Sinerider schrieb am 29.01.2024 12:26:
1. Der US-Dollar ist überbewertet, weil er als gerne verwendetes internationales Zahlungsmittel öfter mal von den Zentralbanken gehortet wird.
Richtig ist, daß der US-Dollar so teuer ist, _weil_ er seit dem 2. Weltkrieg (Bretton-Woods-Abkommen) das internationale Zahlungsmittel ist. Und die USA werden alles tun, damit das auch weiter so bleibt. Zumindest werden sie es versuchen, notfalls wird man halt Taiwan opfern.
2. Diese Überbewertung führt zu einem Handelsdefizit der USA. Im letzten Jahr waren das rund eine Billion US-Dollar.
Nö. Das Handelsdefizit entsteht, weil die USA seit Jahrzehnten über ihren Verhältnissen leben. Bereits Ende der 60er Jahre war das allen klar und nicht ohne Grund hat Frankreich damals sein Gold abgeholt. Die USA drucken endlos Geld, früher Petrodollars genannt, haben aber langsam ein Problem mit den Zinsen. Der Dollar müßte aus Sicht der USA massiv entwertet werden, darf es aber nicht - aus Sicht der USA. Unlösbares Dilemma...
3. Da in den USA die privaten Haushalte und die Unternehmen Nettosparer sind, muss dies der Staat durch eine jährliche Neu- und Höherverschuldung ausgleichen, um nicht in eine Rezession abzugleiten. Möchte man dann auch noch Wirtschaftswachstum, muss die staatliche Verschuldung noch höher ausfallen. In den USA waren das im letzten Jahr 2,3 Billionen Dollar.
Alleine die Ausgaben für das Militär und die Zinsen (für die Schulden, die auch durch das Militär entstanden sind) sind inzwischen so hoch, daß ohne weitere Schulden eh nichts mehr geht. 2022 waren es allein für das Militär offiziell 877 Milliarden - das doppelte dürfte aber realisitisch sein, denn dort sind nicht mal die ganzen Foschungsprogramme etc. mitgerechnet. Mit den in den nächsten Jahren massiv steigenden Zinskosten von mehr als eine Billion - autsch. Das geht nur gut, wenn man weiter fest auf das Schneeballsystem aka US-Bonds vertraut. So lange man eigentlich wertlose alte US-Bonds mit ebenso eigentlich wertlosen neuen US-Bonds bezahlen kann - alles gut.
4. Auch wenn man sagt, den USA macht die hohe Staatsverschuldung nichts aus, das Geld wird einfach von der FED gedruckt, so muss man doch anerkennen, dass der Staat für seine Anleihen Zinsen zahlen muss. Die sind aber netto nicht so hoch wie im Beitrag angegeben, da die FED einen großen Teil der Staatsanleihen aufgekauft hat und die dafür vom Staat bezahlte Zinsen an den Staat zurück überweist.
s.o.
5. Viel unangenehmer sind die Auswirkungen auf die Beschäftigung. Ein Handelsdefizit bedeutet, dass Industriearbeitsplätze verloren gehen. Das hat Präsident Trump richtig erkannt. Sein Vorschlag jetzt bei den Vorwahlen sind Zölle in Höhe von 10 % auf alle Importe. Das ist durch die WTO/GATT-Vereinbarungen gedeckt, siehe dazu dort unter Zahlungsbilanz.
Die USA sind seit Jahren dabei wieder massiv Arbeitsplätze zurückzuholen. Zwar auch mithilfe von weiteren Schulden, aber man wird sehen, ob und wie weit das gut gehen wird. Man darf aber auch nicht vergessen, daß im gleichen Moment die massive Überproduktionen einiger Güter (z.B. Stahl) in China sinken werden, da die politische und soziale Situation es erlauben wird, dort mehr schon lange sinnlose Fabriken zu schließen. Ich sehe das ganze eher neutral in seiner Wirkung, aber das wird erst die Zukunft zeigen. Wenn CIPS ein Erfolg wird, kommt es eh zu einer weiteren Entkoppelung der großen Weltwirtschaften, abwarten.
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6. Das Ausland finanziert seine eigenen Handelsüberschüsse nicht. Kauft jemand etwas vom Ausland und hat das entsprechende Geld nicht, dann geht er zu seiner Bank und nimmt bei ihr einen Kredit auf. Bei dieser Schuldenaufnahme ist das Ausland nicht beteiligt.
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Das ganze System wird sowieso nicht mehr lange halten. Die Spannungen zwischen den USA und China sowie das Einfrieren der russischen Einlagen wird zur Folge haben, daß alternative Systeme wie CIPS zunehmend einen großen Teil des Welthandels abwickeln werden. Ob und wie dann noch Währungsreserven eine große Rolle spielen - abwarten.
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7. Richtig ist, dass bei einem Handelsüberschuss des Auslands, dieses Fremdwährung erhält. Mit diesen Devisen hat es dann eine Forderung gegenüber seinen Handelspartner. Was er mit diesen Devisen macht, ist ihm frei überlassen. Man kann es "unter das Kopfkissen" legen. Das ist grundsätzlich keine gute Idee. Dennoch wird das von China so gemacht. Das Geld wird gehortet, steht dem Finanzsektor nicht zur Verfügung und verknappt das Angebot. Was zu einer weiteren Überbewertung des Dollars führt und damit zu einem unfairen Handelsvorteil.
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Nein, das Geld wird nicht "gehortet", sondern das System ist schon lange so kaputt, daß ein ausgeglichener Handel gar nicht möglich ist. Auch Russland hat z.B. schon vor Jahren angefangen seine Bestände an US-Bonds abzubauen, denn es ist absehbar, daß das System so nicht mehr weiter laufen kann.
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8. Wenn China sich von seinen US-Staatsanleihen trennt, dann erhält es dafür Dollars. Die gute Frage ist, was dann mit diesem Geld gemacht wird. Stellt man es dem Finanzmarkt zur Verfügung, dann wird der Außenwert des Dollars gesenkt. Das bedeutet, die USA müssen dann zwar mehr für die Importgüter bezahlen, aber die Exporte werden angeregt. Das hat unter dem Strich eine positive Auswirkung. Näheres dazu kann man auf Wikipedia unter "Marshall-Lerner-Bedingung" nachlesen.
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China hat seit rund 10 Jahren angefangen, die massiven Überschüsse nicht weiter steigen* zu lassen, sondern gezielt auf einem gewissen Niveau zu halten. Massive Investitionen in den Nachbarländern und den Ländern der 3. Welt haben dazu beigetragen, große Teile der gehorteten Billionen wieder loszuwerden, ohne dabei die Stabilität des Systems zu gefährden. Ziemlich geschickt gemacht, und ein weiterer Nebeneffkt davon ist, daß China inzwischen auch in anderen Währungen ziemlich gut dasteht. Ganz anders als die USA.
Insgesamt betrachtet ist die massive Überschuldung der USA ein erhebliches Risiko für den Frieden in der Welt. Es bleibt abzuwarten, ob die Wirtschaf der USA friedlich zugrunde geht, oder ob eine Re-Industrialisierung noch vor der Pleite ein Erfolg wird. Ich halte zur Zeit beides für gleich wahrscheinlich.
* Es gibt Zweifel an den offiziellen Zahlen, daß nämlich China über "versteckte" Reserven von noch mal gut 3 Billionen US-Dollar verfügt - über Staatsfonds und staatlich gelenkte Banken etc. pp. Naja, hab meine Zweifel ob der Summe, aber ganz falsch wird es auch nicht sein. Macht aber das System nicht besser oder stabiler, sondern eher noch fragiler und fragwürdiger.