Menarfin schrieb am 09.11.2021 14:25:
Was spricht gegen eine staatseigene Infrastrukturgesellschaft und einer bzw mehreren privaten Gesellschaften die die Dienste dieser Gesellschaft nutzen?
Mir fallen im Augenblick keine (historischen) Beispiele ein, die dagegen sprechen würden. Deswegen halte ich das Modell in unserer derezeitigen Situation auch für einen Ansatz, der uns einen Weg aus dem Schlamassel ermöglichen kann. Winfried Wolf sieht das ja wohl auch so.
Falls der Eindruck entstehen sollte ich wäre ausschließlich für Staats- oder Privatbahnen, so ist das nur dem Umstand geschuldet, daß man nicht immer wieder alles in einen Beitrag packen kann.
So wie die totale Privatisierung für das Eisenbahnssystem in aller Regel der Niedergang ist, so hat auch eine allumfassende Staatsbahn die Tendenz zu Verkrustungen und Stillstand und folglich im dynamischen Gesamtverkehrsmarkt den Niedergang zur Folge. Das Problem ist nicht primär die Frage nach der Eigentümerschaft, sondern eher der Eigenschaft der Infrastruktur ein natürliches Monopol zu sein. Mit Monopolen wird immer Unfug getrieben, egal ob es von einem Privatkapitalisten oder Politikern kontrolliert wird - ist in der Narur der Menschen so angelegt.
Zum Ausgangsposting: S21 hat in der Behördenstruktur keine Chance gehabt. Die Widerstände aus der betroffenen (behördlich organisierten) Bundesbahndirektion sind fast legendär. Darum wurden Leute gesucht und gefunden, die diese Struktur aufbrachen. Hier haben wir also einen Punkt, der für eine staatliche Infrastruktur spricht. Es gibt aber auch erfolgreiche Gegenbeispiele: Taunusbahn (Friedrichsdorf - Brandoberndorf), Haller Willem (Osnabrück - Bielefeld) oder Regieobahn ([zukünftig Viersen-] Kaarst - Mettmann (- Wuppertal seit 2020)). Diesen Beispielen ist gemein, daß nicht die Frage "Staat oder privat" im Vordergrund stand, sondern die Menschen in der Region (vertreten durch die kommunalen Gebietskörperschaften) einfach eine funktionierende Eisenbahn wollten. Das erste und letzte Beispiel befinden sich derzeit in der Phase der Elektrifizierung, da anders der anhaltende Erfolg einfach nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. Die Deutsche Bundesbahn/Deutsche Bahn AG wollten die Strecken einfach still legen - wie so viele andere auch. Quer zur derzeit laufenden Diskussion ist diesen Beispielen auch gemein, daß bei diesen Vorzeigeprojekten Netz und Betrieb in einer Hand liegen.
Die DB AG hingegen betreibt mit dem Netz Schindluder, wie Wolf es in seinem Artikel gut heraus gearbeitet hat. Deswegen ist das Modell der erfogreichen, "privatisierten" (privat ist da nix, es sind einfach andere öffentliche Hände als der Bund) Bahnen nicht einfach übertragbar.
Gebot der Stunde ist meines Erachtens, daß das natürliche Monopol Netz aus den Händen der schlecht kontrollierten Abzocker in der DB-Führung genommen wird und Druck auf die Eigentümervertreter (allen voran dem Bundesverkehrsministerium) ausgeübt wird, die Eigentümerinteressen tatsächlich wahr zu nehmen - einschließlich der Bereitstellung der dafür notwendigen Mittel - um letztlich ein funktionierendes Netz zu bekommen.
Gruß trainspotter