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  • ratwol22

mehr als 1000 Beiträge seit 22.02.2022

Re: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Auch ich hatte da ein persönliches Erlebnis Anfang diesen Jahres.
Ein Bekannter, der mit mir in einer Gruppe für Menschenrechte tätig war, beendete seine Aktivität in unserer Gruppe aus Alters- und Gesundheitsgründen. Die Gruppe arbeitetet hauptsächlich zum Iran.

Nun wurde in unserer Gruppe ein Abschiedsgeschenk diskutiert. Ich kam auf die Idee, ein Samowar aus iranischer Produktion als Geschenk. Mit einem Arbeitskollegen aus dem Iran habe ich im Vorfeld die Möglichkeiten für eine Lieferung nach Deutschland besprochen. Er suchte danach auf iranischen Webseiten und fand ein Gerät aus Edelstahl mit einer tot-schicken Teekanne aus Porzelan. Ich informierte alle Gruppenmitglieder, die begeistert waren. Ich bestellte. Das Gerät wurde geliefert und landete beim Zoll meiner Stadt, so die Informationionskarte eines deutschen Paketzustellers. Ich fahre zu der Vertretung des Zolls in meiner Stadt - mit meiner Freudin.
Der Leiter der Zollstelle ließ mich das Paket auspacken. Eine anwesende Zoll-Beamtin bemerkte: "Die Teekanne ist außergewöhnlich schön." Danach sagte der Vorgesetzte des Zolls zu mir schmerzhaft aber kurz: "Das Prozedere können wir abkürzen. Die CE-Kennzeichnung ist nicht korrekt. Das elektrische Gerät wird diesen Tisch schon aus diesem Grund nicht verlassen. Zudem haben wir eine Liste von iranischen Unternehmen, die unter die Sanktionen fallen. Wenn ich nun da nachschaue und das Unternehmen in der Liste finde, erfolgt sofort eine Anzeige wegen Bruch von EU-Sanktionen. Eine Verurteilung zieht mindestens eine Haftstrafe nach sich. Oder Sie packen das Gerät wieder ein und schicken es zurück. Ihre Entscheidung."

Nun: ich habe mich dann schnell entschieden und das Samowar wieder eingepackt. Der deutsche Paketzusteller hat es dann wieder abgeholt zwecks Rücksendung in derselben Woche.
Meine Freundin war sauer auf mich: wie könne ich zu rechtswidrigen Handlungen bereit sein.
Tja. Meine Ahnungslosigkeit hätte mich voraussichtlich nicht vor einer Strafe geschützt.

Als Geschenk bekommen hat des ausscheidende Gruppenmitglied dann ein Buch über die Geographie des Iran von einem sehr bekannten und geachteten Verlag für wissenschaftliche Bücher. Der Geldbetrag, den ich für das Samowar bezahlt habe (mittels Bargeld-Transport in den Iran), ist verloren. Ich schlug meinem iranischen Arbeitskollegen vor, das Samowar an eine bedürftige Familie im Iran zu spenden.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (17.12.2023 00:42).

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