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  • noha

425 Beiträge seit 05.04.2001

Widerspruch: Moralwächter, das war einmal

Zunächst einmal:

ja, wenn man nach Kirchenmitgliedern geht, erscheint die Präsenz der Kirchenvertreter in den Rundfunkräten inzwischen überrepräsentiert. Das ist aber nicht so wichtig, weil es ohnehin nicht die Absicht war, in den Rundfunk- und Fernsehräten ein repräsentatives statistisches Abbild der Bevölkerung zu schaffen, sondern den Vertretern der "gesellschaftlich relevanten" Gruppen Einfluss zu gewähren. Und dass die Kirchen gesellschaftlich relevant bleiben, kann nicht bestritten werden. Deswegen finde ich es ja auch gut, dass nach langen Dekaden endlich auch Muslime in den Räten sitzen.

Was man aber generell überdenken sollte, ist die Frage, ob die Räte überhaupt so strukturiert sein sollten, wie sie es gerade sind, weil es auf diese Weise so gut wie nur Lobbyisten (die zumeist auch Politiker sind) in die Räte spült. Und man sollte bei allen (nicht nur bei den religiösen) nachhaken, was sie in den Räten bewirkt haben, oder ob sie einfach nur Sitzungsgeld kassiert hatten. Man könnte sich da z.B. die Vertreter der Jugendringe herauspicken, die einem mal erklären sollen, warum es in den öff.rechtlichen lange Zeit so gut wie kein Programm für 14-30-jährige gab und ob und was sie dagegen taten...

Mir wären Rundfunkräte lieber, die man per Zufall einsetzt und die dann einen lobbyfreieren Blick ermöglichen.

Aber zurück zu den Kirchen und ihre Rolle als "Medienwächter". Tatsächlich geben die Kirchen schon seit langem Printmedien heraus, die wichtige Funktionen erfüllen:

- Funkkorrespondenz (jetzt: Medienkorrespondenz)
- filmdienst (wird leider jetzt als Print eingestellt)
- epd medien (immer noch 2wöchig am Bahnhof erhältlich, empfehlenswert!)

Insbesondere die letzten beiden Medien haben mir in den letzten 3 Jahrzehnten beim Kuratieren eines nichtkommerziellen Arthaus-Programms vor Ort so etwa 1000x mehr geholfen als bsp.weise "Cinema". Und die Zeiten, in denen sich diese Medien als "Moralwächter" aufspielten, sind schon lange vorbei. War das "Wir raten ab" in den 60er und 70er Jahren noch eine Art Gütesiegel für Gorehounds, ist man von dieser Art Verachtungskritik eigentlich schon lange abgerückt; wenn sie dann doch mal kommt, ist sie auch berechtigt ...

Filme wie "Das brandneue Testament" oder "Antichrist" werden in diesen Medien fair behandelt und nach cineastischen Maßstäben bewertet, diese Kritiker-Teams haben nämlich inzwischen literarische Narrenfreiheit und der Bischof hat eh' anderes zu tun als in den filmdienst zu gucken.

Und nochmal zur gesellschaftlichen Relevanz: Auch die Atheisten profitieren indirekt von den Kirchen.

Ohne die Kirchen hätten wir nämlich schon lange keine Sonntage mehr, in denen die Gesellschaft über soziale Grenzen hinweg Gelegenheit hat, zueinander zu finden.

Und: die Kirche beschäftigt in ihren Administrationen Menschen, die auf dem freien Arbeitsmarkt nur schlechte Chancen hätten.

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