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Avatar von NavesII
  • NavesII

96 Beiträge seit 25.01.2019

Re:

Sorry, ich schaffe es nicht in angemessener Weise auf dein Post zu antworten. Normales Tageswerk braucht Zeit und ich habe schon wieder viel zu viel hier abgehangen.
Daher nur sehr kurz:

Ich habe Dostojewski dereinst sehr viel gelesen, mit angehaltenem Atem, mich aber mit seiner Biografie nicht beschäftigt. Regressiv waren sicher auch andere Autoren, zum Beispiel Fontane, der auch einer guten alten Zeit anhing, ohne allerdings auf die Idee zu kommen, diese gewaltsam zurückzuholen, ohne einer Gruppe zuzuschreiben, dies verschuldet zu haben und ohne, die eliminieren zu wollen. Das sollte Dostojewski auch nicht getan haben. Für mich das Genie im Entblößen menschlicher Seele. Es gibt da einen sehr einfachen und kurzen Text über Literatur, in dem er so einen Fahrplan für einen fiktiven Roman skizziert und man hat das Gefühl, selbst nackt zu sein. Großes Kino.

Ich sehe ansonsten nicht den Widerspruch, außer wenn du schreibst, es bedürfe des entwickelten Kapitalverhältnisses, um ideologisch / politisch darauf zu reagieren. Diese Annahme erscheint mir nicht belegt. Schon gar nicht in der gegenwärtigen Zeit. Der von dir zitierte Satz aus dem Manifest, der damals übrigens selbst noch utopisch, oder sagen wir visionär war, ist heute Lebenswirklichkeit. Das Kapital durchdringt weltweit jedes menschliche Leben, dringt bis in die entfernteste Dorfgemeinschaft, zerstört traditionelles Wirtschaften, traditionelle kulturelle Beziehungen. Bauern in Afrika werden zu Arbeitern in Agrarkonzernen auf einstmals eigenem Land. Fischer sehen, wie ihre Fischgründe von Fangfabriken ausgeplündert werden, traditionelles Handwerk scheitert an industrieller Textilproduktion, einstige Landbewohner werden in Nähfabriken in Bangladesh ausgepresst, Fleischabfälle aus Europa ruinieren heimische Produzenten usw. Das ließe sich sehr lang fortführen.
Es gibt einfach auf dieser Welt kaum noch was, dass nicht der Verwertungslogik des Kapitals, also der unendlichen abstrakten Geldvermehrung unterliegt.
Dass, wie du schreibst, der Islamismus nicht unter den Bedingungen des entwickelten Kapitalismus entstand und agiert - und damit meine ich nicht seine historischen Wurzeln- ist mir nicht zu vermitteln.

Deine Ermahnung, mir eine Ahnung dafür zu bewahren, dass Kapitalismus eine eine brachiale Umwälzung der Gesellschaft bedeutet, verstehe ich nicht ganz. Daran habe ich keinerlei Zweifel und habe auch keine geäußert

Noch ein letzter Satz zu Marx, den wir nicht immer so aufmerksam gelesen haben, wie es hätte sein sollen. Im Manifest hat er es auf den Punkt gebracht, als er die Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen beschrieb. Neben der Utopie, dass es eine emanzipatorische Aufhebung gibt, schrieb er auch, dass die kämpfenden Klassen auch gemeinsam untergehen können.

Für mich die nunmehr wahrscheinlichste Option.

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