Da sich auch Teile der Ampel-Koalition, die aus verschiedenen, zum Teil sehr berechtigten Gründen in der Kritik steht, nach dem Correctiv-Bericht an Großdemonstrationen "gegen Rechts" beteiligten, besteht ohnehin die Gefahr, dass der Bericht als "Regierungspropaganda" abgetan wird. Dabei brauchte es ihn eigentlich gar nicht, um zu belegen, wo die AfD grundsätzlich hin will. Öffentliche Reden und geleakte Chats sagen darüber im Grunde genug aus.
Nun, für Claudia Wangerin mag das klar sein. Wenn ich meinerseits das AfD-Programm studiere, finde ich das nicht so einfach zu beurteilen. Wenn ich natürlich Chats und öffentlich Reden hinzunehme, ergibt sich wieder ein anderes Bild, wenn ich allerdings Chats und öffentliche Reden von Mitgliedern der Regierungsparteien und der CDU studiere, graust es mir nicht minder, ja zum Teil sogar mehr.
Tatsächlich glaube ich nicht, dass die AfD oder eine andere Partei darauf hinarbeiten einen faschistischen Führerstaat nach dem Modell der NSDAP wiederauferstehen zu lassen. Dafür fehlt es zum einen an den charismatischen Führern/Führerinnen, zum anderen ist ein solches Modell in Deutschland und Europa „verbrannt“ bzw. es ist schlicht nicht zeitgemäß. Wenn also AfD-Granden und andere in Deutschtümelei und Fremdenfeindlichkeit schwelgen, ist das zwar zum einen eklig und zum anderen für die Immigranten bedrohlich, aber es wird wohl kaum dazu führen dass der eliminatorische Rassismus bei uns eine Wiederauferstehung feiern könnte.
Also wo will die AfD oder diejenigen, die in der AfD das Sagen haben, eigentlich hin? Ich weiß es nicht, aber ich hätte es interessant gefunden , von Claudia Wangerin etwas darüber zu erfahren. Ich bin nicht der Ansicht, dass man so komplexe Fragen einfach mit einem Verweis auf Common Sense abtun kann, denn auch dieser Common Sense ist etwas Geformtes und es gibt Interessengruppen, die vieles dafür aufwenden, dass der Common Sense eine bestimmte Überzeugung annimmt. Meine persönliche Vermutung ist, dass die AfD an die Macht will, so wie alle anderen Parteien auch, und dass ihre Vertreter bereit sind, das zu tun, was dafür nötig ist, also die dafür notwendigen Überzeugungen anzunehmen.
Was mich tatsächlich mehr beunruhigt als die AfD und ihre möglichweise vorhandene rückwärts gewandte Nähe zu historischen Abgründen, das sind die Entwicklungen, die ich heute beobachte und die nach meinem Dafürhalten in Richtung Totalitarismus tendieren. Totalitarismus kann ich mir auch sehr gut ohne altfaschistisches Brauchtum vorstellen, selbst ohne den klassischen Rassismus, obwohl ich auch heute beobachte, dass es Tendenzen gibt, die Bevölkerung eines Landes, das als feindlich klassifiziert wird, mit durchaus rassistisch gefärbten Reden in die Nähe von Hunnenhorden zu rücken. Und diejenigen, die das bedenkenlos tun, können durchaus bekennende Philosemiten und Antifaschisten sein.
Die größte Gefahr sehe ich heute in der schrittweisen Einschränkung der Meinungsfreiheit und aus meiner Sicht trägt dazu z. B. auch die Kontaktschuld bei, die es verbietet, sich heute z. B mit AfD-Politikern inhaltlich auseinanderzusetzen und stattdessen auf einen Common Sense verweist, laut dem die AfD als Ganzes und in ihren eigentlichen Bestrebungen so abartig sei, dass sich jeder Kontakt mit ihren Vertretern verbiete.