in Straflager gesteckt worden. Schließlich wurden auch die sprachlich- kulturellen Zugeständnisse zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung des Russischen allmählich zurückgenommen. Die ukrainische Nationsbildung der Jahre 1917 bis 1933 wurde damit zum Teil rückgängig gemacht."
S. 238
"In der zweiten Hälfte der siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre verstärkten sich überall die Russifizierungstendenzen. Der Russischunterricht auf allen Stufen wurde stärker gefördert, 1979 wurde auch in den Vorschuleinrichtungen der obligatorische Russischunterricht eingeführt. Die Hochschulen der Unionsrepubliken sollten möglichst vollständig zur russischen Unterrichtssprache übergehen, und Russisch sollte zur «zweiten Muttersprache» aller Völker und zur Verwaltungs- und Bildungssprache in allen Regionen der Sowjetunion werden. Ziel der Politik war nicht primär die vollständige Assimilation,sondern das allmähliche «Verschmelzen» der Nationalitäten zu einem «Sowjetvolk». Diese von Brežnev propagierte «neue historische Gemeinschaft von Menschen» ließ Raum für Zweisprachigkeit, sollte aber eine vorwiegend russische Prägung erhalten."