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694 Beiträge seit 29.11.2002

Fragen über Fragen! Und Antworten!

Sophosaurus schrieb am 4. Dezember 2006 20:50

 > Drogen jedeweder Art wird fahrlässig attestiert, Rauschzustände zu
> verursachen. Das ist (und das ist wichtg!) im eigentlichen Sinne
> falsch, denn sie triggern diese Zustände nur, deren Wirkmechanismen
> alle in der chemischen Verhaltenssteuerung angesiedelt sind.

Das ist mir bekannt. Habe ähnliches u.a. schon einmal in einem guten
Fünfteiler über Drogen auf Arte gehört.

> Normalerweise werden sie durch soziale Trigger ausgelöst und die
> Abwesengeit dieser Zustände wirkt als Verhaltensantrieb und ist dafür
> verantwortlich, dass wir soziales Investment leisten, und damit eine
> Balance zwischen Aufwand und Vorteil erreichen. In der Folge leben
> wir in balancierten sozialen Bindungen.
>
> Ein unverzichtbarer Bestandteil dieser Mechanik ist, was man
> Pwlowsche Reflexe nennt. Mit jeder positi9ven oder negativen
> Verstärkung geht eine sukzessive Anpassung an äussere Verhältnisse
> einher.

> Führe ich in dieses System künstliche Trigger ein, verbiege ich damit
> sukzessive die Ausrichtung der Verhaltensanpassung.

Das ist alles sehr plausibel.
Ich sehe darin auch ein Problem.

Aber muß das zwangsläufig substanzgebunden sein?
Wie sieht es z.B. aus mit:
- Jemand sitzt jeden Tag stundenlang vor Internersexseiten und
verschafft sich Orgasmen und "vergißt" darüber die echte
Kontaktsuche...?
- Jemand spielt stundenlang Computerspiele und holt sich
"Erfolgserlebnisse" ausschließlich durch Erreichen des nächsten
Levels oder Abschluß einer Mission?
- Jemand treibt exzessiv Ausdauersport und holt sich dadurch
Endorphine etc.?

Wenn diese von dir beschriebene Veränderung im Kopf überwiegend
Pawlow und klassische Konditionierung ist, müßte es doch auch dann in
meinen Beispielen zu gleichen Problemen kommen?

Weitere Fragen:

Im Gegensatz zum Onanierer oder zum Computerspieler könnte man ja
beim Ausdauersportler noch einwenden, daß er extrem viel Aufwand
treiben muß, um seine "Belohnung" zu erhalten.
Was ist aber wenn ein Opisüchtiger seine tägliche Dosis nur dann
erhalten würde, wenn er an diesem Tag z.B. einer alten Frau über die
Straße geholfen hat, 1 Stunde Streetworking betrieben und 1 Stunde
politische Diskussionen geführt hat?
Da habe ich dann erstens einen guten Aufwand für seine Belohnung und
zweitens ist er täglich mit einer Art Sozialisation beschäftigt.
Verlernt er es auch dann?

Geht es um irreversibles "Verlernen" oder um tatsächliche
irreversible Veränderungen in der Hirnchemie und in den neuronalen
Netzen?

Von Ecstasy ist es ja mehr oder weniger bekannt, daß es irreversible
Schädigungen der Hirnchemie und der neuronalen Netze auslöst.
Von Opioiden/Opiaten habe ich das bisher in dieser Form noch nicht
gehört.

> Das ist IMMER irreversibel. Der Drogenkonsument wird zum sozialen
> Krüppel (hier könnte man detailierter, falls nicht gleich ersichtlich
> wird, wie das funktioniert), und er wird bei längerer und/oder
> häufigerer Anwednug künstlicher Trigger so antriebslos, dass er am
> Ende nicht mal mehr die einfachsten Verichtungen zu leisten imstande
> ist.

Summieren sich alle Konsume von allen Drogen über ein Leben auf?

Auch wenn man bei beiden folgenden Personen mit Sicherheit noch nicht
von merkbarer Antriebslosigkeit sprechen kann, kann man ja diese
Frage trotzdem stellen:
Angenommen zwei Personen, die ohne jeglichen Kontakt zu Drogen den
gleichen Antrieb hätten (auch sonst alles gleich), nehmen in ihrem
Leben bis zu einem bestimmten Alter sporadisch Drogen.
Person A trinkt genau 50 Bier und raucht 20 Joints, Person B trinkt
genau 150 Bier und raucht 60 Joints.
Ist B nun antriebsloser als A (auch wenn es nur absolut marginal
ist)?

Was mich noch interessieren würde:
Wieder zwei körperlich gleiche Personen.
Person A ist 1 Jahr lang abhängig von XY, im Alter von 23-24.
Person B ist 1 Jahr lang abhängig, auch von XY, im Alter von 63-64.
Ist dann Person A (unter Deinen Gescihstpunkten) geschädigter als
Person B?
Bei B könnte man ja zugute halten, daß er viel länger Zeit hatte, die
Pawlow-Reflexe zu "erlernen". Bei ihm müßte das Positive ja alles
fester ins Hirn eingebrannt sein, als "Grundschutz" sozusagen.

> Man kann diese Wirkung im Zusammenhang mit Alkohol so deutlich
> wahrnehmen wie bei Heroin, bei Cannabis so eindeutig wie bei Alkohol,
> und sie scheint selbst im Umgang mit Halluzinogenen aufzutreten.

Wie und warum auch immer Deine beschriebene Schädigung wirkt: Es
bleibt dabei, daß Opis summa summarum gesünder sind als Alkohol.

(Was ist eigentlich mit Psychopharmaka, die ein Depressiver,
Neurotiker, Psychotiker nehmen muß?
Wird man auch dadurch langfristig desozialisiert?)

Nur daß wir (und falls er das hier liest auch "irgendein Dau") uns
richtig verstehen:
Ich halte eine Welt, in der niemand zu Drogen greifen müßte, für die
bessere.
Ich möchte niemandem nahelegen, Drogen, insbesondere Opis, zu nehmen.
Ich selbst konsumiere (außer Zigaretten) genau 1 Bier pro Woche
(nämlich wenn ich "Dittsche" schaue :-) ) und sonst nichts.
Ich denke nicht, daß mir etwas fehlt, und das obwohl ich diverse
Dinge mehr oder weniger und länger oder kürzer probiert habe und
manches sogar für gut befunden habe.
Jedenfalls gab ich dem "Schicksal" genug Chancen, mir eine psychische
Abhängigkeit zu bescheren. Es wollte nicht zugreifen!

> Drogen sind ein Symptom für neurotische Orientierungen in der ganzen
> Gesellschaft, gewinnen dort an Bedeutung, wo gesundes soziales
> Verhalten durch soziale Normen geschwächt wird.

Sehe ich fast genauso!
Eine Welt/Gesellschaft, in der alles stimmen würde, bräuchte fast
keine Drogenkonsume.
Aber so ist sie nunmal nicht!
Und ich gestehe jedem, der glaubt, es tun zu müssen, die Einnahme von
Drogen zu, egal mit welchen Konsequenzen.

Mal angenommen, jemand hätte z.B. eine entstellende Hautkrankheit und
kann Deiner Darlegung von Antrieb und Sozialisation sowieso nicht
nachkommen (z.B. Partner und adäquate Arbeit findet er nicht), warum
soll derjenige nicht Drogen konsumieren, für ein kleines Stück vom
Glück?

Austherapierte und nicht geheilte Menschen mit psychischen Störungen
(Mißbrauchsopfer, Traumatisierte usw.) dito.

Und, und, und!

Aber auch jeder, der es einfach so will.
Vielleicht geht es ja manchen einfach zu gut.
(Für manche Menschen ist sogar Leiden eine Form von Glück!)


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