Ansicht umschalten
Avatar von Sentinel
  • Sentinel

mehr als 1000 Beiträge seit 08.05.2023

Die Kunst der AfD, von einem Kulturkampf zu profitieren

"Nun zeigt sich nach der Berliner Wiederholungswahl, dass es keinen Einfluss auf die Wähler am Stadtrand hat, wenn in der Berliner Innenstadt gegen Rechts demonstriert wird. "

Diese Schlussfolgerung dürfte man streng genommen erst dann vornehmen, wenn man die Zahlen aus den selben Bezirken unmittelbar vor Beginn der anti-AfD-Proteste und dem jetzigen Wahlergebnis dort miteinander in Beziehung setze würde.

Ohne diesen direkten Vergleich könnte es nämlich genauso gut sein, dass die AfD noch im Dezember dort etliche Prozentpunkte mehr auf dem Konto gehabt hätte, die nun eingeschmolzen sind - z.B. aufgrund des Umstands, dass die AfD sich selbst mit nazistischen Deportationsphantasien in Verbindung gebracht hat.

Ein Aspekt, der mir hier noch in der Analyse fehlt, ist die Rolle der Leitmedien und des ÖRR - gar nicht mal in Bezug auf irgendwelche konkreten AfD-bezogenen Themen sondern in deren quasi top-down-Handhabung zentraler gesellschaftlicher Aspekte, wie etwa der Sprache.
Nehmen wir mal zum Beispiel das Gendern. Man könnte sich hier ganz neutral auf den Standpunkt setzen und sagen: Sprache ist etwas, das sich organisch und aus der Mitte der Gesellschaft fortwährend entwickelt. Die Rechtschreibwerke etc bilden diese innere Entwicklung lediglich ab, sie beschreiben sie nur, oder wie Martin Luther zu sagen pflegte; man muss "dem Volk auf's Maul schauen".
Stattdessen findet nun aber sowohl von den staatsvertraglichen Medien (ÖRR) wie auch von einer Mehrzahl der insbesondere links.progressiven Leitmeiden, von Universitäten und Schulen eine de facto-Vorgabe statt: es wird die unbedingte Erwartung generiert, dass gefälligst gegendert zu werden hat: das ist das Gegenteil eines organischen Wachstums, es ist eine von oben herab diktierte "Entwicklung".
Damit einhergehend ebenfalls eine immer offener zur Schau getragene Verabscheuung traditioneller kultureller und Familienmodelle. Der Spiegel verstieg sich vor einigen Monaten in einem seiner Leitartikel dazu, die "Familie aus Vater, Mutter und Kind" als "blödsinnig" zu bezeichnen. Ganz so, als ob eine intakte und glückliche Familie in traditioneller Form etwas Verabscheungswürdiges sei, das dem Fortschritt im Wege stehe und nur wer polyamorös und paansexuell nach dreifacher Umbenennung in einer Kommune lebe, sei ein echter Demokrat - mal überspitzt formuliert

Auf diese Weise wird eine Kulturdebatte, eine friedliche und respektvolle Koexistenz zu einem Kulturkampf: wer nicht "progressiv" ist, der ist ist automatisch "dumm", "Bauer", "Vollpfosten".

Das Tragische daran: Die AfD tut nur so, sie simuliert ein Interesse an solchen kulturellen Begriffen und Themen in Wirklichkeit geht es ihr aber nur darum, ihr rechtsextrem-völkisches Gedankengut unter die Leute zu bringen.
Die AfD versteht es wie keine zweite Partei - von einer nun neuen Ausnahme, dem BSW, abgesehen! - auf diesen Kulturkampf, der gar nicht ihrer ist, aufzusatteln und sich als Retter des Abendlandes aufzuspielen.

Wenn man also der AfD die Segel aus dem Wind nehmen will, dann braucht die gesamtgesellschaftliche Debatte eine neue Entspannung und neue Toleranz. Je radikaler die Progressiven die Superiorität ihrer eigenen Lebensmodelle propagieren, umso stärker fallen die Abgernungsreaktionen am anderen Ende des politischen Spektrums aus.
Das hat sogar der Altliberale Bill Maher sehr richtig erkannt, den wahnsinn mittlerweile nicht nur bei den Trump'schen Rednecks sieht, sondern auch in der extrem progressiven Linken.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten