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  • 12haf

615 Beiträge seit 24.01.2002

auch ohne 2021 hohe Gewinnsteigerung

EmDee schrieb am 03.10.2023 00:49:

2021...zählt nicht. Schlicht weil die meisten Kollegen und Kolleginnen bis zum Umfallen gearbeitet haben...
Ein nicht unerheblicher Teil des Frustes besteht eben darin, dass im Quartal 1/2023 die Gewinne massiv gefallen sind - und zwar unter denen des Q1/2020, weil die Budgetierung sie eiskalt erwischt hat. Rückzahlungsforderungen der KV sind tatsächlich vorgekommen, und zwar oft.

Aber selbst wenn man nur den Zeitraum 2011 bis 2019 betrachtet, ist der Reingewinn um 39% gestiegen (1). Die durchschnittlichen Löhne dagegen um weniger als 25% (2).
Auch wenn man alle Krisenjahre weg lässt, sind die Einnahmen der Praxen des Fachgebiets Allgemeinmedizin deutlich stärker gestiegen als die der Arbeitnehmer in D.

Wenn dann 2021 ein besonders gutes Jahr war, schön für die Allgemeinmediziner. Ihnen ging es so wie den Superreichen, die in der Krise besonders viel Kohle gemacht haben (3, 4).
Im Vergleich dazu gab es 2020, 2021 trotz Pandemie rund 31000, 29000 Zwangsräumungen (5). Die Reallöhne sind 2020 um -1.1%, 2021 um -0.1% und 2022 um -4% gefallen. Im ersten Quartal 2023 nochmals -2.3% (6).

Wenn also im Quartal 1/2023 die Gewinne der Praxen wieder auf ein "normales" Niveau (das immer noch deutlich über dem der durchschnittlichen Löhne liegt - siehe oben Reingewinn-Entwicklung 2011-2019) zurück gegangen sind, sprich auf dem Niveau von 2020 liegen, ist das immer noch deutlich besser als das was Lohnempfänger erleben durften und zeigt einmal mehr wie abgehoben die Einkommens-Eliten sind.

Klar die Milliardäre in D haben 2021 noch mehr Schotter gemacht, der Milliardär Klaus-Michael Kühne, mit laut Forbes geschätzt mindestens 37 Mrd Vermögen (2021), hat allein mit seinen Hapag-Lloyd Anteilen 3.3 Mrd Euro Dividende gemacht (7). Aber solche Perversionen des Kapitalismus können kein Maßstab sein.

Und eine Allgemeinarztpraxis kriegen sie an den meisten Stellen nicht verkauft - oder nur für einen symbolischen Preis,

Oh, da sagt mir Arzt&Wirtschaft (2018) aber etwas ganz anderes (8):

Die Übernahme als Einzelpraxis bleibt mit 52 Prozent die häufigste Form der Niederlassung als Hausarzt. Die dafür gezahlten Kaufpreise sind im Vergleich zu 2015 um rund 20 Prozent auf durchschnittlich 94.000 Euro gestiegen. Die im Schnitt günstigste Niederlassungsvariante war die Überführung einer Einzelpraxis in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), damit waren 2017 durchschnittliche Gesamtinvestitionen in Höhe von 97.000 Euro verbunden. „Sich in einer eigenen Praxis allein niederzulassen ist offenbar nach wie vor eine attraktive Option für ärztliche Existenzgründer“, sagt Daniel Zehnich, Bereichsleiter Gesundheitsmärkte und -politik der apoBank.

Der Reingewinn ist keinesfalls mit dem Bruttolohn vergleichbar, weil die Sozialbeiträge sich allesamt verdoppeln - es fällt der Arbeitgeber*Innenanteil weg. Mag sein, dass Finanzfüchse das partiell kompensieren können, die meisten Allgemeinärzt*Innen sind aber keine Finanzgenies und haben das auch nie gelernt - im Vergleich zu sagen wir Meistern im Handwerk, wo das ein Teil der Ausbildung ist.

Die Praxisärzte treten aus der solidarischen gesetzl Rentenversicherung aus und werden Mitglied im einem von 89 ärztlichen Versorgungswerken. Dadurch sinken deren Beiträge (z.B. von knapp 19% auf 14%) und erhalten eine höhere Rente, da nur für sich selbst vorgesorgt wird (damit werben die ÄVW).

Oder man lässt sich komplett von der Rentenversicherung "befreien" und sorgt nur privat für sich vor.
In jedem Fall sind rund 25 t€ jährlich (unverheiratet, verheiratet doppelt so hoch) für die Altersvorsorge direkt steuerlich absetzbar.

Die niedrigeren Beiträge der PKV (verglichen mit der gesetz KV) sind steuerlich in Höhe des Basistarif voll absetzbar.

Zinszahlungen absetzbar, Dienstwagen, Abschreibungen, Arbeitszimmer im Privathaus,...

Um diese Optionen im Steuersystem wahr zu nehmen muss man kein Finanzgenie sein, das macht jede Steuersoftware für 30€ (die ebenfalls absetzbar ist) von ganz alleine.

Und der Rückwechsel in die GKV klappt damit auch nicht - ich persönlich kenne auch nur eine Person, die das geschafft hat, und das dann auch mit 40 Jahren - nach 5 Jahren PKV.

Bitte, mir kommen gleich die Tränen. Dass dieses widerlich amoralische Verhalten keiner an die große Glocke hängt ist klar. Für den Rückwechsel gibt es mehrere Wege, die Altersgrenze dafür ist 55 Jahre.

Man lässt sich in seiner alten Praxis vom Nachfolger anstellen, geht ins EU-Ausland und tritt bei der Rückkehr wieder der GKV bei,...

(1) https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Dienstleistungen/Publikationen/_publikationen-innen-statistischer-bericht.html
(2) https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Einkommen-Armut/Datensammlung/PDF-Dateien/tabIII1.pdf
(3) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/vermoegen-deutschland-millionaere-101.html
(4) https://www.wsws.org/de/articles/2022/01/03/rich-j03.html
(5) https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-12/zwangsraeumungen-deutschland-trend-bayern
(6) https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/Tabellen/liste-reallohnindex.html#134650
(7) (3) https://www.n-tv.de/wirtschaft/Hapag-Lloyd-zahlt-Kuehne-mehr-als-drei-Milliarden-Euro-article23955315.html
(8) https://www.arzt-wirtschaft.de/praxis/praxiskauf/existenzgruendung-hausaerzte-preise-fuer-praxisuebernahmen-stark-gestiegen/

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (03.10.2023 05:50).

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