Bitschnipser schrieb am 02.07.2017 13:15:
Herbstprinz schrieb am 02.07.2017 07:45:
Ich weiß nicht, wie du dir das vorstellst, aber es wird nie das gesamte Corium Kritikalität erreichen, sondern immer nur Teile, die sich in fließender Bewegung befinden, wie z.B. in einem Strudel, der sich zeitweise bildet und wieder auseinander fließt. Eine prompte überkritische Reaktion in einem Corium ist so praktisch unmöglich,
Da sind wir uns völlig einig.
aber eine immer wieder neu entstehende Kritikalität mit der Spaltung von Atomen dafür um so wahrscheinlicher.
Da nicht.
Mir ist nicht ganz klar, warum dir die Kettenreaktion so wichtig ist. Die hast du im Prinzip selbst in Natururan, wenn mal zufällig ein Neutron aus einem Kernzerfall ein U-235 erwischt, von dessen drei rausfliegenden Neutronen eines zufällig ein weiteres U-235 spaltet. Das ist dann auch eine Kettenreaktion, aber das passiert so selten, dass das im Hintergrundrauschen verschwindet.
Im Corium hast du je nach Multiplikationsfaktor ähnliche Verhältnisse: Bei einem Faktor von 0,5 sind die Ketten im Schnitt zwei Urankerne lang, bei 0,75 sind es vier, bei 0,875 acht - da sind wir schon ganz dicht an der Kritikalität, aber Achterketten machen noch nicht so furchtbar viel Energie im Vergleich zu dem, was im Corium ohnehin los ist, schließlich liegen da noch die ganzen radioaktiven Spaltungsprodukte aus dem Regelbetrieb herum, soweit sie noch nicht zerfallen sind, und die sind eine ganze Menge.
Bei einem Faktor von 1,0 enden die Ketten nicht mehr, bzw. für jede, die abbricht, startet im Schnitt eine neue. Da es im Corium keine Kühlung gibt, hast schon bei diesem Zustand über kurz oder lang Verdampfungsprozesse, aber auf 1,0 ist es ja von niedrigeren Werten gekommen, warum sollte es also aufhören? Und schon bei einem Minimum an Überkritikalität geht es ja mit der exponenziellen Neutronenvermehrung los - im verzögerten Bereich (irgendwo zwischen 1,0 und 1,07 bei Uran, soweit ich weiß) binnen Sekunden, im spontan überkritischen Bereich binnen Millisekunden.Kettenreaktionen? Sind egal. Wichtig ist der Multiplikationsfaktor.
Da ist was dran. Allerdings je dichter es an die Kritikalität heran geht desto länger wird die Kette und zwar expotentiell. Bei 0,98 ist die Kette schon 128 Atome lang. Weitere 0,05 mehr und die Kette liegt bei 256 Atomen. Nochmals 0,025 dichter an 1 und es sind 512 Atome, die gespalten werden. Und nicht zu vergessen: 512 gespaltene Atome sind mindestens 1024 neue Spaltprodukte.
Die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Kettenreaktion im Corium halte ich auch für sehr gering. Dass es aber zu relativ kurzen Kettenreaktionen kommt, die sich allein schon durch die sich verändernden Bedingungen wieder abgebrochen werden, ist die Wahrscheinlichkeit um einiges größer.
Das wäre auch eine Erklärung für die nur ein Mal und ganz kurz gemessene Neutronenstrahlung in Fukushima.