Johannes Lucius schrieb am 25.11.2024 10:59:
über erfundene Krankheitsbilder sollte man sich keine Sorgen machen.
ADHS ist kein erfundenes Krankheitsbild, sondern eine Diagnose nach ICD.
Also ist es eine Definitionssache: Ab welchem Grad erhält eine Divergenz eine Diagnose? Wann ist eine Divergenz eine Krankheit?
Ist ADS eine Ausprägung des ADHS-Komplexes? Dem diagnostischen Schema nach schon. Man kann es jedoch differenzierter sehen. Warum?
Betrachten wir mal einige geläufige Divergenzen. Dazu hole ich etwas aus:
Autismus ist eine Diagnose bzw. ein ganzer Haufen an beieinander liegenden Diagnosen und aufgrund der Abweichung zum statistischen Normverhalten zunächst wenig umstritten auch ein anerkannter "Krankheitszustand". Die Mehrheit denkt bei Autismus zuvorderst an Asperger-Syndrom. Ist bequem stereotyp und Material für Unterhaltungsmedien. Dabei gehen im Fachbereich die Meinungen über die Zusammenlegung von Asperger-Syndrom mit den vielen anderen definierten Autismus-Formen auseinander.
Hingegen gibt es für Hochbegabung im Sinne von IQ>130 keinen ICD-Code, und offiziell ist es keine Krankheit. Dabei haben einige der Betroffenen erheblich höhere Schwierigkeiten bei der Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft ("Norm") als so manche Menschen mit Divergenzen ins Asperger-Spektrum.
Ein Teilaspekt mag sein, dass ein hoher IQ oft (aber nicht immer) zulasten des EQ geht. Und das macht es den Betroffenen und der Umgebung schwer. Reicht nicht für einen ICD-Code. Hier werden dann die Positivmerkmale einer Hochbegabung in eine Bringschuld der Betroffenen umgedeutet. Das ist nicht so leicht bzw. zielführend wie es scheint.
ADS (ohne H) wird bei Hochbegabten auch gern diagnostiziert. Das ist nicht zwingend falsch im Sinne ähnlicher Merkmale und wirksamer Behandlungsmethoden. ADHS hingegen... da würde ich eine Differenzialdiagnostik als angezeigt sehen. Zumindest sehe ich das so, ist aber durchaus Stoff für Diskussionen.
Und da sind wir wieder bei AD(H)S: Einen gewissen Grad der Divergenz kann man kompensieren. Eine passende Umgebung ist dabei hilfreich, wenngleich anstrengend für die Umgebung.
These: Es ist schwieriger, ein Kind mit AD(H)S-Merkmalen auf das Leben vorzubereiten als ein Kind mit psychopathischen oder narzisstischen Ausprägungen. Weil wir es besser gewohnt sind oder das Kind als besonders durchsetzungsfreudig empfinden (uns damit abfinden).
Und ADS (ohne H) wird leicht übersehen bzw. ist schwerer zu greifen.
Also: Wenn AD(H)S kein Krankheitsbild sein soll, dann sind die Merkmale der "Dunklen Triade" ebenfalls hinsichtlich der Betrachtung als "Störung der Persönlichkeit" zu hinterfragen.
Es gibt viele Grauzonen. Und sicher, ganz sicher ist selbst bei professioneller, korrekter und sorgfältiger Diagnose "ADHS" nach aktueller Abstufung davon auszugehen, dass ein wesentlicher Teil der Betroffenen keine Medikation braucht, sondern passende Alltagsgestaltung und -unterstützung bis hin zu verbaler Therapie. Zugleich werden die erforderlicherweise medikamentös unterstützten Behandelten mindestens die gleichen begleitenden Rahmenbedingungen und Hilfen brauchen, denn die Medikation dient nur der Stoffwechselregulierung zur Schaffung der Grundlage, die Anpassungsleistung zu trainieren. Und das bitte nur, soweit nötig - denn wir sind alle unterschiedlich und sollten es auch sein.
In anderen Worten: Nicht alle Diabetiker brauchen Insulin. Aber alle Diabetiker (auch die mit Insulingabe) sollten auf ihre Ernährung achten. Und da brauchen viele, aber nicht alle, eine gute Unterstützung.
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Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.11.2024 09:41).