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mehr als 1000 Beiträge seit 14.05.2003

Berechtigte Fragen und Antworten

Der Meta von Xa schrieb am 5. Dezember 2006 2:25

> Aber muß das zwangsläufig substanzgebunden sein?
> Wie sieht es z.B. aus mit:
> - Jemand sitzt jeden Tag stundenlang vor Internersexseiten und
> verschafft sich Orgasmen und "vergißt" darüber die echte
> Kontaktsuche...?
> - Jemand spielt stundenlang Computerspiele und holt sich
> "Erfolgserlebnisse" ausschließlich durch Erreichen des nächsten
> Levels oder Abschluß einer Mission?
> - Jemand treibt exzessiv Ausdauersport und holt sich dadurch
> Endorphine etc.?

Das ist z. T. vergleichbar. Die Zustände sind aber nicht künstloch
getriggert und aufwandslos herzustellen, sie werden nicht mit dem
verwendeten Mittel assoziiert, sondern der auslösenden Tätigkeit und
die steht ja immer mit realen Zwecken und Vorstellungen in
Verbindung. Sport ist z. B: ein Weg, seine sozialen Erfolge durch
äusserlich erkennbare Vitalität zu verbessern. Selbst masturnbation
bleibt mit dem eigentlichen Antrieb und seiner Zielrichtung
verknüpft. Dennoch ist der Gedanke durchaus richtig. Also ein  klares
jein :-)

> Wenn diese von dir beschriebene Veränderung im Kopf überwiegend
> Pawlow und klassische Konditionierung ist, müßte es doch auch dann in
> meinen Beispielen zu gleichen Problemen kommen?

Denkbar.

> Weitere Fragen:

> Im Gegensatz zum Onanierer oder zum Computerspieler könnte man ja
> beim Ausdauersportler noch einwenden, daß er extrem viel Aufwand
> treiben muß, um seine "Belohnung" zu erhalten.
> Was ist aber wenn ein Opisüchtiger seine tägliche Dosis nur dann
> erhalten würde, wenn er an diesem Tag z.B. einer alten Frau über die
> Straße geholfen hat, 1 Stunde Streetworking betrieben und 1 Stunde
> politische Diskussionen geführt hat?
> Da habe ich dann erstens einen guten Aufwand für seine Belohnung und
> zweitens ist er täglich mit einer Art Sozialisation beschäftigt.
> Verlernt er es auch dann?

Meine erste Reaktion war: brilliant, so muss man therapieren!
Dann dachte ich: Wird nicht doch eher der Auslöser mit dem Egebnis
verknüpft?
Schliesslich: Vielleicht ist es egal und die Methode wirkt dennoch.

> Geht es um irreversibles "Verlernen" oder um tatsächliche
> irreversible Veränderungen in der Hirnchemie und in den neuronalen
> Netzen?

Soweit ich weiß, werden Reflexbrücken hergestellt und verbleiben wohl
dauerhaft, aber ob das nun so genau zu beobachten ist?

Verschiedene Veränderungen der Rezeptoren sind in der Literatur
beschrieben.

> Von Ecstasy ist es ja mehr oder weniger bekannt, daß es irreversible
> Schädigungen der Hirnchemie und der neuronalen Netze auslöst.
> Von Opioiden/Opiaten habe ich das bisher in dieser Form noch nicht
> gehört.

Mit Designerdrogen kenne ich mich wenig aus, denke, da wird es wohl
einiges geben, das Rezeptoren oder Stoffwechsel direkt manipuliert
und entsprechend schädigt (s. a. Blausäure im Tabak.

> Summieren sich alle Konsume von allen Drogen über ein Leben auf?

Halte ich für sehr wahrscheinlich. Selbst wo es eine Trendumkehr
gibt, hat sich doch der Entwicklunsweg verändert und das Ergebnis
wird kaum dem unveränderten entsprechen. Alkoholiker-Biographien
bestätigen das doch. Das ist oft ein Prozess von Jahrzehnten.

> Auch wenn man bei beiden folgenden Personen mit Sicherheit noch nicht
> von merkbarer Antriebslosigkeit sprechen kann, kann man ja diese
> Frage trotzdem stellen:
> Angenommen zwei Personen, die ohne jeglichen Kontakt zu Drogen den
> gleichen Antrieb hätten (auch sonst alles gleich), nehmen in ihrem
> Leben bis zu einem bestimmten Alter sporadisch Drogen.
> Person A trinkt genau 50 Bier und raucht 20 Joints, Person B trinkt
> genau 150 Bier und raucht 60 Joints.
> Ist B nun antriebsloser als A (auch wenn es nur absolut marginal
> ist)?

Ich sehe eine Art Tabelle vor mir, auf der jede denkbare Assoziation
abgebildet ist. Alles je erfahrene ist bewertet. Jede Erfahrung
verändert den Punktestand und manchmal tauschen benschbarte Einträge
den Platz miteinander.

> Was mich noch interessieren würde:
> Wieder zwei körperlich gleiche Personen.
> Person A ist 1 Jahr lang abhängig von XY, im Alter von 23-24.
> Person B ist 1 Jahr lang abhängig, auch von XY, im Alter von 63-64.
> Ist dann Person A (unter Deinen Gescihstpunkten) geschädigter als
> Person B?

A kann und wird viel mehr verlieren, wenn man die ganze Biographie
bewertet.

> Bei B könnte man ja zugute halten, daß er viel länger Zeit hatte, die
> Pawlow-Reflexe zu "erlernen". Bei ihm müßte das Positive ja alles
> fester ins Hirn eingebrannt sein, als "Grundschutz" sozusagen.

Einerseits schon, andererseits ist seine Empfindungsintensität
altersbedingt herabgesetzt, der Negativanteil aller Erfahrungen nimmt
zu, der Positivanteil ab, der veränderte Mix dämpft die Antriebe. Ich
habe keine Ahnung, ob das auch künstlich getriggerte Zustände
einschliesst, weil vielleicht die Rezeptoren "ausgelatscht" sind.

> > Man kann diese Wirkung im Zusammenhang mit Alkohol so deutlich
> > wahrnehmen wie bei Heroin, bei Cannabis so eindeutig wie bei Alkohol,
> > und sie scheint selbst im Umgang mit Halluzinogenen aufzutreten.

> Wie und warum auch immer Deine beschriebene Schädigung wirkt: Es
> bleibt dabei, daß Opis summa summarum gesünder sind als Alkohol.

An sich schon. Sicher.

> (Was ist eigentlich mit Psychopharmaka, die ein Depressiver,
> Neurotiker, Psychotiker nehmen muß?
> Wird man auch dadurch langfristig desozialisiert?)

Eher schlagartig. Antidepressiva wirken nur auf Symptome, indem sie
triebdämfend in die körpereigene Chemie eingreifen. Das Opfer merkt
das nicht, weil es zuvor meist eine Triebblockade hatte. Früher oder
später merken die Betroffenen, dass an sie verkrüppelt hat. Mit
Psychopharmaka behandelte haben eine extrem hohe Suizidrate. 

> Nur daß wir (und falls er das hier liest auch "irgendein Dau") uns
> richtig verstehen:
> Ich halte eine Welt, in der niemand zu Drogen greifen müßte, für die
> bessere.

Sehe ich auch so. Ist traurig, dass man "Betäubungsmittel" braucht,
um dieses Leben auszuhalten. Kann hart sein, es ohne zu versuchen,
wenn man kein Verdränger und kein Glückspilz ist, aber man muß halt
kämpfen. 

> Ich möchte niemandem nahelegen, Drogen, insbesondere Opis, zu nehmen.
> Ich selbst konsumiere (außer Zigaretten) genau 1 Bier pro Woche
> (nämlich wenn ich "Dittsche" schaue :-) ) und sonst nichts.
> Ich denke nicht, daß mir etwas fehlt, und das obwohl ich diverse
> Dinge mehr oder weniger und länger oder kürzer probiert habe und
> manches sogar für gut befunden habe.
> Jedenfalls gab ich dem "Schicksal" genug Chancen, mir eine psychische
> Abhängigkeit zu bescheren. Es wollte nicht zugreifen!

Habe das meiste kennenfelernt und bin nur an Tabak hängengeblieben,
merke inzw. 46... was ich mir damit antue. Bißchen spät.

> > Drogen sind ein Symptom für neurotische Orientierungen in der ganzen
> > Gesellschaft, gewinnen dort an Bedeutung, wo gesundes soziales
> > Verhalten durch soziale Normen geschwächt wird.

> Sehe ich fast genauso!
> Eine Welt/Gesellschaft, in der alles stimmen würde, bräuchte fast
> keine Drogenkonsume.
> Aber so ist sie nunmal nicht!
> Und ich gestehe jedem, der glaubt, es tun zu müssen, die Einnahme von
> Drogen zu, egal mit welchen Konsequenzen.

Naja, einerseirs muß jeder selbst entscheiden, andererseits sind
Jugendliche bis hin zu jungen Erwachsenen subjektiv alle unbesiegbar
und haben nur wenig Möglichkeiten, sich substantiiert zu entscheiden.
Die wenigsten dagne spät an.

> Mal angenommen, jemand hätte z.B. eine entstellende Hautkrankheit und
> kann Deiner Darlegung von Antrieb und Sozialisation sowieso nicht
> nachkommen (z.B. Partner und adäquate Arbeit findet er nicht), warum
> soll derjenige nicht Drogen konsumieren, für ein kleines Stück vom
> Glück?

Aber auch Leute mit schweren Stigmata haben Chancen. Ist die Frage,
ab wann man jemandem zugesteht, aufzugeben. Wir halten ja doch auch
einiges aus.

> Austherapierte und nicht geheilte Menschen mit psychischen Störungen
> (Mißbrauchsopfer, Traumatisierte usw.) dito.

Die kommen sehr gut auf die Füsse, wenn man  sie vor der "Therapie"
schützt. Im Ernst, es ist katastrophal, was da an schäden produziert
wird, und zwar nicht in Ausnamefällen.

> Und, und, und!

> Aber auch jeder, der es einfach so will.
> Vielleicht geht es ja manchen einfach zu gut.
> (Für manche Menschen ist sogar Leiden eine Form von Glück!)

hmm... "Quäl mich" sagte der Masochist, "NEIN" antwortet der Sadist.

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