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  • Bartträger

mehr als 1000 Beiträge seit 27.07.2005

Re: Winterkrieg

nicolas/ schrieb am 08.08.2022 11:14:

Bartträger schrieb am 08.08.2022 11:05:

Die wollte nur einen Gebietstausch, damit nach der neuen politischen Geographie eine militärisch offene Flanke zu einer russischen Großstadt etwas geschlossen werden konnte.

Wie unsensibel von den Finnen, dass sie diese Bescheidene Forderung einfach zurückgewiesen haben. Und dabei haben die Sowjets wirklich nett gefragt!

Du hast natürlich vollkommen Recht. Da aber nicht alle die Geschichte einigermaßen parat haben, hier etwas auserzählt als Zitat:
Finnland erlangte nach der russischen Oktoberrevolution 1917 seine Unabhängigkeit vom ehemals zaristischen Russland und wurde am 2.1.1918 von der Sowjetunion anerkannt. Die bürgerliche finnische Regierung schlug mit Hilfe deutscher Truppen die revolutionäre Bewegung im eigenen Lande brutal nieder und machte das Land zum Aufmarschgebiet westlicher Interventionstruppen, die die sozialistische Revolution in Russland niederschlagen wollten. Die junge Sowjetunion, geschwächt durch die Vielzahl von Abwehrkämpfen gegen die Interventionen, musste am 14.10.1920 im Vertrag von Dorpat, Finnland erhebliche territoriale Zugeständnisse machen.

Die sowjetische Staatsgrenze und im besonderen Leningrad waren dadurch bedroht von der Seeseite (Finnischer Meerbusen) und von Landseite (Karelische Landenge). Diesen Zustand zu verändern bemühte sich die sowjetische Regierung in den 1930er Jahren. Sie schlug Finnland unter anderem einen Gebietstausch vor und wollte Inseln von Finnland pachten, um einen Marinestützpunkt am Eingang des Finnischen Meerbusens errichten zu können. Die finnische Regierung lehnte aber alle Vorschläge ab. Sie betrachtete die Sowjetunion als Gegner und errichtete mit Hilfe unter anderem der Deutschen an der karelischen Grenze starke Militäranlagen (Mannerheimlinie) und Flugplätze „die den Bedarf der finnischen Luftflotte um das Zehnfache überstieg.“ (1)

Als die Hitler-Faschisten am 1. 9. 1939 Polen überfielen, bemühte sich die Sowjetunion verstärkt um die Verbesserung der Sicherheit ihrer Grenzen. Der Schutz Leningrads kam wieder auf die Tagesordnung. In drei Verhandlungen in Moskau beginnend am 12.10.1939 mit finnischen Vertretern, wurde aber kein Ergebnis erzielt. Stalin war bei allen drei Gesprächen dabei. Er erklärte beim ersten Treffen dem finnischen Sonderbeauftragten Paasikivi die sowjetischen Vorstellungen: „Wir müssen in der Lage sein, den Zugang zum Golf von Finnland zu blockieren. (…) Wir ersuchen Sie, die Entfernung von Leningrad bis zur Grenze auf 70 Kilometer zu verlängern. Das ist eine Minimalforderung und Sie dürfen nicht glauben, dass wir von dieser Forderung schrittweise abrücken werden. Wir können Leningrad nicht versetzen; also muss die Linie versetzt werden. … Wir verlangen 2.700 Quadratkilometer und bieten als Gegenleistung mehr als 5.500 an.“ (2) Die sowjetische Seite versuchte in den Gesprächen Kompromisse zu finden. Diese Kompromissbereitschaft aber wurde von finnischer Seite als Schwäche ausgelegt. Experten war der Wunsch der Sowjetunion, ihre Grenze zu sichern, absolut verständlich. Der britische Journalist Werth schrieb: „Für mich war es völlig klar, daß die Korrektur der Grenzen nördlich und nordwestlich von Leningrad für die Sowjetunion von lebenswichtiger Bedeutung war …“ (3)

Die finnische Delegation verließ Moskau das letzte Mal am 13. November 1939. Obwohl die Verhandlungen gescheitert waren, waren sie nach den Aussagen V. Tanners, führender Sozialdemokrat, finnischer Außenminister und kompromissloser Hardliner in den Gesprächen, in einer freundschaftlichen Atmosphäre geführt worden. „Die Verabschiedung war beiderseits freundlich. Stalin sagte sogar: ,… viel Glück!‘ und Molotow: ,Bis wir uns wieder treffen‘“.(4)

Paasikivi bewertete einige Jahre später die Vorschläge der Sowjetunion zur Veränderung der Grenzlinie „als zurückhaltend und gemäßigt“.

Schon während der Verhandlungen hatte in Finnland die Mobilmachung begonnen. Teile der Bevölkerung wurden aus den grenznahen Gebieten evakuiert und an der Grenze zur Sowjetunion wurden 15 Infanteriedivisionen konzentriert.

Am 26.11.1939 eröffneten finnische Truppen dann das Feuer auf sowjetischen Grenzsoldaten. Es gab vier Tote und sechs Verletzte. Außenminister Molotow teilte der finnischen Regierung mit, dass „die Regierung der UdSSR (…) nicht die Absicht (hat), die Bedeutung dieser scheußlichen Tat über Gebühr herauszustellen.“ (5)

Die sowjetische Regierung schlug vor, „dass die finnische Regierung unverzüglich ihre Truppen auf der karelischen Landenge 20–25 km von der Grenze abrücken sollte, um so jede Möglichkeit der Wiederholung von provokatorischen Handlungen dieser Art auszuschließen“.(6)

In ihrer Antwort forderte die finnische Regierung die sowjetische Regierung auf, ihre Truppen ebenfalls 30 Kilometer zurückzuziehen. Das hätte bedeutet, bis in die Vororte von Leningrad. Die finnische Regierung war an keiner friedlichen Lösung des Problems interessiert. Weil die Grenzprovokationen anhielten, wurde am 28.11. von Seiten der Sowjetregierung der Nichtangriffspakt von 1932 gekündigt. Am 30.11. begannen die Kampfhandlungen.

In den Medien im Westen wurde jetzt die antikommunistische Hetze zur Hysterie gesteigert. Auch die sozialdemokratisch beeinflussten Parteien und Gewerkschaften Frankreichs und Englands beteiligten sich an den Verleumdungen der Sowjetunion. Es wurde zur Unterstützung Finnlands aufgerufen und Freiwillige geworben. Finnland erhielt Waffen, Kriegsmaterial und Kredite. Die britische und französische Regierung wollten trotz der Bedrohung durch Nazi-Deutschland sogar Soldaten schicken. Der Kriegsverlauf, die Ablehnung Norwegens und Schwedens Truppen durch ihr Territorium transportieren zu lassen, verhinderte die Umsetzung dieser Pläne. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es der Roten Armee, die Mannerheimlinie zu durchbrechen und der finnischen Armee eine Niederlage beizubringen.

Am 29. März 1940 erklärte Molotow dem Obersten Sowjet der UdSSR: „Die Sowjetunion vernichtete die Finnische Armee und obwohl sie ganz Finnland hätte besetzen können, tat sie dies nicht und forderte keinerlei Kriegsentschädigung, was jede andere Macht getan hätte, sondern beschränkte ihre Forderungen auf ein Minimum.“(7)

https://www.mlpd.de/2014/kw37/1939-sowjetisch-finnischer-krieg

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